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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Schlaglichter zu werfen. Seine Bilder, wenn auch an die Gegenwart erinnernd,
sind doch vollständig dem Gegenstand adäquat. Man wird sich davon am besten
durch ein Fragment, durch die Schilderung des celtischen Volksstammes über¬
zeugen. -- "Zu deu vorzugsweise begabten unter den überhaupt culturfähigen
Völkern gehören die Kelten nicht. Ihre Tapferkeit wird gepriesen, und mit
Grund; aber es war die Tapferkeit des Fechtmeisters und des Raufbolds, nicht
die des Bürgers. Das bunte gestickte Kampfgewand, die glänzende Rüstung
waren keine Nebensachen bei ihrem Kampfspiel; sie gefielen sich auch in Friedens¬
zeiten im Zweikampf, und die Wunden, die man darin oder im Kriege erhalten
hatte, waren nicht so sehr ehrenvoll, als Ehrenzeichen, mit denen renommirt ward
-- gelegentlich denn auch so, daß man die Wunde nach dem Kampfe erweiterte,
um mit einem größeren Orden aufzuziehen. Die Kelten verschmähten es, mit
Wurfwaffen zu fechte" und kannten wenigstens in älterer Zeit nur den Kampf
mit der Stoßlanze und vor allem deu mit Schwert "ut Dolch; ja sie gefielen
sich darin nur in leichtem Gewande oder gar nackt, kaum geschützt von dem hohen,
schmalen Schilde, ihren breiten, mehr fleischigen als sehnigen Körper den Waffen
der Feinde darzubieten. , Es waren sogenannte Helden in dem Sinne, wo das
Heidenthum ein gutes Stück Bärenhäuterei und Flegelhaftigkeit in sich schließt:
Helden,, die lange vor dem Mittelalter im Waffenschmuck turuirteu und im Duell
a<Z erouiren argumentirten. Tüchtige Gegner ans der Wahlstatt, immer voraus¬
geht, daß sie leidlich nüchtern und die Sonne nicht allzuheiß war, unterlagen
sie dennoch anch militärisch, wo immer ihnen ein 'wohlgeführtes römisches Heer
gegenüber stand, der nothwendigen Uebermacht der Wurfwaffen und des geglie¬
derten Organismus über die Kraft, die allein auf den harten Stahl und den
derben Arm vertraute. Ihre Schwäche aber lag vor allem in ihrer politischen
Untüchtigkeit. Die sittliche Energie, welche die Welt beherrscht, weil sie sich sel¬
ber zu beherrschen weiß, welche den Einzelnen aushebt in dem größeren Ganzen
und den engen Egoismus zum Nationalst"" läutert; diese eigentliche Herrlichkeit
und Gewaltigkeit der Menschennatur, auf der der Staat ruht, ist dem keltischen
Wesen verhältnißmäßig fremd. Daraus erklärt es sich, warum- sie in der Ge¬
schichte eine vergleichungsweise unbedeutendere Rolle gespielt haben, als irgend
eine andere indogermanische Nation von gleicher Ausdehnung. Sie haben wol
Tempel zerschlagen und Städte verbrannt: Rom und Delphi, Byzanz und Per-
gamon haben vor ihnen gezittert; aber von jenem thörichten Gallier an, der
das eroberte Rom aus lauter lieber lauger Weile wieder fahren ließ, bis hinab
auf Paddy, der seine" Kartoffelacker so flach wie möglich umwühlt und über die
Jmprvvements der Sachsen den Zorn der heiligen Jungfrau herabruft, haben sie
sich unfähig erwiesen, ein Regiment bürgerlicher Ehrbarkeit, Sicherheit und Wahr-^
haftigkeit zu begründen und im besten Falle es nicht weitergebracht als zur Grün¬
dung eines Soldatenstaats; die militärische Ordnung ist die einzige, die sie keimen


Schlaglichter zu werfen. Seine Bilder, wenn auch an die Gegenwart erinnernd,
sind doch vollständig dem Gegenstand adäquat. Man wird sich davon am besten
durch ein Fragment, durch die Schilderung des celtischen Volksstammes über¬
zeugen. — „Zu deu vorzugsweise begabten unter den überhaupt culturfähigen
Völkern gehören die Kelten nicht. Ihre Tapferkeit wird gepriesen, und mit
Grund; aber es war die Tapferkeit des Fechtmeisters und des Raufbolds, nicht
die des Bürgers. Das bunte gestickte Kampfgewand, die glänzende Rüstung
waren keine Nebensachen bei ihrem Kampfspiel; sie gefielen sich auch in Friedens¬
zeiten im Zweikampf, und die Wunden, die man darin oder im Kriege erhalten
hatte, waren nicht so sehr ehrenvoll, als Ehrenzeichen, mit denen renommirt ward
— gelegentlich denn auch so, daß man die Wunde nach dem Kampfe erweiterte,
um mit einem größeren Orden aufzuziehen. Die Kelten verschmähten es, mit
Wurfwaffen zu fechte» und kannten wenigstens in älterer Zeit nur den Kampf
mit der Stoßlanze und vor allem deu mit Schwert »ut Dolch; ja sie gefielen
sich darin nur in leichtem Gewande oder gar nackt, kaum geschützt von dem hohen,
schmalen Schilde, ihren breiten, mehr fleischigen als sehnigen Körper den Waffen
der Feinde darzubieten. , Es waren sogenannte Helden in dem Sinne, wo das
Heidenthum ein gutes Stück Bärenhäuterei und Flegelhaftigkeit in sich schließt:
Helden,, die lange vor dem Mittelalter im Waffenschmuck turuirteu und im Duell
a<Z erouiren argumentirten. Tüchtige Gegner ans der Wahlstatt, immer voraus¬
