Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

die ein gewisser Bevin hielt. Als sie 'am Morgen, um das Kaminfeuer geschart,
auf das Frühstück warteten , erkundigte sich der geschwätzige neugierige Wirth:
,',Ob der Hochverräther Burr etwa erwischt worden wäre? Na, endlich wäre der
saubere Vogel in der Falle! Ob er nicht ein rechter Schurke wäre? Ob nicht
alle Welt sich vor ihm fürchte?" -- Perkins ärgerte das einfältige Geplauder,
aber weder er noch einer seiner Leute antworteten darauf mit einer Silbe.

Burr saß im Winkel der Hütte am Feuer und hatte den Kopf auf die
Hände gestemmt. Er schien des schwatzhaften Schenkwirths nicht zu achten.
Endlich jedoch vermochte er das Zungenspiel des Unermüdlichen nicht länger zu
ertragen. Er erhob sich von seinem Stuhle, heftete seine schwarzen blitzenden
Augen ans den thörichten Frager und sagte:

"Ich bin Aaron Burr, was wollen Sie von mir?"

Bevin stand wie vom Donner gerührt. Sein durchbohrender Blick und die
Würde seiner Haltung wirkten ans ihn, als ob er ein Gespenst vor sich sähe.
Die Farbe verließ seine Wangen und er zitterte wie ein Espenblatt. Er ließ
sein Mahl ungegessen und äußerte kein Wort mehr, so lange die Escorte in
seinem Hause blieb.

Als sie die Grenzen von Südcarolina erreichten, beobachtete Perkins den
Gefangenen mit größerer Vorsicht, als vorher; denn Burrs Schwiegersohn, Oberst
Alston, ein Mann von Talent und Einfluß, welcher später Gouverneur des
Staates wurde, wohnte hier in der Nähe. Man mußte fortwährend beschwerliche
Umwege machen, um nicht Ortschaften zu berühren, wo die Bevölkerung mög¬
licherweise ausstehen konnte, um den Gefangenen zu befreien. Einmal indessen
sah man sich doch genöthigt, von dieser Regel abzuweichen. Es war bei der
Stadt Ehester. Ehe man dieselbe betrat, machte der Trupp Halt, nahm Burr
in die Mitte und ritt sodann im Trabe durch den Ort. Mau hatte ein Gast¬
haus zu passiren, vor dessen Eingänge mehre Personen standen, und aus dessen
Fenstern eine lustige Tanzmusik erscholl. Burr sah hierin eine günstige Gelegen¬
heit zur Flucht. Er sprang plötzlich vom Pferde, trat auf die vor dem Wirths¬
hause Stehenden zu und rief:

"Ich bin Aaron Burr; gefangen gehalten auf Befehl der Militärgewalt, rufe
ich deu Schutz der bürgerlichen Gerichte an."

Perkins stieg augenblicklich ebenfalls aus dem Sattel. Seine Leute um¬
ringten Burr, und man hieß ihn sofort wieder zu Pferde steigen.

"Ich will nicht!" entgegnete Burr.

Perkins wollte ihn nicht niederschießen. Er warf deshalb seine Pistolen hin,
faßte ihn, da er ein Mann von athletischer Stärke, der Gefangene aber von kleiner
Gestalt war, um den Leib und hob ihn, wie wenn er ein Kind wäre, in den
Sattel. Thomas Malone, einer der Wächter, griff nach dem Zaume, warf ihn
über den Kopf des Gauls und galoppirte, das Thier mit seinem Reiter nach sich


die ein gewisser Bevin hielt. Als sie 'am Morgen, um das Kaminfeuer geschart,
auf das Frühstück warteten , erkundigte sich der geschwätzige neugierige Wirth:
,',Ob der Hochverräther Burr etwa erwischt worden wäre? Na, endlich wäre der
saubere Vogel in der Falle! Ob er nicht ein rechter Schurke wäre? Ob nicht
alle Welt sich vor ihm fürchte?" — Perkins ärgerte das einfältige Geplauder,
aber weder er noch einer seiner Leute antworteten darauf mit einer Silbe.

Burr saß im Winkel der Hütte am Feuer und hatte den Kopf auf die
Hände gestemmt. Er schien des schwatzhaften Schenkwirths nicht zu achten.
Endlich jedoch vermochte er das Zungenspiel des Unermüdlichen nicht länger zu
ertragen. Er erhob sich von seinem Stuhle, heftete seine schwarzen blitzenden
Augen ans den thörichten Frager und sagte:

„Ich bin Aaron Burr, was wollen Sie von mir?"

Bevin stand wie vom Donner gerührt. Sein durchbohrender Blick und die
Würde seiner Haltung wirkten ans ihn, als ob er ein Gespenst vor sich sähe.
Die Farbe verließ seine Wangen und er zitterte wie ein Espenblatt. Er ließ
sein Mahl ungegessen und äußerte kein Wort mehr, so lange die Escorte in
seinem Hause blieb.

