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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Privathäuser bestehen aus einem Gebälk, dessen Zwischenräume durch schwache
Wände von Kalk oder Thon ausgefüllt find. Ein solches Haus, das sieben bis
acht Zimmer enthält, ist auf dem Lande für 100 bis 200 Franken feil. Diese
Häuser werden erstaunlich rasch gebant. Zu Adrianopel brannten im Jahre -1837
2000 Hütten nieder und zwei Monate darauf waren sie wiederhergestellt; zu
Bitoglia wurden eine gleiche Anzahl Hänser, welche 1836 abbrannten, im Laufe
des folgenden Jahres vollständig wieder aufgebaut. ' Nächst den Tempeln siud
die bedeutendsten Bauwerke der slawischen Städte die Brunnen. Die Brun-
nenmeister, Se-eratzi, bilden eine besondere Körperschaft, die fast ausschließlich
ans Albanesen des nordwestlich von Janina gelegenen Bezirks Drinopolis besteht,
und treiben ihr Gewerbe, das vom Vater auf den Sohn forterbt, im ganzen
Reiche. Sie leiten mit wenig Kosten das Wasser ans den größten Entfernungen
her, ersetzen den schwebenden Aquäduct durch unterirdische Leitungen und banen,
um dem Wasser seine in den Thälern verloren gegangene SteignngSkraft wieder
zu geben, hydraulische Pyramiden, Pathin, die man auf der ganzen Halbinsel
antrifft.

Infolge der osmanischen Sorglosigkeit befinden sich die Flüsse des Landes
in bedauerlichen Zustande: Sandbänke, Dämme von Baumstämmen, welche der
Sturm zusammengehäuft hat, sperren sie überall, und doch würde es nicht schwer
sein, die meisten dieser Wasserstraßen für leichte Dampfboote fahrbar zu machen
und so das innere Festland mit dem Meere in Verbindung zu setzen. Gegen¬
wärtig tragen die Flüsse der Halbinsel nicht einmal gewöhnliche Boote, höchstens
Flöße zeigen sich auf denselben und die Kalks, Kähne, welche ans einem einzigen
ausgehöhlten Baumstamm bestehen und drei bis vier Personen fassen. Nicht besser
sind die Landstraßen im Stande. Hier und da trifft man einzelne Strecken ge¬
pflasterter Wege, welche nach einer oder zwei Stunden sich unter Rasen und
Gestrüpp verlieren, und nur aus einen Reiter eingerichtet sind. Fahrstraßen sind
gar nicht mehr vorhanden.

Unter diesen Umständen ist ein Großhandel nicht möglich. Jede Provinz
muß fast allein die Erzeugnisse ihres Bodens aufzehren, und die Lebensmittel stehen
daher unglaublich niedrig im Preise. Das Pfund Fleisch kostet 8 bis -12 Centimes,
das Pfund Wein -I Sou, ein Hammel 2 Franken, eine Kuh 20 -- 30 Franken, ein
Ochse 30, ein gutes serbisches oder bulgarisches Pferd 80 bis -1^0 Franken. Der
Centner Getreide kostet in Bulgarien 2--3, in Serbien ö, in der Herzegowina
7 Franken. In Stambul hält der Staat, um stets billige Brotpreise zu erzielen,
Getreideböden, von denen die Bäcker ausschließlich ihren Bedarf nehmen müssen,
Und die Landleute Thraciens sind gezwungen, in diese Anstalten ihr Getreide nach
einer Taxe zu liefern, die oft nicht einmal den Marktpreis erreicht. Die Pro¬
vinzen haben ebenfalls öffentliche Magazine, in welche der Landmann seinen
Zehnten oder die dem Staat zu entrichtenden Naturalabgaben einliefert. Dabei


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Privathäuser bestehen aus einem Gebälk, dessen Zwischenräume durch schwache
Wände von Kalk oder Thon ausgefüllt find. Ein solches Haus, das sieben bis
acht Zimmer enthält, ist auf dem Lande für 100 bis 200 Franken feil. Diese
Häuser werden erstaunlich rasch gebant. Zu Adrianopel brannten im Jahre -1837
2000 Hütten nieder und zwei Monate darauf waren sie wiederhergestellt; zu
Bitoglia wurden eine gleiche Anzahl Hänser, welche 1836 abbrannten, im Laufe
des folgenden Jahres vollständig wieder aufgebaut. ' Nächst den Tempeln siud
die bedeutendsten Bauwerke der slawischen Städte die Brunnen. Die Brun-
nenmeister, Se-eratzi, bilden eine besondere Körperschaft, die fast ausschließlich
ans Albanesen des nordwestlich von Janina gelegenen Bezirks Drinopolis besteht,
und treiben ihr Gewerbe, das vom Vater auf den Sohn forterbt, im ganzen
Reiche. Sie leiten mit wenig Kosten das Wasser ans den größten Entfernungen
her, ersetzen den schwebenden Aquäduct durch unterirdische Leitungen und banen,
um dem Wasser seine in den Thälern verloren gegangene SteignngSkraft wieder
zu geben, hydraulische Pyramiden, Pathin, die man auf der ganzen Halbinsel
antrifft.

