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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Haber wußte Gründe anzuführen, warum ihm diese Stelle gebühre. Die
X. X. Regierung war aber am schlausten gewesen, sie hatte den Befehl über
ihr Regiment einem uralten Obersten, dessen Patent noch, glaube ich, aus
dem vorigen. Jahrhundert datirt, gegeben. Was sollte man macheu -- man
hat richtig diesem Greis den Oberbefehl über die ganze Brigade anvertrauen
müssen. Kaum kann derselbe sich noch ans dem 'Pferde halten und alle in den
letzten 30 Jahren geschehenen Verbesserungen, im Kriegswesen sind für ihn
böhmische Dörfer und revolutionäre Neuerungen. Dabei ist dieser Alte von einem
furchtbaren Eigensinn besessen, dünkt sich unmäßig weise und weiset unbedingt
alle Rathschläge, die man ihm geben will, mit den Worten zurück: "Als ich
noch die Ehre hatte, anno 1806 das Bergschloß M. zu befehligen, ward es
so und so gemacht. Wir werden uns in weitläufige Korrespondenz mit aller
Welt, zuletzt gar Mit der X. X. Regierung setzen müssen, damit diese die Güte
habe, den alten Herrn abzuberufen. Ob sie diese Bitte , denn Befehle dürfen
wir ihr ja nicht ertheilen, gewähren wird, ist nach allen bisher gemachten Er¬
fahrungen sehr zweifelhaft.

Von diesen endlosen Schreibereien mit den 17 verschiedenen
Regierungen, von denen wir Truppen in unserem Corps haben, kann man sich
gar keinen Begriff machen. Noch 6 neue Offiziere haben deshalb in unser
Hauptquartier commandirt werden müssen, da wir die Geschäfte nicht bewältigen,
und die Zahl der schreibenden Unteroffiziere ist Legion. Ich glaube, wir haben
in den wenigen Tagen eine solche Menge von Acten und Registern zusammen¬
gebracht, daß mau gut einige ispäunige Tramwagen damit wird beladen müssen.

Bei einer Vergleichung der verschiedenen Gewehrkalibers der Jnfanterie-
contingente unseres Corps ergab sich, daß dieselben 7, die Jäger aber 3 ver¬
schiedene Kaliber haben. An eine gegenseitige Aushilfe mit Munition, wie sie in
einzelnen Fällen höchst wünschenswert!), ja nothwendig sein kann, wird daher
gar nicht zu denken sein. Es ist dies ein großer Uebelstand, der noch dadurch
erhöht wird, daß auch die Artillerie der verschiedenen Contingente unseres Corps
theilweise ein sehr voneinander abweichendes Kaliber hat.

Zu deu zahllosen Schwierigkeiten, welche unserem Corps
aus seiner bunten Znsammensetzung erwachsen, gehören auch die verschiedenen
Signale, welche die einzelnen Contingente haben. So hatte unser Prinz die
Z,scheu Husaren und die M.scheu Dragoner zusammen in eine leichte Cavaleriebrigade
vereinigt und es schien auch, als wenn beide Regimenter ziemlich gut zu¬
einander passen würde". Die Signale aber, welche diese Regimenter haben, sind
so verschieden, daß sogleich Confnsivnen entstanden und man den Brigadeverband
zuletzt deshalb auflösen und die Husaren wieder von den Dragonern trennen
mußte. Das Signal zum Füttern z. B. ist bei den Husaren fast dasselbe, wie das
zum Allarmiren bei den Dragonern, so daß wiederholt falscher Allarm entstanden ist,


Haber wußte Gründe anzuführen, warum ihm diese Stelle gebühre. Die
X. X. Regierung war aber am schlausten gewesen, sie hatte den Befehl über
ihr Regiment einem uralten Obersten, dessen Patent noch, glaube ich, aus
dem vorigen. Jahrhundert datirt, gegeben. Was sollte man macheu — man
hat richtig diesem Greis den Oberbefehl über die ganze Brigade anvertrauen
müssen. Kaum kann derselbe sich noch ans dem 'Pferde halten und alle in den
letzten 30 Jahren geschehenen Verbesserungen, im Kriegswesen sind für ihn
böhmische Dörfer und revolutionäre Neuerungen. Dabei ist dieser Alte von einem
furchtbaren Eigensinn besessen, dünkt sich unmäßig weise und weiset unbedingt
alle Rathschläge, die man ihm geben will, mit den Worten zurück: „Als ich
noch die Ehre hatte, anno 1806 das Bergschloß M. zu befehligen, ward es
so und so gemacht. Wir werden uns in weitläufige Korrespondenz mit aller
Welt, zuletzt gar Mit der X. X. Regierung setzen müssen, damit diese die Güte
habe, den alten Herrn abzuberufen. Ob sie diese Bitte , denn Befehle dürfen
wir ihr ja nicht ertheilen, gewähren wird, ist nach allen bisher gemachten Er¬
fahrungen sehr zweifelhaft.

Von diesen endlosen Schreibereien mit den 17 verschiedenen
Regierungen, von denen wir Truppen in unserem Corps haben, kann man sich
gar keinen Begriff machen. Noch 6 neue Offiziere haben deshalb in unser
Hauptquartier commandirt werden müssen, da wir die Geschäfte nicht bewältigen,
und die Zahl der schreibenden Unteroffiziere ist Legion. Ich glaube, wir haben
in den wenigen Tagen eine solche Menge von Acten und Registern zusammen¬
gebracht, daß mau gut einige ispäunige Tramwagen damit wird beladen müssen.

Bei einer Vergleichung der verschiedenen Gewehrkalibers der Jnfanterie-
contingente unseres Corps ergab sich, daß dieselben 7, die Jäger aber 3 ver¬
schiedene Kaliber haben. An eine gegenseitige Aushilfe mit Munition, wie sie in
einzelnen Fällen höchst wünschenswert!), ja nothwendig sein kann, wird daher
gar nicht zu denken sein. Es ist dies ein großer Uebelstand, der noch dadurch
erhöht wird, daß auch die Artillerie der verschiedenen Contingente unseres Corps
theilweise ein sehr voneinander abweichendes Kaliber hat.

Zu deu zahllosen Schwierigkeiten, welche unserem Corps
aus seiner bunten Znsammensetzung erwachsen, gehören auch die verschiedenen
Signale, welche die einzelnen Contingente haben. So hatte unser Prinz die
Z,scheu Husaren und die M.scheu Dragoner zusammen in eine leichte Cavaleriebrigade
vereinigt und es schien auch, als wenn beide Regimenter ziemlich gut zu¬
einander passen würde». Die Signale aber, welche diese Regimenter haben, sind
so verschieden, daß sogleich Confnsivnen entstanden und man den Brigadeverband
zuletzt deshalb auflösen und die Husaren wieder von den Dragonern trennen
mußte. Das Signal zum Füttern z. B. ist bei den Husaren fast dasselbe, wie das
zum Allarmiren bei den Dragonern, so daß wiederholt falscher Allarm entstanden ist,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/218>, abgerufen am 22.07.2024.