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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Jahreszeit fahrbar sein mag. Im Sept. 18L1 fror der Jnvestigator in der
Gnadenbncht (7i° 6' n. B.) auf der Bachiginsel ein, wo er jetzt noch liegt.
Der Sommer von 18S2 war ausnehmend kurz und machte gar keinen Eindruck
auf das Eis, der Winter 1852 --L3 ungewöhnlich streng (bis 6S° unter dem
Gefrierpunkt). M'Clure wollte das Schiff eben verlassen, als Lieutenant Pia
vom Resolute, abgeschickt von Capitän Kellet, der die von der früher erwähnten
Landexpedition im Winterhafen niedergelegte Depesche entdeckt hatte, zum Ent¬
satz kam, und die Mannschaft des Jnvestigator nach der Ostküste der Melvilleinsel
brachte, wo Kellet seine Winterquartiere hatte.

Sir E. Belcher drang im Welliugtonkaual nach Norden vor und entdeckte
hier unter 77° 1!^ n. B. die Exmouthinsel, und östlich davon die Tafelinsel,
ferner unter 77° 33' 30" n. B. und ungefähr 97° w. L. das Nord Cromwell-
Land, von dessen Ostspitze man eine Fernsicht an 30 englische Meilen auf offenes
Meer genoß. Im folgenden Sommer stellte er die Verbindung des Jonessund
mit dem Meere hinter dem Wellingtonkanal fest, und sah daselbst von einer Höhe
von 1ö00 Fuß ein offenes, mit großen schwimmenden Eismassen gefülltes Meer,
soweit das Auge reichen konnte -- das große Polarbasstu.

Das Vorhandensein dieses großen Polarbassius, auf welches ein Theil der
Theoretiker ihre vornehmste Hoffnung einer endlichen Errettung Sir John Frank¬
lins gründen, ist also abermals festgestellt, wie schon früher von Parry und Jngle-
ficld im Hintergrund von Smith Sonnt: aber alle praktischen Seeleute stimmen
jetzt darin überein, daß dieses Meer ganz unfahrbar ist, und Sir John Franklin
daher unmöglich weit in dasselbe vorgedrungen sein kann. Parry sah unter
82" is' n. B. offenes Meer, das er mit dem Schiffe nicht erreichen konnte, aber
ebensowenig mit Schlitten oder zu Fuße; Jnglesield sah unter 78° kein Land,
sondern nur ungeheure Eisblöcke, die der hohe Seegang mit Wuth gegen sein
Schiff schleuderte. Sir E. Belcher schreibt in seiner letzten Depesche aus dem
Wellingtonkanal: "Wenn unsere unglücklichen Landsleute ihre Schisse an Eis¬
schollen festgemacht haben, und mit diesen fortgetrieben sind, so ist ihre Sache
hoffnungslos. Wenn wir die Schollen ansahen, wie sie sich in mehr als iO Fuß
dicken Schichten übereinandergethürmt hatten, oder wo sie zusammengestoßen
waren, konnten wir uns der niederschlagendsten Gedanken nicht enthalten. In
der Melvillebucht hatten wir nichts Aehnliches gesehen. Die einzige Möglichkeit
ist noch, durch genane Durchforschung der Küste in westlicher, südwestlicher und
östlicher Richtung eine Spur vou den Schiffen oder der Mannschaft zu entdecken.
Westlich von det Melvilleinsel hat M'Clure eine Küstenstrecke von 800 Meilen
untersucht, ohne die geringste Spur zu finden, und er spricht die feste Ueber¬
zeugung aus, daß Franklin nie bis dahin vorgedrungen ist. Der Wellingtonkanal
und die dahinter liegenden gefährlichen Meeresregionen scheinen wirklich die ein¬
zige Gegend zu sein, wo sich die Vermißten hingewendet haben können, obgleich


Jahreszeit fahrbar sein mag. Im Sept. 18L1 fror der Jnvestigator in der
Gnadenbncht (7i° 6' n. B.) auf der Bachiginsel ein, wo er jetzt noch liegt.
Der Sommer von 18S2 war ausnehmend kurz und machte gar keinen Eindruck
auf das Eis, der Winter 1852 —L3 ungewöhnlich streng (bis 6S° unter dem
Gefrierpunkt). M'Clure wollte das Schiff eben verlassen, als Lieutenant Pia
vom Resolute, abgeschickt von Capitän Kellet, der die von der früher erwähnten
Landexpedition im Winterhafen niedergelegte Depesche entdeckt hatte, zum Ent¬
satz kam, und die Mannschaft des Jnvestigator nach der Ostküste der Melvilleinsel
brachte, wo Kellet seine Winterquartiere hatte.

Sir E. Belcher drang im Welliugtonkaual nach Norden vor und entdeckte
hier unter 77° 1!^ n. B. die Exmouthinsel, und östlich davon die Tafelinsel,
ferner unter 77° 33' 30" n. B. und ungefähr 97° w. L. das Nord Cromwell-
Land, von dessen Ostspitze man eine Fernsicht an 30 englische Meilen auf offenes
Meer genoß. Im folgenden Sommer stellte er die Verbindung des Jonessund
mit dem Meere hinter dem Wellingtonkanal fest, und sah daselbst von einer Höhe
von 1ö00 Fuß ein offenes, mit großen schwimmenden Eismassen gefülltes Meer,
soweit das Auge reichen konnte — das große Polarbasstu.

Das Vorhandensein dieses großen Polarbassius, auf welches ein Theil der
Theoretiker ihre vornehmste Hoffnung einer endlichen Errettung Sir John Frank¬
lins gründen, ist also abermals festgestellt, wie schon früher von Parry und Jngle-
ficld im Hintergrund von Smith Sonnt: aber alle praktischen Seeleute stimmen
jetzt darin überein, daß dieses Meer ganz unfahrbar ist, und Sir John Franklin
daher unmöglich weit in dasselbe vorgedrungen sein kann. Parry sah unter
82» is' n. B. offenes Meer, das er mit dem Schiffe nicht erreichen konnte, aber
ebensowenig mit Schlitten oder zu Fuße; Jnglesield sah unter 78° kein Land,
sondern nur ungeheure Eisblöcke, die der hohe Seegang mit Wuth gegen sein
Schiff schleuderte. Sir E. Belcher schreibt in seiner letzten Depesche aus dem
Wellingtonkanal: „Wenn unsere unglücklichen Landsleute ihre Schisse an Eis¬
schollen festgemacht haben, und mit diesen fortgetrieben sind, so ist ihre Sache
hoffnungslos. Wenn wir die Schollen ansahen, wie sie sich in mehr als iO Fuß
dicken Schichten übereinandergethürmt hatten, oder wo sie zusammengestoßen
waren, konnten wir uns der niederschlagendsten Gedanken nicht enthalten. In
der Melvillebucht hatten wir nichts Aehnliches gesehen. Die einzige Möglichkeit
ist noch, durch genane Durchforschung der Küste in westlicher, südwestlicher und
östlicher Richtung eine Spur vou den Schiffen oder der Mannschaft zu entdecken.
Westlich von det Melvilleinsel hat M'Clure eine Küstenstrecke von 800 Meilen
untersucht, ohne die geringste Spur zu finden, und er spricht die feste Ueber¬
zeugung aus, daß Franklin nie bis dahin vorgedrungen ist. Der Wellingtonkanal
und die dahinter liegenden gefährlichen Meeresregionen scheinen wirklich die ein¬
zige Gegend zu sein, wo sich die Vermißten hingewendet haben können, obgleich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/178>, abgerufen am 22.07.2024.