Als sie die Grenzen von Südcarolina erreichten, beobachtete Perkins den
Gefangenen mit größerer Vorsicht, als vorher; denn Burrs Schwiegersohn, Oberst
Alston, ein Mann von Talent und Einfluß, welcher später Gouverneur des
Staates wurde, wohnte hier in der Nähe. Man mußte fortwährend beschwerliche
Umwege machen, um nicht Ortschaften zu berühren, wo die Bevölkerung mög¬
licherweise ausstehen konnte, um den Gefangenen zu befreien. Einmal indessen
sah man sich doch genöthigt, von dieser Regel abzuweichen. Es war bei der
Stadt Ehester. Ehe man dieselbe betrat, machte der Trupp Halt, nahm Burr
in die Mitte und ritt sodann im Trabe durch den Ort. Mau hatte ein Gast¬
haus zu passiren, vor dessen Eingänge mehre Personen standen, und aus dessen
Fenstern eine lustige Tanzmusik erscholl. Burr sah hierin eine günstige Gelegen¬
heit zur Flucht. Er sprang plötzlich vom Pferde, trat auf die vor dem Wirths¬
hause Stehenden zu und rief:

„Ich bin Aaron Burr; gefangen gehalten auf Befehl der Militärgewalt, rufe
ich deu Schutz der bürgerlichen Gerichte an."

Perkins stieg augenblicklich ebenfalls aus dem Sattel. Seine Leute um¬
ringten Burr, und man hieß ihn sofort wieder zu Pferde steigen.

„Ich will nicht!" entgegnete Burr.

