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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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malerischen und poetischen Effect abgesehen ist, die Wirklichkeit und Unmittelbar¬
keit der Eindrücke so treu als möglich wiedergeben möge.

Beim Ueberblick einer irländischen Landschaft ans der Ferne, entdeckt das
Auge, nachdem es sich mit der äußeren Gestaltung der Gegend beschäftigt hat,
kleine, erdfarbene Erhöhungen ans dem Boden, die es, wie gesagt, zuerst für
zufällige Haufen von Steinen, Erde oder Schutt halten will, da sich eine Regel¬
mäßigkeit der Form selten erkennen läßt. Nähert man sich einem solchen
unförmlichen Hausen, so führt etwa ein nahestehendes krüppelhaftes Gesträuch,
eine Hecke, eine aufsteigende Rauchsäule und ein sich außerhalb bewegender Ge¬
genstand auf die Vermuthung, daß man.es mit einer menschlichen Wohnung zu
thun habe. Sehr ost freilich mangeln alle diese näheren Erkennungszeichen und
man findet nur verlassene Trümmer dessen, was einst Menschen als Obdach diente.
Wir gehen bei solchen Höhlen vorüber, und betrachten eine bewohnte Hütte
von außen und innen. Sie ist vollständig von der Farbe des Bodens und
zeigt nur in seltenen Fällen die Ueberreste von ehemaligem Kalkanstriche. Sie
ist oft aus Torfstückeu, meistens aus lose aufeinandergelegten Steinen, an die
kein Hammer und Meißel gerührt, und deren Zwischenräume mit genäßter Erde
ausgefüllt sind, zusammengebaut. Von dem Fußboden bis zum Dach beträgt
ihre Höhe selten mehr als fünf Fuß und mit demselben vielleicht zehn bis zwölf.
Das Dach besteht aus Stroh, Ginster oder Heidekraut, vermittelst übergelegter
Schienen und Weidenruthen an die Sparren oder schrägen Holzstangen im In¬
nern festgebunden. Die Länge und Breite des Gebäudes schwankt zwischen 16
bei etwa 10, und 30 bei etwa 20 Fuß. Es hat gewöhnlich zwei Eingänge, von
denen stets der eine mit Stroh, Ginster, Dünger oder einer Mischung von allem dem
verstopft ist, der Eingang nämlich, welcher der augenblicklichen Windrichtung zu¬
gekehrt liegt. Eine Thür ist selten, gewöhnlich vertritt diese ein aus Stroh oder
Ginster verfertigtes dickes Geflecht, ähnlich dem, welches die Kohlenbrenner zu
gleichem Zwecke verfertigen. Es hat diese Vorrichtung den Vortheil, daß sie
zugleich als Windschirm an die eine oder andere Seite des Eingangs außerhalb
gestellt werden kann. Wo überhaupt Fenster vorkommen, bestehen sie zumeist
aus einem Stück, können nicht geöffnet werden und sind so sehr mit undurch¬
sichtigen Stoffen beschmutzt und verstopft, daß sie kaum noch ein Recht auf ihren
Namen haben. Gewöhnlich sind die Fensterluken, etwa 2 Quadratfuß groß, mit
Stroh locker ausgefüllt, oder mit einem getrockneten Schaffelle überspannt, oder
ganz offen, auch wieder je nach dem Winde. Meistens ist statt des Schornsteines
ein Loch im Dache gelassen, seltener steht darüber ein halbumgesunkenes altes
Faß, dessen Bestandtheile nur durch einen oder zwei Reifen zusammenhalten; höchst
selten nur sieht mau einen roh gemauerten Kamin. Diese Vorrichtungen sind immer
an einem der Giebelenden der Hütte. Vou einem Wege zum Hause und einem
freien Raume vor demselben ist kaum eine Spur vorhanden. Die Insassen und


malerischen und poetischen Effect abgesehen ist, die Wirklichkeit und Unmittelbar¬
keit der Eindrücke so treu als möglich wiedergeben möge.

