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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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der Achtung begegnen werde, welche dem einstigen Viceprästdenten der Vereinigten
Staaten zukomme.

Ungefähr drei Wochen später sandte Gaues den Gefangenen nach Richmond
in Virginien. Der Oberbefehl über seine Escorte wurde Perkins übertragen,
der die Leute ausgesucht und nur solche gewählt hatte, auf die er sich unter allen
Umständen verlassen konnte. Er hatte sie vor dem Aufbrechen bei Seite ge¬
nommen und sie einen feierlichen Eid leisten lassen, aus der ganzen Reise sich in
kein Gespräch mit dem Gefangenen einzulassen, noch ihn lebendig entkommen zu
lassen. Perkins kannte den Zauber, dessen Burr mächtig war, wenn er zu Worte
kommen konnte. Er fürchtete den Einfluß, den er sich verschaffen konnte, sobald
er mit seinen Wächtern in irgend ein anderes als ein absolut feindseliges Ver¬
hältniß trat -- ja er fürchtete sich selbst vor diesem Einfluß.

Die Escorte war gut beritten und bewaffnet. Jeder Reiter führte Lebens¬
mittel für sich und einige für den Gefangenen mit sich. Am 28. Februar machten
sie sich zu ihrer langen und gefahrvollen Reise ans den Weg. Wohin war es
jetzt mit Burr und seinen glänzenden Plänen gediehen! Zu Anfang des Jahres
auf der geradsten Bahn zu Macht und Ruhm, befand er sich jetzt in der uner¬
meßlichen Wildniß von Alabama, abgeschnitten von allen Freunden und Genossen,
umgeben von einer Wache, mit der er nicht einmal sprechen durfte; war jetzt ein
Gefangener der Vereinigten Staaten, für deren Freiheit er dereinst gefochten;
sah sein Vermögen zerronnen, seinen Glücksstern untergegangen, seinen gro߬
artigen Plan zerfahren, seinen Namen verflucht vou einem Ende der Union zum
andern. Das waren Betrachtungen, die mehr als hinreichend waren, gewöhnlichen
Seelen das Herz zu brechen und feige Gemüther an einen Tod durch die eigene
Hand denken zu lassen. Aber seine Seele war keine gewöhnliche, und die Ent¬
schlossenheit, die ihn stets ausgezeichnet, verließ ihn auch in seiner dunkelsten
Stunde nicht.

Während ihrer Reise durch Alabama schliefen sie, vorsichtig alle Ortschaften
vermeidend, stets in den Wäldern. Nach einem hastig bereiteten Frühstück stieg
man wieder zu Pferde und ritt in düsterm Schweigen weiter. Die Sonne ging
auf und ging nieder, ohne daß ein Wort mehr, als unbedingt nöthig, gesprochen
wurde. Burr war ein trefflicher Reiter und saß in seinem groben Gewände so
stolz und fest im Sattel, als befände er sich an der Spitze seines Neuyorkcr Re¬
giments. Er war ein abgehärteter, jedem Wetter trotzbictender Wanderer, und
obwol von Regengüssen durchnäßt und von kalten Winden durchschauert, den
Tag über vierzig Meile" reitend und des Nachts auf nassem Boden, in nichts
als eine einfache Wollendecke gehüllt, schlafend, äußerte er nie ein Wort
der Klage.

Einige Meilen vom Fort Wilkinson schlief die Gesellschaft zum ersten Male
unter einem andern Dache, als dem der Waldbäume. Es war eine kleine Schenke,


der Achtung begegnen werde, welche dem einstigen Viceprästdenten der Vereinigten
Staaten zukomme.

Ungefähr drei Wochen später sandte Gaues den Gefangenen nach Richmond
in Virginien. Der Oberbefehl über seine Escorte wurde Perkins übertragen,
der die Leute ausgesucht und nur solche gewählt hatte, auf die er sich unter allen
Umständen verlassen konnte. Er hatte sie vor dem Aufbrechen bei Seite ge¬
nommen und sie einen feierlichen Eid leisten lassen, aus der ganzen Reise sich in
kein Gespräch mit dem Gefangenen einzulassen, noch ihn lebendig entkommen zu
lassen. Perkins kannte den Zauber, dessen Burr mächtig war, wenn er zu Worte
kommen konnte. Er fürchtete den Einfluß, den er sich verschaffen konnte, sobald
er mit seinen Wächtern in irgend ein anderes als ein absolut feindseliges Ver¬
hältniß trat — ja er fürchtete sich selbst vor diesem Einfluß.

Die Escorte war gut beritten und bewaffnet. Jeder Reiter führte Lebens¬
mittel für sich und einige für den Gefangenen mit sich. Am 28. Februar machten
sie sich zu ihrer langen und gefahrvollen Reise ans den Weg. Wohin war es
jetzt mit Burr und seinen glänzenden Plänen gediehen! Zu Anfang des Jahres
auf der geradsten Bahn zu Macht und Ruhm, befand er sich jetzt in der uner¬
meßlichen Wildniß von Alabama, abgeschnitten von allen Freunden und Genossen,
umgeben von einer Wache, mit der er nicht einmal sprechen durfte; war jetzt ein
Gefangener der Vereinigten Staaten, für deren Freiheit er dereinst gefochten;
sah sein Vermögen zerronnen, seinen Glücksstern untergegangen, seinen gro߬
artigen Plan zerfahren, seinen Namen verflucht vou einem Ende der Union zum
andern. Das waren Betrachtungen, die mehr als hinreichend waren, gewöhnlichen
Seelen das Herz zu brechen und feige Gemüther an einen Tod durch die eigene
Hand denken zu lassen. Aber seine Seele war keine gewöhnliche, und die Ent¬
schlossenheit, die ihn stets ausgezeichnet, verließ ihn auch in seiner dunkelsten
Stunde nicht.