Perkins wollte ihn nicht niederschießen. Er warf deshalb seine Pistolen hin,
faßte ihn, da er ein Mann von athletischer Stärke, der Gefangene aber von kleiner
Gestalt war, um den Leib und hob ihn, wie wenn er ein Kind wäre, in den
Sattel. Thomas Malone, einer der Wächter, griff nach dem Zaume, warf ihn
über den Kopf des Gauls und galoppirte, das Thier mit seinem Reiter nach sich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0384" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97630"/>
          <p xml:id="ID_1013" prev="#ID_1012"> die ein gewisser Bevin hielt. Als sie 'am Morgen, um das Kaminfeuer geschart,<lb/>
auf das Frühstück warteten , erkundigte sich der geschwätzige neugierige Wirth:<lb/>
,',Ob der Hochverräther Burr etwa erwischt worden wäre? Na, endlich wäre der<lb/>
saubere Vogel in der Falle! Ob er nicht ein rechter Schurke wäre? Ob nicht<lb/>
alle Welt sich vor ihm fürchte?" &#x2014; Perkins ärgerte das einfältige Geplauder,<lb/>
aber weder er noch einer seiner Leute antworteten darauf mit einer Silbe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1014"> Burr saß im Winkel der Hütte am Feuer und hatte den Kopf auf die<lb/>
Hände gestemmt. Er schien des schwatzhaften Schenkwirths nicht zu achten.<lb/>
Endlich jedoch vermochte er das Zungenspiel des Unermüdlichen nicht länger zu<lb/>
ertragen. Er erhob sich von seinem Stuhle, heftete seine schwarzen blitzenden<lb/>
Augen ans den thörichten Frager und sagte:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1015"> &#x201E;Ich bin Aaron Burr, was wollen Sie von mir?"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1016"> Bevin stand wie vom Donner gerührt. Sein durchbohrender Blick und die<lb/>
Würde seiner Haltung wirkten ans ihn, als ob er ein Gespenst vor sich sähe.<lb/>
Die Farbe verließ seine Wangen und er zitterte wie ein Espenblatt. Er ließ<lb/>
sein Mahl ungegessen und äußerte kein Wort mehr, so lange die Escorte in<lb/>
seinem Hause blieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1017"> Als sie die Grenzen von Südcarolina erreichten, beobachtete Perkins den<lb/>
Gefangenen mit größerer Vorsicht, als vorher; denn Burrs Schwiegersohn, Oberst<lb/>
Alston, ein Mann von Talent und Einfluß, welcher später Gouverneur des<lb/>
Staates wurde, wohnte hier in der Nähe. Man mußte fortwährend beschwerliche<lb/>
Umwege machen, um nicht Ortschaften zu berühren, wo die Bevölkerung mög¬<lb/>
licherweise ausstehen konnte, um den Gefangenen zu befreien. Einmal indessen<lb/>
sah man sich doch genöthigt, von dieser Regel abzuweichen. Es war bei der<lb/>
Stadt Ehester. Ehe man dieselbe betrat, machte der Trupp Halt, nahm Burr<lb/>
in die Mitte und ritt sodann im Trabe durch den Ort. Mau hatte ein Gast¬<lb/>
haus zu passiren, vor dessen Eingänge mehre Personen standen, und aus dessen<lb/>
Fenstern eine lustige Tanzmusik erscholl. Burr sah hierin eine günstige Gelegen¬<lb/>
heit zur Flucht. Er sprang plötzlich vom Pferde, trat auf die vor dem Wirths¬<lb/>
hause Stehenden zu und rief:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1018"> &#x201E;Ich bin Aaron Burr; gefangen gehalten auf Befehl der Militärgewalt, rufe<lb/>
ich deu Schutz der bürgerlichen Gerichte an."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1019"> Perkins stieg augenblicklich ebenfalls aus dem Sattel. Seine Leute um¬<lb/>
ringten Burr, und man hieß ihn sofort wieder zu Pferde steigen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1020"> &#x201E;Ich will nicht!" entgegnete Burr.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1021" next="#ID_1022"> Perkins wollte ihn nicht niederschießen. Er warf deshalb seine Pistolen hin,<lb/>
faßte ihn, da er ein Mann von athletischer Stärke, der Gefangene aber von kleiner<lb/>
Gestalt war, um den Leib und hob ihn, wie wenn er ein Kind wäre, in den<lb/>
Sattel. Thomas Malone, einer der Wächter, griff nach dem Zaume, warf ihn<lb/>
über den Kopf des Gauls und galoppirte, das Thier mit seinem Reiter nach sich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0384] die ein gewisser Bevin hielt. Als sie 'am Morgen, um das Kaminfeuer geschart, auf das Frühstück warteten , erkundigte sich der geschwätzige neugierige Wirth: ,',Ob der Hochverräther Burr etwa erwischt worden wäre? Na, endlich wäre der saubere Vogel in der Falle! Ob er nicht ein rechter Schurke wäre? Ob nicht alle Welt sich vor ihm fürchte?" — Perkins ärgerte das einfältige Geplauder, aber weder er noch einer seiner Leute antworteten darauf mit einer Silbe. Burr saß im Winkel der Hütte am Feuer und hatte den Kopf auf die Hände gestemmt. Er schien des schwatzhaften Schenkwirths nicht zu achten. Endlich jedoch vermochte er das Zungenspiel des Unermüdlichen nicht länger zu ertragen. Er erhob sich von seinem Stuhle, heftete seine schwarzen blitzenden Augen ans den thörichten Frager und sagte: „Ich bin Aaron Burr, was wollen Sie von mir?" Bevin stand wie vom Donner gerührt. Sein durchbohrender Blick und die Würde seiner Haltung wirkten ans ihn, als ob er ein Gespenst vor sich sähe. Die Farbe verließ seine Wangen und er zitterte wie ein Espenblatt. Er ließ sein Mahl ungegessen und äußerte kein Wort mehr, so lange die Escorte in seinem Hause blieb. Als sie die Grenzen von Südcarolina erreichten, beobachtete Perkins den Gefangenen mit größerer Vorsicht, als vorher; denn Burrs Schwiegersohn, Oberst Alston, ein Mann von Talent und Einfluß, welcher später Gouverneur des Staates wurde, wohnte hier in der Nähe. Man mußte fortwährend beschwerliche Umwege machen, um nicht Ortschaften zu berühren, wo die Bevölkerung mög¬ licherweise ausstehen konnte, um den Gefangenen zu befreien. Einmal indessen sah man sich doch genöthigt, von dieser Regel abzuweichen. Es war bei der Stadt Ehester. Ehe man dieselbe betrat, machte der Trupp Halt, nahm Burr in die Mitte und ritt sodann im Trabe durch den Ort. Mau hatte ein Gast¬ haus zu passiren, vor dessen Eingänge mehre Personen standen, und aus dessen Fenstern eine lustige Tanzmusik erscholl. Burr sah hierin eine günstige Gelegen¬ heit zur Flucht. Er sprang plötzlich vom Pferde, trat auf die vor dem Wirths¬ hause Stehenden zu und rief: „Ich bin Aaron Burr; gefangen gehalten auf Befehl der Militärgewalt, rufe ich deu Schutz der bürgerlichen Gerichte an." Perkins stieg augenblicklich ebenfalls aus dem Sattel. Seine Leute um¬ ringten Burr, und man hieß ihn sofort wieder zu Pferde steigen. „Ich will nicht!" entgegnete Burr. Perkins wollte ihn nicht niederschießen. Er warf deshalb seine Pistolen hin, faßte ihn, da er ein Mann von athletischer Stärke, der Gefangene aber von kleiner Gestalt war, um den Leib und hob ihn, wie wenn er ein Kind wäre, in den Sattel. Thomas Malone, einer der Wächter, griff nach dem Zaume, warf ihn über den Kopf des Gauls und galoppirte, das Thier mit seinem Reiter nach sich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/384
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/384>, abgerufen am 22.07.2024.