geht, daß sie leidlich nüchtern und die Sonne nicht allzuheiß war, unterlagen
sie dennoch anch militärisch, wo immer ihnen ein 'wohlgeführtes römisches Heer
gegenüber stand, der nothwendigen Uebermacht der Wurfwaffen und des geglie¬
derten Organismus über die Kraft, die allein auf den harten Stahl und den
derben Arm vertraute. Ihre Schwäche aber lag vor allem in ihrer politischen
Untüchtigkeit. Die sittliche Energie, welche die Welt beherrscht, weil sie sich sel¬
ber zu beherrschen weiß, welche den Einzelnen aushebt in dem größeren Ganzen
und den engen Egoismus zum Nationalst»» läutert; diese eigentliche Herrlichkeit
und Gewaltigkeit der Menschennatur, auf der der Staat ruht, ist dem keltischen
Wesen verhältnißmäßig fremd. Daraus erklärt es sich, warum- sie in der Ge¬
schichte eine vergleichungsweise unbedeutendere Rolle gespielt haben, als irgend
eine andere indogermanische Nation von gleicher Ausdehnung. Sie haben wol
Tempel zerschlagen und Städte verbrannt: Rom und Delphi, Byzanz und Per-
gamon haben vor ihnen gezittert; aber von jenem thörichten Gallier an, der
das eroberte Rom aus lauter lieber lauger Weile wieder fahren ließ, bis hinab
auf Paddy, der seine» Kartoffelacker so flach wie möglich umwühlt und über die
Jmprvvements der Sachsen den Zorn der heiligen Jungfrau herabruft, haben sie
sich unfähig erwiesen, ein Regiment bürgerlicher Ehrbarkeit, Sicherheit und Wahr-^
haftigkeit zu begründen und im besten Falle es nicht weitergebracht als zur Grün¬
dung eines Soldatenstaats; die militärische Ordnung ist die einzige, die sie keimen


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[0258] Schlaglichter zu werfen. Seine Bilder, wenn auch an die Gegenwart erinnernd, sind doch vollständig dem Gegenstand adäquat. Man wird sich davon am besten durch ein Fragment, durch die Schilderung des celtischen Volksstammes über¬ zeugen. — „Zu deu vorzugsweise begabten unter den überhaupt culturfähigen Völkern gehören die Kelten nicht. Ihre Tapferkeit wird gepriesen, und mit Grund; aber es war die Tapferkeit des Fechtmeisters und des Raufbolds, nicht die des Bürgers. Das bunte gestickte Kampfgewand, die glänzende Rüstung waren keine Nebensachen bei ihrem Kampfspiel; sie gefielen sich auch in Friedens¬ zeiten im Zweikampf, und die Wunden, die man darin oder im Kriege erhalten hatte, waren nicht so sehr ehrenvoll, als Ehrenzeichen, mit denen renommirt ward — gelegentlich denn auch so, daß man die Wunde nach dem Kampfe erweiterte, um mit einem größeren Orden aufzuziehen. Die Kelten verschmähten es, mit Wurfwaffen zu fechte» und kannten wenigstens in älterer Zeit nur den Kampf mit der Stoßlanze und vor allem deu mit Schwert »ut Dolch; ja sie gefielen sich darin nur in leichtem Gewande oder gar nackt, kaum geschützt von dem hohen, schmalen Schilde, ihren breiten, mehr fleischigen als sehnigen Körper den Waffen der Feinde darzubieten. , Es waren sogenannte Helden in dem Sinne, wo das Heidenthum ein gutes Stück Bärenhäuterei und Flegelhaftigkeit in sich schließt: Helden,, die lange vor dem Mittelalter im Waffenschmuck turuirteu und im Duell a<Z erouiren argumentirten. Tüchtige Gegner ans der Wahlstatt, immer voraus¬ geht, daß sie leidlich nüchtern und die Sonne nicht allzuheiß war, unterlagen sie dennoch anch militärisch, wo immer ihnen ein 'wohlgeführtes römisches Heer gegenüber stand, der nothwendigen Uebermacht der Wurfwaffen und des geglie¬ derten Organismus über die Kraft, die allein auf den harten Stahl und den derben Arm vertraute. Ihre Schwäche aber lag vor allem in ihrer politischen Untüchtigkeit. Die sittliche Energie, welche die Welt beherrscht, weil sie sich sel¬ ber zu beherrschen weiß, welche den Einzelnen aushebt in dem größeren Ganzen und den engen Egoismus zum Nationalst»» läutert; diese eigentliche Herrlichkeit und Gewaltigkeit der Menschennatur, auf der der Staat ruht, ist dem keltischen Wesen verhältnißmäßig fremd. Daraus erklärt es sich, warum- sie in der Ge¬ schichte eine vergleichungsweise unbedeutendere Rolle gespielt haben, als irgend eine andere indogermanische Nation von gleicher Ausdehnung. Sie haben wol Tempel zerschlagen und Städte verbrannt: Rom und Delphi, Byzanz und Per- gamon haben vor ihnen gezittert; aber von jenem thörichten Gallier an, der das eroberte Rom aus lauter lieber lauger Weile wieder fahren ließ, bis hinab auf Paddy, der seine» Kartoffelacker so flach wie möglich umwühlt und über die Jmprvvements der Sachsen den Zorn der heiligen Jungfrau herabruft, haben sie sich unfähig erwiesen, ein Regiment bürgerlicher Ehrbarkeit, Sicherheit und Wahr-^ haftigkeit zu begründen und im besten Falle es nicht weitergebracht als zur Grün¬ dung eines Soldatenstaats; die militärische Ordnung ist die einzige, die sie keimen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/258>, abgerufen am 22.07.2024.