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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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befestigt angemerkten Halbinseln ins Ange fassen. Hier scheint es zu sein, wo
die drei Forts Nikolaus, Alexander und Konstantin gelegen sind. Nach glaub¬
würdigen Nachrichten sind in allen dreien zusammen nicht weniger als 470 Kanonen
(vom schwersten bis zum mittleren Kaliber herab) placirt, woraus man einen Schluß
auf das Feuer machen kann, dem eine den Eingang mit Gewalt versuchende Flotte
auf diesem Punkt ausgesetzt sein würde.

Dagegen scheint es erwiesen zu sein, daß die dem Hafen zunächst gelegene
Küste erst in neuester Zeit und nur provisorisch befestigt worden ist. Hier würde
es demnach sein, wo eine englisch-französisch-türkische Seeexpedition möglicherweise
die Landung versuchen würde. Sie hätte, nachdem sie festen Boden gewonnen,
kaum große Schwierigkeiten zu überwinden, denn die Stadt selbst ist nicht fest,
und ebenso entbehrten die Marineetablissements noch vor kurzem aller landwärtigen
Sicherung; wenn sie fortificirt wurden, kann es erst in jüngster Zeit und mithin
nicht durch permanente Brückenbauten geschehen sein, die allein eine respectable
Befestigung bilden.

Prüft man im allgemeinen die militärischen Einrichtungen, welche unter der
mehr als ein Vierteljahrhundert umfassenden Negierung des Kaisers Nikolaus
entstanden sind, so kommt man zu dem Schluß, daß dieselben weit mehr unter
dem Eindruck der letzten westlichen Invasion als in Berücksichtigung eines Angriffs
von Norden und Süden her getroffen wurden. Die Küste des schwarzen Meeres
hat in der ganzen Ausdehnung von der Mündung der Donau an bis zur tür¬
kischen Grenze in Asien nur den einen starken Punkt Sebastopol auszuweisen, und,
wie oben dargelegt, ist derselbe nicht fest genug, um nicht seine schwache Seite
zu haben. Der VertheidignngsMand Odessas soll, ungeachtet der Herstellung
einer alten, aus der Türkeuzeit herstammenden Citadelle wahrhaft erbärmlich,
und im mindesten nicht der Wichtigkeit dieses Punktes angemessen sein, über dessen
ganz außerordentliche strategische Bedeutsamkeit ich in meinem Briefe vom 9. d. Mes.
des näheren eingegangen bin. Nicht viel besser ist Nikolajess mit seinen großen
Schiffswerften gesichert. Hier würde eine englisch-französische Dampfmacht leicht
den Eingang finden und ohne sonderliche Gefahr der eignen Fahrzeuge alles
verbrennen können, was in zehn und fünfzehn Jahren von Fahrzeuge" und Ge¬
bäuden, namentlich aber an Material in den ungehenren Magazinen angehäuft
worden ist.------

> Die Witterung ist hier in einem hohen Maße unangenehm, feucht, rauh
und düster.




befestigt angemerkten Halbinseln ins Ange fassen. Hier scheint es zu sein, wo
die drei Forts Nikolaus, Alexander und Konstantin gelegen sind. Nach glaub¬
würdigen Nachrichten sind in allen dreien zusammen nicht weniger als 470 Kanonen
(vom schwersten bis zum mittleren Kaliber herab) placirt, woraus man einen Schluß
auf das Feuer machen kann, dem eine den Eingang mit Gewalt versuchende Flotte
auf diesem Punkt ausgesetzt sein würde.

Dagegen scheint es erwiesen zu sein, daß die dem Hafen zunächst gelegene
Küste erst in neuester Zeit und nur provisorisch befestigt worden ist. Hier würde
es demnach sein, wo eine englisch-französisch-türkische Seeexpedition möglicherweise
die Landung versuchen würde. Sie hätte, nachdem sie festen Boden gewonnen,
kaum große Schwierigkeiten zu überwinden, denn die Stadt selbst ist nicht fest,
und ebenso entbehrten die Marineetablissements noch vor kurzem aller landwärtigen
Sicherung; wenn sie fortificirt wurden, kann es erst in jüngster Zeit und mithin
nicht durch permanente Brückenbauten geschehen sein, die allein eine respectable
Befestigung bilden.

