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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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erreichte. Von da sollte er in südwestlicher Richtung so gerade als möglich nach
der Beringsstraße fahren. Im Juli desselben Jahres schrieb er von den Wallfisch-
inseln in der Baffinsbai zwei Briefe an Mr. Corry und an Oberst Sabine, und
dies ist die letzte directe Nachricht, die von ihm nach Europa gelangt ist. Wir
wissen nur noch soviel, daß die Expedition den Winter von 1845--i6 in einer
kleinen Bucht zwischen Cap Ulley und der Beechey-Jnsel, Lancastersnnd gegenüber,
zubrachte. Capitän Ommaney entdeckte hier drei Gräber mit deu Namen W. Brai-
nes, einem Marinesoldaten und John Hartuells von dem Erebus, und John Tor-
ringtonS vom Terror. Auch fand er hier Ueberbleibsel des Observatoriums, der
Zimmermannswcrkstatt und der Schmiede, am Abhang des Hügels Holz- und
Eisenstücken, Fetzen von BeZleiduugsstoffeuganze Hansen von leeren Blech¬
gehäusen, in denen sich präservirte Speisen befunden hatten -- ein Beweis, daß
sie ihre Vorräthe schon sehr in Anspruch hatten nehmen müssen. Später entdeckte
man noch weitere Spuren nördlich von Port Junis im Wellingtonkanal, die aber
auch von einer Reisegesellschaft herrühren konnten, die wieder nach dem Hauptlager
zurückgekehrt war. Die Spuren bestanden ans Fetzen von Bekleidnngsstossen,
Blechgehänsen und zerrissenem Papier. Auf einem dieser Zettel las mau den
Namen M'Donalds, des Arztes der Reisegesellschaft. Hiermit hören alle Spuren
auf, denn die Erzählung des Eskimos Adam Backe von der Ermordung einer Ge¬
sellschaft weißer Seefahrer durch die Eingeborenen ist aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Erfindung, und die räthselhafte Erscheinung der zwei verlassenen Schisse,
welche die Brig Renovation am 20. April -1831 nicht weit von Neufundland aus
einem Eisberg sah, und die durch noch unbekannte Kanäle aus dem Wellingtonkanal
nach der Baffiusbucht, und von dort südlich geschwommen sein konnten, ist unauf¬
geklärt geblieben.

Bereits 1847 fing die Admiralität an, um das Schicksal der vermißten
Reisenden besorgt zu werden. Von der durch die größten Autoritäten unter den
Nordpolarfahrern für wahrscheinlich gehaltenen Voraussetzung ausgehend, daß
Franklins Schiffe in einer Bucht des fast unbekannten Theils der Nordpolar¬
regionen, der zwischen dem 90. und 120" w. L. und 70. und 75" n. B. liegt,
im Eise stecken geblieben seien, und weiter schließend, daß er entweder von dem
Eise inS offene Meer getragen worden sei, oder die Schiffe verlassen und mit
seinen 137 Gefährten in Booten das Festland zu erreichen versucht haben müßte,
beschloß die Admiralität für die Aufsuchung der Vermißten eine Reihe von Ex¬
peditionen auszurüsten, die für alle verschiedenen Möglichkeiten Vorsorge trafen.
CoMmodore Moore mit dem Plover und Capitän Kellet mit dem Herald wurden
abgeschickt, um den Ausgang der Beringsstraße zu beobachten, und Sir John
Franklin mit Lebensmitteln zu versehen, im Fall er ins dahin vordringen sollte.
Eine Bootexpedilion vom Plover unter Lieutenant Pulten machte sich nach dem
Makenzie auf den Weg, während Sir John Richardson und Mr. Rae, von


erreichte. Von da sollte er in südwestlicher Richtung so gerade als möglich nach
der Beringsstraße fahren. Im Juli desselben Jahres schrieb er von den Wallfisch-
inseln in der Baffinsbai zwei Briefe an Mr. Corry und an Oberst Sabine, und
dies ist die letzte directe Nachricht, die von ihm nach Europa gelangt ist. Wir
wissen nur noch soviel, daß die Expedition den Winter von 1845—i6 in einer
kleinen Bucht zwischen Cap Ulley und der Beechey-Jnsel, Lancastersnnd gegenüber,
zubrachte. Capitän Ommaney entdeckte hier drei Gräber mit deu Namen W. Brai-
nes, einem Marinesoldaten und John Hartuells von dem Erebus, und John Tor-
ringtonS vom Terror. Auch fand er hier Ueberbleibsel des Observatoriums, der
Zimmermannswcrkstatt und der Schmiede, am Abhang des Hügels Holz- und
Eisenstücken, Fetzen von BeZleiduugsstoffeuganze Hansen von leeren Blech¬
gehäusen, in denen sich präservirte Speisen befunden hatten — ein Beweis, daß
sie ihre Vorräthe schon sehr in Anspruch hatten nehmen müssen. Später entdeckte
man noch weitere Spuren nördlich von Port Junis im Wellingtonkanal, die aber
auch von einer Reisegesellschaft herrühren konnten, die wieder nach dem Hauptlager
zurückgekehrt war. Die Spuren bestanden ans Fetzen von Bekleidnngsstossen,
Blechgehänsen und zerrissenem Papier. Auf einem dieser Zettel las mau den
Namen M'Donalds, des Arztes der Reisegesellschaft. Hiermit hören alle Spuren
auf, denn die Erzählung des Eskimos Adam Backe von der Ermordung einer Ge¬
sellschaft weißer Seefahrer durch die Eingeborenen ist aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Erfindung, und die räthselhafte Erscheinung der zwei verlassenen Schisse,
welche die Brig Renovation am 20. April -1831 nicht weit von Neufundland aus
einem Eisberg sah, und die durch noch unbekannte Kanäle aus dem Wellingtonkanal
nach der Baffiusbucht, und von dort südlich geschwommen sein konnten, ist unauf¬
geklärt geblieben.

Bereits 1847 fing die Admiralität an, um das Schicksal der vermißten
Reisenden besorgt zu werden. Von der durch die größten Autoritäten unter den
Nordpolarfahrern für wahrscheinlich gehaltenen Voraussetzung ausgehend, daß
Franklins Schiffe in einer Bucht des fast unbekannten Theils der Nordpolar¬
regionen, der zwischen dem 90. und 120" w. L. und 70. und 75« n. B. liegt,
im Eise stecken geblieben seien, und weiter schließend, daß er entweder von dem
Eise inS offene Meer getragen worden sei, oder die Schiffe verlassen und mit
seinen 137 Gefährten in Booten das Festland zu erreichen versucht haben müßte,
beschloß die Admiralität für die Aufsuchung der Vermißten eine Reihe von Ex¬
peditionen auszurüsten, die für alle verschiedenen Möglichkeiten Vorsorge trafen.
CoMmodore Moore mit dem Plover und Capitän Kellet mit dem Herald wurden
abgeschickt, um den Ausgang der Beringsstraße zu beobachten, und Sir John
Franklin mit Lebensmitteln zu versehen, im Fall er ins dahin vordringen sollte.
Eine Bootexpedilion vom Plover unter Lieutenant Pulten machte sich nach dem
Makenzie auf den Weg, während Sir John Richardson und Mr. Rae, von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/174>, abgerufen am 22.07.2024.