Infolge der osmanischen Sorglosigkeit befinden sich die Flüsse des Landes
in bedauerlichen Zustande: Sandbänke, Dämme von Baumstämmen, welche der
Sturm zusammengehäuft hat, sperren sie überall, und doch würde es nicht schwer
sein, die meisten dieser Wasserstraßen für leichte Dampfboote fahrbar zu machen
und so das innere Festland mit dem Meere in Verbindung zu setzen. Gegen¬
wärtig tragen die Flüsse der Halbinsel nicht einmal gewöhnliche Boote, höchstens
Flöße zeigen sich auf denselben und die Kalks, Kähne, welche ans einem einzigen
ausgehöhlten Baumstamm bestehen und drei bis vier Personen fassen. Nicht besser
sind die Landstraßen im Stande. Hier und da trifft man einzelne Strecken ge¬
pflasterter Wege, welche nach einer oder zwei Stunden sich unter Rasen und
Gestrüpp verlieren, und nur aus einen Reiter eingerichtet sind. Fahrstraßen sind
gar nicht mehr vorhanden.

Unter diesen Umständen ist ein Großhandel nicht möglich. Jede Provinz
muß fast allein die Erzeugnisse ihres Bodens aufzehren, und die Lebensmittel stehen
daher unglaublich niedrig im Preise. Das Pfund Fleisch kostet 8 bis -12 Centimes,
das Pfund Wein -I Sou, ein Hammel 2 Franken, eine Kuh 20 — 30 Franken, ein
Ochse 30, ein gutes serbisches oder bulgarisches Pferd 80 bis -1^0 Franken. Der
Centner Getreide kostet in Bulgarien 2—3, in Serbien ö, in der Herzegowina
7 Franken. In Stambul hält der Staat, um stets billige Brotpreise zu erzielen,
Getreideböden, von denen die Bäcker ausschließlich ihren Bedarf nehmen müssen,
Und die Landleute Thraciens sind gezwungen, in diese Anstalten ihr Getreide nach
einer Taxe zu liefern, die oft nicht einmal den Marktpreis erreicht. Die Pro¬
vinzen haben ebenfalls öffentliche Magazine, in welche der Landmann seinen
Zehnten oder die dem Staat zu entrichtenden Naturalabgaben einliefert. Dabei


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[0315] Privathäuser bestehen aus einem Gebälk, dessen Zwischenräume durch schwache Wände von Kalk oder Thon ausgefüllt find. Ein solches Haus, das sieben bis acht Zimmer enthält, ist auf dem Lande für 100 bis 200 Franken feil. Diese Häuser werden erstaunlich rasch gebant. Zu Adrianopel brannten im Jahre -1837 2000 Hütten nieder und zwei Monate darauf waren sie wiederhergestellt; zu Bitoglia wurden eine gleiche Anzahl Hänser, welche 1836 abbrannten, im Laufe des folgenden Jahres vollständig wieder aufgebaut. ' Nächst den Tempeln siud die bedeutendsten Bauwerke der slawischen Städte die Brunnen. Die Brun- nenmeister, Se-eratzi, bilden eine besondere Körperschaft, die fast ausschließlich ans Albanesen des nordwestlich von Janina gelegenen Bezirks Drinopolis besteht, und treiben ihr Gewerbe, das vom Vater auf den Sohn forterbt, im ganzen Reiche. Sie leiten mit wenig Kosten das Wasser ans den größten Entfernungen her, ersetzen den schwebenden Aquäduct durch unterirdische Leitungen und banen, um dem Wasser seine in den Thälern verloren gegangene SteignngSkraft wieder zu geben, hydraulische Pyramiden, Pathin, die man auf der ganzen Halbinsel antrifft. Infolge der osmanischen Sorglosigkeit befinden sich die Flüsse des Landes in bedauerlichen Zustande: Sandbänke, Dämme von Baumstämmen, welche der Sturm zusammengehäuft hat, sperren sie überall, und doch würde es nicht schwer sein, die meisten dieser Wasserstraßen für leichte Dampfboote fahrbar zu machen und so das innere Festland mit dem Meere in Verbindung zu setzen. Gegen¬ wärtig tragen die Flüsse der Halbinsel nicht einmal gewöhnliche Boote, höchstens Flöße zeigen sich auf denselben und die Kalks, Kähne, welche ans einem einzigen ausgehöhlten Baumstamm bestehen und drei bis vier Personen fassen. Nicht besser sind die Landstraßen im Stande. Hier und da trifft man einzelne Strecken ge¬ pflasterter Wege, welche nach einer oder zwei Stunden sich unter Rasen und Gestrüpp verlieren, und nur aus einen Reiter eingerichtet sind. Fahrstraßen sind gar nicht mehr vorhanden. Unter diesen Umständen ist ein Großhandel nicht möglich. Jede Provinz muß fast allein die Erzeugnisse ihres Bodens aufzehren, und die Lebensmittel stehen daher unglaublich niedrig im Preise. Das Pfund Fleisch kostet 8 bis -12 Centimes, das Pfund Wein -I Sou, ein Hammel 2 Franken, eine Kuh 20 — 30 Franken, ein Ochse 30, ein gutes serbisches oder bulgarisches Pferd 80 bis -1^0 Franken. Der Centner Getreide kostet in Bulgarien 2—3, in Serbien ö, in der Herzegowina 7 Franken. In Stambul hält der Staat, um stets billige Brotpreise zu erzielen, Getreideböden, von denen die Bäcker ausschließlich ihren Bedarf nehmen müssen, Und die Landleute Thraciens sind gezwungen, in diese Anstalten ihr Getreide nach einer Taxe zu liefern, die oft nicht einmal den Marktpreis erreicht. Die Pro¬ vinzen haben ebenfalls öffentliche Magazine, in welche der Landmann seinen Zehnten oder die dem Staat zu entrichtenden Naturalabgaben einliefert. Dabei 39*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/315>, abgerufen am 22.07.2024.