Prüft man im allgemeinen die militärischen Einrichtungen, welche unter der
mehr als ein Vierteljahrhundert umfassenden Negierung des Kaisers Nikolaus
entstanden sind, so kommt man zu dem Schluß, daß dieselben weit mehr unter
dem Eindruck der letzten westlichen Invasion als in Berücksichtigung eines Angriffs
von Norden und Süden her getroffen wurden. Die Küste des schwarzen Meeres
hat in der ganzen Ausdehnung von der Mündung der Donau an bis zur tür¬
kischen Grenze in Asien nur den einen starken Punkt Sebastopol auszuweisen, und,
wie oben dargelegt, ist derselbe nicht fest genug, um nicht seine schwache Seite
zu haben. Der VertheidignngsMand Odessas soll, ungeachtet der Herstellung
einer alten, aus der Türkeuzeit herstammenden Citadelle wahrhaft erbärmlich,
und im mindesten nicht der Wichtigkeit dieses Punktes angemessen sein, über dessen
ganz außerordentliche strategische Bedeutsamkeit ich in meinem Briefe vom 9. d. Mes.
des näheren eingegangen bin. Nicht viel besser ist Nikolajess mit seinen großen
Schiffswerften gesichert. Hier würde eine englisch-französische Dampfmacht leicht
den Eingang finden und ohne sonderliche Gefahr der eignen Fahrzeuge alles
verbrennen können, was in zehn und fünfzehn Jahren von Fahrzeuge» und Ge¬
bäuden, namentlich aber an Material in den ungehenren Magazinen angehäuft
worden ist.------

> Die Witterung ist hier in einem hohen Maße unangenehm, feucht, rauh
und düster.




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[0392] befestigt angemerkten Halbinseln ins Ange fassen. Hier scheint es zu sein, wo die drei Forts Nikolaus, Alexander und Konstantin gelegen sind. Nach glaub¬ würdigen Nachrichten sind in allen dreien zusammen nicht weniger als 470 Kanonen (vom schwersten bis zum mittleren Kaliber herab) placirt, woraus man einen Schluß auf das Feuer machen kann, dem eine den Eingang mit Gewalt versuchende Flotte auf diesem Punkt ausgesetzt sein würde. Dagegen scheint es erwiesen zu sein, daß die dem Hafen zunächst gelegene Küste erst in neuester Zeit und nur provisorisch befestigt worden ist. Hier würde es demnach sein, wo eine englisch-französisch-türkische Seeexpedition möglicherweise die Landung versuchen würde. Sie hätte, nachdem sie festen Boden gewonnen, kaum große Schwierigkeiten zu überwinden, denn die Stadt selbst ist nicht fest, und ebenso entbehrten die Marineetablissements noch vor kurzem aller landwärtigen Sicherung; wenn sie fortificirt wurden, kann es erst in jüngster Zeit und mithin nicht durch permanente Brückenbauten geschehen sein, die allein eine respectable Befestigung bilden. Prüft man im allgemeinen die militärischen Einrichtungen, welche unter der mehr als ein Vierteljahrhundert umfassenden Negierung des Kaisers Nikolaus entstanden sind, so kommt man zu dem Schluß, daß dieselben weit mehr unter dem Eindruck der letzten westlichen Invasion als in Berücksichtigung eines Angriffs von Norden und Süden her getroffen wurden. Die Küste des schwarzen Meeres hat in der ganzen Ausdehnung von der Mündung der Donau an bis zur tür¬ kischen Grenze in Asien nur den einen starken Punkt Sebastopol auszuweisen, und, wie oben dargelegt, ist derselbe nicht fest genug, um nicht seine schwache Seite zu haben. Der VertheidignngsMand Odessas soll, ungeachtet der Herstellung einer alten, aus der Türkeuzeit herstammenden Citadelle wahrhaft erbärmlich, und im mindesten nicht der Wichtigkeit dieses Punktes angemessen sein, über dessen ganz außerordentliche strategische Bedeutsamkeit ich in meinem Briefe vom 9. d. Mes. des näheren eingegangen bin. Nicht viel besser ist Nikolajess mit seinen großen Schiffswerften gesichert. Hier würde eine englisch-französische Dampfmacht leicht den Eingang finden und ohne sonderliche Gefahr der eignen Fahrzeuge alles verbrennen können, was in zehn und fünfzehn Jahren von Fahrzeuge» und Ge¬ bäuden, namentlich aber an Material in den ungehenren Magazinen angehäuft worden ist.------ > Die Witterung ist hier in einem hohen Maße unangenehm, feucht, rauh und düster.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/392>, abgerufen am 22.07.2024.