Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.Schweiz Dinge gesagt, die man ihm dort wahrscheinlich als Ketzerei auslegen Dichtung und Dichter, eine Anthologie von Ferdinand Freiligrath. Dessau, Gebrüder Katz. Der Herausgeber bemerkt in der Vorrede, daß diese Gedichtsammlung nicht Schweiz Dinge gesagt, die man ihm dort wahrscheinlich als Ketzerei auslegen Dichtung und Dichter, eine Anthologie von Ferdinand Freiligrath. Dessau, Gebrüder Katz. Der Herausgeber bemerkt in der Vorrede, daß diese Gedichtsammlung nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0260" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97506"/> <p xml:id="ID_661" prev="#ID_660"> Schweiz Dinge gesagt, die man ihm dort wahrscheinlich als Ketzerei auslegen<lb/> wird. Sind wir denn in der That so überreich an jenem Verein von starker<lb/> patriotischer Gesinnung und wissenschaftlicher Integrität, daß wir ungestraft unsere<lb/> besten Männer dem Auslande überlassen können? —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Dichtung und Dichter,<lb/> eine Anthologie von Ferdinand Freiligrath. Dessau, Gebrüder Katz.</head><lb/> <p xml:id="ID_662" next="#ID_663"> Der Herausgeber bemerkt in der Vorrede, daß diese Gedichtsammlung nicht<lb/> zu den gewöhnlichen Blnmenlcsen gezählt werden dürfe, weil sie nicht darauf<lb/> ausgeht, den allgemeinen Schatz der deutschen Dichtung zusammenzufassen. sondern<lb/> sich auf 'einen bestimmten Gegenstand beschränkt. Wir können das mir anerkennen.<lb/> Namentlich fallt das Bedenken weg, das man gewöhnlich gegen solche Sammlungen<lb/> erheben muß, nämlich die Rechtsfrage. Von den bekannteren Dichtern ist im ganzen<lb/> sehr wenig aufgenommen, namentlich vou Schiller und Goethe nnr die weniger<lb/> bekannten Sachen, von Heine fast gar nichts. Die übrigen Dichter können<lb/> meistens nnr damit zufrieden sein, daß einzelnes von ihnen mehr unter das<lb/> Publicum gebracht wird. — Die Aufgabe des Herausgebers zerfällt in zweierlei.<lb/> In dem einen Theile stellt er die Ansichten zusammen, welche die deutschen Dichter<lb/> über das Wesen der Poesie aufgestellt haben; im zweiten gibt er die versificirten<lb/> Recensionen über die einzelnen deutschen Dichter. Es ist dies also ein ganz<lb/> homogener Stoff und der bedeutende Umfang der Sammlung (748 starke Seiten)<lb/> zeigt augenscheinlich, daß unsere Dichter sich sehr angelegentlich mit diesem Gegen¬<lb/> stand beschäftigt haben, namentlich, da sich noch eine sehr reiche Nachlese halte»<lb/> ließe. So siud z. B. Schillers „Künstler" und viele der dahin einschlagenden<lb/> Gedichte von den Brüdern Schlegel nicht aufgenommen. — Was die Zweck¬<lb/> mäßigkeit der,Sammlung betrifft, so läßt sich manches dafür und dawider sagen.<lb/> Es ist gewiß recht interessant, einmal im Zusammenhang durchblättern zu können,<lb/> was für Gedanken unsere Dichter sich über ihre Kunst und ihr^Handwerk gemacht<lb/> haben (denn auch das Handwerk ist durch poetische Beschreibung der Versmaße<lb/> u. tgi. reichlich vertreten). Aber eine erfreuliche'Lectüre ist es nicht, denn unter<lb/> allen möglichen Gegenständen, welche die Poesie wählen kann, ist wol die Poesie<lb/> selbst der ungeeignetste. Als Zeichen dieser Wahrheit führen wir den Herausgeber<lb/> selbst, den Dichter Freiligrath, an. Er hat sein eigenes Gedicht, der „Reiter"<lb/> (S. -U—-ki) aufgenommen, in welchem er sich über das Wesen des Dichters<lb/> ausspricht. Wenn er im Anfang die Physiognomie des Dichters schildert: „Bleich,<lb/> mit langem Bart, schwindsüchtig, von der Welt verkannt, mit geöffneten Adern<lb/> u. s. w., so dürfte das doch wol nicht eine wesentliche Beschaffenheit des Dichters</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0260]
Schweiz Dinge gesagt, die man ihm dort wahrscheinlich als Ketzerei auslegen
wird. Sind wir denn in der That so überreich an jenem Verein von starker
patriotischer Gesinnung und wissenschaftlicher Integrität, daß wir ungestraft unsere
besten Männer dem Auslande überlassen können? —
Dichtung und Dichter,
eine Anthologie von Ferdinand Freiligrath. Dessau, Gebrüder Katz.
