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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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durch die Bellotstraße getrennt, hielt Roß für ein noch nncntdecktes Land, das er
nach dem Rheder, der die Victory auf eigene Kosten ausgerüstet hatte, Boothia
nannte. Nicht ohne große Anstrengungen und Gefahren erreichte das Schiff den
Felixhafen, von welchem Punkte aus Capital, Roß und sein Neffe mehre sehr wich¬
tige Expeditionen machten. Zu den bedeutendsten Resultate" derselben gehören die
Bestimmung des magnetischen Nordpols dnrch den gegenwärtigen Sir James Roß
und die Aufnahme der Westküste von Boothia. An der nordwestlichen Küste dieses
Landes entdeckte Commandeur James Roß eine Durchfahrt und jenseits derselben eine
Insel. Von dieser Insel kam er über einen andern Meeresarm abermals auf
Land, das sich seitdem ebenfalls als eine Insel herausgestellt hat, und jetzt König
Wilhelmsland heißt. Dies war der äußerste westliche Puukt, deu die Expedition
erreichte. Roß mußte die Victory im Felixhafen verlassen, und über Furybeach
bie Barrowstraße aufsuchen. Diese war jedoch nicht schiffbar, und die Nordpolar¬
fahrer mußten uach Furybeach zurückkehren, wo sie einen vierten Winter, den
von 1831, im Eise zubrachten. Erst am As. Juni 1832 gelang es ihnen, in
Booten Navyboard Inlet zu erreichen, nud hier wurden sie bald durch die freudige
Nachricht in Bewegung gesetzt, daß ein Schiff in Sicht sei. Durch ein merk¬
würdiges Zusammentreffen war es die Jsabella von Hull, dasselbe Schiff, iii wel¬
chem Capitän John Roß 1818 seine erste Reise nach den arktischen Regionen gemacht
hatte. Er und seine Gefährten genossen ein seltenes Glück: sie hörten die Ein-
zelnheiten ihres eigenen Todes und dann die Trauer, die ihr Verlust verursacht,
erzählen.

Von den in zweiter Reihe aufgeführten Expeditionen gehören die beiden
Landreisen des Sir John Franklin in Begleitung von Sir John Richardson And
Sir Georg Back zu dem größten, was menschliche Ausdauer, Geduld und helden-
müthige Standhaftigkeit leisten können. Man kann sich kein granseuhafteres Bild
denken, als diese Fußreisenden, die halbblind, zum Tode müde und fast verhun¬
gert dnrch die Eiswüste wandern, wo außer ihnen selbst kein lebendes Wesen sicht¬
bar ist, wo ihre schönste Hoffnung ein rascher Tod ist, und wo ihnen nach tage¬
langem Umherirren ohne Nahrung eine seltene Handvoll einer eßbaren Flechte
"Felsenkaldauueu " das Leben fristet. Und als ob die Schrecken der Natur noch
nicht genügten, ihnen den Tod zu bringen, gebiert die Hungergier den Meuchel¬
mord, aber deu verrätherischen Irokesen, der seinem niedersinkenden Begleiter
vollends den Tod gegeben hat, trifft dann selbst die rächende Kugel. Die leiden¬
schweren Reisen waren reich an Resultaten, und den Anstrengungen dieser helden-
müthige" Männer verdanken wir die sast vollständige Aufnahme der Küste von
Nordamerika bis zur nördlichen Spitze der Mclvillehalbinscl.

Acht volle Jahre sind verflossen, seitdem Sir John Franklin von Sheerneß
(am 26. Mai 18is) unter Segel ging. Er hatte Auftrag, auf deu 74-n.
Breite vorzudringen, bis er die Länge von Cap Walker (ungefähr 98" w. L.)


durch die Bellotstraße getrennt, hielt Roß für ein noch nncntdecktes Land, das er
nach dem Rheder, der die Victory auf eigene Kosten ausgerüstet hatte, Boothia
nannte. Nicht ohne große Anstrengungen und Gefahren erreichte das Schiff den
Felixhafen, von welchem Punkte aus Capital, Roß und sein Neffe mehre sehr wich¬
tige Expeditionen machten. Zu den bedeutendsten Resultate» derselben gehören die
Bestimmung des magnetischen Nordpols dnrch den gegenwärtigen Sir James Roß
und die Aufnahme der Westküste von Boothia. An der nordwestlichen Küste dieses
Landes entdeckte Commandeur James Roß eine Durchfahrt und jenseits derselben eine
Insel. Von dieser Insel kam er über einen andern Meeresarm abermals auf
Land, das sich seitdem ebenfalls als eine Insel herausgestellt hat, und jetzt König
Wilhelmsland heißt. Dies war der äußerste westliche Puukt, deu die Expedition
erreichte. Roß mußte die Victory im Felixhafen verlassen, und über Furybeach
bie Barrowstraße aufsuchen. Diese war jedoch nicht schiffbar, und die Nordpolar¬
fahrer mußten uach Furybeach zurückkehren, wo sie einen vierten Winter, den
von 1831, im Eise zubrachten. Erst am As. Juni 1832 gelang es ihnen, in
Booten Navyboard Inlet zu erreichen, nud hier wurden sie bald durch die freudige
Nachricht in Bewegung gesetzt, daß ein Schiff in Sicht sei. Durch ein merk¬
würdiges Zusammentreffen war es die Jsabella von Hull, dasselbe Schiff, iii wel¬
chem Capitän John Roß 1818 seine erste Reise nach den arktischen Regionen gemacht
hatte. Er und seine Gefährten genossen ein seltenes Glück: sie hörten die Ein-
zelnheiten ihres eigenen Todes und dann die Trauer, die ihr Verlust verursacht,
erzählen.

Von den in zweiter Reihe aufgeführten Expeditionen gehören die beiden
Landreisen des Sir John Franklin in Begleitung von Sir John Richardson And
Sir Georg Back zu dem größten, was menschliche Ausdauer, Geduld und helden-
müthige Standhaftigkeit leisten können. Man kann sich kein granseuhafteres Bild
denken, als diese Fußreisenden, die halbblind, zum Tode müde und fast verhun¬
gert dnrch die Eiswüste wandern, wo außer ihnen selbst kein lebendes Wesen sicht¬
bar ist, wo ihre schönste Hoffnung ein rascher Tod ist, und wo ihnen nach tage¬
langem Umherirren ohne Nahrung eine seltene Handvoll einer eßbaren Flechte
„Felsenkaldauueu " das Leben fristet. Und als ob die Schrecken der Natur noch
nicht genügten, ihnen den Tod zu bringen, gebiert die Hungergier den Meuchel¬
mord, aber deu verrätherischen Irokesen, der seinem niedersinkenden Begleiter
vollends den Tod gegeben hat, trifft dann selbst die rächende Kugel. Die leiden¬
schweren Reisen waren reich an Resultaten, und den Anstrengungen dieser helden-
müthige» Männer verdanken wir die sast vollständige Aufnahme der Küste von
Nordamerika bis zur nördlichen Spitze der Mclvillehalbinscl.

Acht volle Jahre sind verflossen, seitdem Sir John Franklin von Sheerneß
(am 26. Mai 18is) unter Segel ging. Er hatte Auftrag, auf deu 74-n.
Breite vorzudringen, bis er die Länge von Cap Walker (ungefähr 98" w. L.)


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/173>, abgerufen am 22.07.2024.