Während ihrer Reise durch Alabama schliefen sie, vorsichtig alle Ortschaften
vermeidend, stets in den Wäldern. Nach einem hastig bereiteten Frühstück stieg
man wieder zu Pferde und ritt in düsterm Schweigen weiter. Die Sonne ging
auf und ging nieder, ohne daß ein Wort mehr, als unbedingt nöthig, gesprochen
wurde. Burr war ein trefflicher Reiter und saß in seinem groben Gewände so
stolz und fest im Sattel, als befände er sich an der Spitze seines Neuyorkcr Re¬
giments. Er war ein abgehärteter, jedem Wetter trotzbictender Wanderer, und
obwol von Regengüssen durchnäßt und von kalten Winden durchschauert, den
Tag über vierzig Meile» reitend und des Nachts auf nassem Boden, in nichts
als eine einfache Wollendecke gehüllt, schlafend, äußerte er nie ein Wort
der Klage.

Einige Meilen vom Fort Wilkinson schlief die Gesellschaft zum ersten Male
unter einem andern Dache, als dem der Waldbäume. Es war eine kleine Schenke,


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[0383] der Achtung begegnen werde, welche dem einstigen Viceprästdenten der Vereinigten Staaten zukomme. Ungefähr drei Wochen später sandte Gaues den Gefangenen nach Richmond in Virginien. Der Oberbefehl über seine Escorte wurde Perkins übertragen, der die Leute ausgesucht und nur solche gewählt hatte, auf die er sich unter allen Umständen verlassen konnte. Er hatte sie vor dem Aufbrechen bei Seite ge¬ nommen und sie einen feierlichen Eid leisten lassen, aus der ganzen Reise sich in kein Gespräch mit dem Gefangenen einzulassen, noch ihn lebendig entkommen zu lassen. Perkins kannte den Zauber, dessen Burr mächtig war, wenn er zu Worte kommen konnte. Er fürchtete den Einfluß, den er sich verschaffen konnte, sobald er mit seinen Wächtern in irgend ein anderes als ein absolut feindseliges Ver¬ hältniß trat — ja er fürchtete sich selbst vor diesem Einfluß. Die Escorte war gut beritten und bewaffnet. Jeder Reiter führte Lebens¬ mittel für sich und einige für den Gefangenen mit sich. Am 28. Februar machten sie sich zu ihrer langen und gefahrvollen Reise ans den Weg. Wohin war es jetzt mit Burr und seinen glänzenden Plänen gediehen! Zu Anfang des Jahres auf der geradsten Bahn zu Macht und Ruhm, befand er sich jetzt in der uner¬ meßlichen Wildniß von Alabama, abgeschnitten von allen Freunden und Genossen, umgeben von einer Wache, mit der er nicht einmal sprechen durfte; war jetzt ein Gefangener der Vereinigten Staaten, für deren Freiheit er dereinst gefochten; sah sein Vermögen zerronnen, seinen Glücksstern untergegangen, seinen gro߬ artigen Plan zerfahren, seinen Namen verflucht vou einem Ende der Union zum andern. Das waren Betrachtungen, die mehr als hinreichend waren, gewöhnlichen Seelen das Herz zu brechen und feige Gemüther an einen Tod durch die eigene Hand denken zu lassen. Aber seine Seele war keine gewöhnliche, und die Ent¬ schlossenheit, die ihn stets ausgezeichnet, verließ ihn auch in seiner dunkelsten Stunde nicht. Während ihrer Reise durch Alabama schliefen sie, vorsichtig alle Ortschaften vermeidend, stets in den Wäldern. Nach einem hastig bereiteten Frühstück stieg man wieder zu Pferde und ritt in düsterm Schweigen weiter. Die Sonne ging auf und ging nieder, ohne daß ein Wort mehr, als unbedingt nöthig, gesprochen wurde. Burr war ein trefflicher Reiter und saß in seinem groben Gewände so stolz und fest im Sattel, als befände er sich an der Spitze seines Neuyorkcr Re¬ giments. Er war ein abgehärteter, jedem Wetter trotzbictender Wanderer, und obwol von Regengüssen durchnäßt und von kalten Winden durchschauert, den Tag über vierzig Meile» reitend und des Nachts auf nassem Boden, in nichts als eine einfache Wollendecke gehüllt, schlafend, äußerte er nie ein Wort der Klage. Einige Meilen vom Fort Wilkinson schlief die Gesellschaft zum ersten Male unter einem andern Dache, als dem der Waldbäume. Es war eine kleine Schenke,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/383>, abgerufen am 22.07.2024.