Der Herausgeber bemerkt in der Vorrede, daß diese Gedichtsammlung nicht
zu den gewöhnlichen Blnmenlcsen gezählt werden dürfe, weil sie nicht darauf
ausgeht, den allgemeinen Schatz der deutschen Dichtung zusammenzufassen. sondern
sich auf 'einen bestimmten Gegenstand beschränkt. Wir können das mir anerkennen.
Namentlich fallt das Bedenken weg, das man gewöhnlich gegen solche Sammlungen
erheben muß, nämlich die Rechtsfrage. Von den bekannteren Dichtern ist im ganzen
sehr wenig aufgenommen, namentlich vou Schiller und Goethe nnr die weniger
bekannten Sachen, von Heine fast gar nichts. Die übrigen Dichter können
meistens nnr damit zufrieden sein, daß einzelnes von ihnen mehr unter das
Publicum gebracht wird. — Die Aufgabe des Herausgebers zerfällt in zweierlei.
In dem einen Theile stellt er die Ansichten zusammen, welche die deutschen Dichter
über das Wesen der Poesie aufgestellt haben; im zweiten gibt er die versificirten
Recensionen über die einzelnen deutschen Dichter. Es ist dies also ein ganz
homogener Stoff und der bedeutende Umfang der Sammlung (748 starke Seiten)
zeigt augenscheinlich, daß unsere Dichter sich sehr angelegentlich mit diesem Gegen¬
stand beschäftigt haben, namentlich, da sich noch eine sehr reiche Nachlese halte»
ließe. So siud z. B. Schillers „Künstler" und viele der dahin einschlagenden
Gedichte von den Brüdern Schlegel nicht aufgenommen. — Was die Zweck¬
mäßigkeit der,Sammlung betrifft, so läßt sich manches dafür und dawider sagen.
Es ist gewiß recht interessant, einmal im Zusammenhang durchblättern zu können,
was für Gedanken unsere Dichter sich über ihre Kunst und ihr^Handwerk gemacht
haben (denn auch das Handwerk ist durch poetische Beschreibung der Versmaße
u. tgi. reichlich vertreten). Aber eine erfreuliche'Lectüre ist es nicht, denn unter
allen möglichen Gegenständen, welche die Poesie wählen kann, ist wol die Poesie
selbst der ungeeignetste. Als Zeichen dieser Wahrheit führen wir den Herausgeber
selbst, den Dichter Freiligrath, an. Er hat sein eigenes Gedicht, der „Reiter"
(S. -U—-ki) aufgenommen, in welchem er sich über das Wesen des Dichters
ausspricht. Wenn er im Anfang die Physiognomie des Dichters schildert: „Bleich,
mit langem Bart, schwindsüchtig, von der Welt verkannt, mit geöffneten Adern
u. s. w., so dürfte das doch wol nicht eine wesentliche Beschaffenheit des Dichters
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