Beim Ueberblick einer irländischen Landschaft ans der Ferne, entdeckt das
Auge, nachdem es sich mit der äußeren Gestaltung der Gegend beschäftigt hat,
kleine, erdfarbene Erhöhungen ans dem Boden, die es, wie gesagt, zuerst für
zufällige Haufen von Steinen, Erde oder Schutt halten will, da sich eine Regel¬
mäßigkeit der Form selten erkennen läßt. Nähert man sich einem solchen
unförmlichen Hausen, so führt etwa ein nahestehendes krüppelhaftes Gesträuch,
eine Hecke, eine aufsteigende Rauchsäule und ein sich außerhalb bewegender Ge¬
genstand auf die Vermuthung, daß man.es mit einer menschlichen Wohnung zu
thun habe. Sehr ost freilich mangeln alle diese näheren Erkennungszeichen und
man findet nur verlassene Trümmer dessen, was einst Menschen als Obdach diente.
Wir gehen bei solchen Höhlen vorüber, und betrachten eine bewohnte Hütte
von außen und innen. Sie ist vollständig von der Farbe des Bodens und
zeigt nur in seltenen Fällen die Ueberreste von ehemaligem Kalkanstriche. Sie
ist oft aus Torfstückeu, meistens aus lose aufeinandergelegten Steinen, an die
kein Hammer und Meißel gerührt, und deren Zwischenräume mit genäßter Erde
ausgefüllt sind, zusammengebaut. Von dem Fußboden bis zum Dach beträgt
ihre Höhe selten mehr als fünf Fuß und mit demselben vielleicht zehn bis zwölf.
Das Dach besteht aus Stroh, Ginster oder Heidekraut, vermittelst übergelegter
Schienen und Weidenruthen an die Sparren oder schrägen Holzstangen im In¬
nern festgebunden. Die Länge und Breite des Gebäudes schwankt zwischen 16
bei etwa 10, und 30 bei etwa 20 Fuß. Es hat gewöhnlich zwei Eingänge, von
denen stets der eine mit Stroh, Ginster, Dünger oder einer Mischung von allem dem
verstopft ist, der Eingang nämlich, welcher der augenblicklichen Windrichtung zu¬
gekehrt liegt. Eine Thür ist selten, gewöhnlich vertritt diese ein aus Stroh oder
Ginster verfertigtes dickes Geflecht, ähnlich dem, welches die Kohlenbrenner zu
gleichem Zwecke verfertigen. Es hat diese Vorrichtung den Vortheil, daß sie
zugleich als Windschirm an die eine oder andere Seite des Eingangs außerhalb
gestellt werden kann. Wo überhaupt Fenster vorkommen, bestehen sie zumeist
aus einem Stück, können nicht geöffnet werden und sind so sehr mit undurch¬
sichtigen Stoffen beschmutzt und verstopft, daß sie kaum noch ein Recht auf ihren
Namen haben. Gewöhnlich sind die Fensterluken, etwa 2 Quadratfuß groß, mit
Stroh locker ausgefüllt, oder mit einem getrockneten Schaffelle überspannt, oder
ganz offen, auch wieder je nach dem Winde. Meistens ist statt des Schornsteines
ein Loch im Dache gelassen, seltener steht darüber ein halbumgesunkenes altes
Faß, dessen Bestandtheile nur durch einen oder zwei Reifen zusammenhalten; höchst
selten nur sieht mau einen roh gemauerten Kamin. Diese Vorrichtungen sind immer
an einem der Giebelenden der Hütte. Vou einem Wege zum Hause und einem
freien Raume vor demselben ist kaum eine Spur vorhanden. Die Insassen und


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[0013] malerischen und poetischen Effect abgesehen ist, die Wirklichkeit und Unmittelbar¬ keit der Eindrücke so treu als möglich wiedergeben möge. Beim Ueberblick einer irländischen Landschaft ans der Ferne, entdeckt das Auge, nachdem es sich mit der äußeren Gestaltung der Gegend beschäftigt hat, kleine, erdfarbene Erhöhungen ans dem Boden, die es, wie gesagt, zuerst für zufällige Haufen von Steinen, Erde oder Schutt halten will, da sich eine Regel¬ mäßigkeit der Form selten erkennen läßt. Nähert man sich einem solchen unförmlichen Hausen, so führt etwa ein nahestehendes krüppelhaftes Gesträuch, eine Hecke, eine aufsteigende Rauchsäule und ein sich außerhalb bewegender Ge¬ genstand auf die Vermuthung, daß man.es mit einer menschlichen Wohnung zu thun habe. Sehr ost freilich mangeln alle diese näheren Erkennungszeichen und man findet nur verlassene Trümmer dessen, was einst Menschen als Obdach diente. Wir gehen bei solchen Höhlen vorüber, und betrachten eine bewohnte Hütte von außen und innen. Sie ist vollständig von der Farbe des Bodens und zeigt nur in seltenen Fällen die Ueberreste von ehemaligem Kalkanstriche. Sie ist oft aus Torfstückeu, meistens aus lose aufeinandergelegten Steinen, an die kein Hammer und Meißel gerührt, und deren Zwischenräume mit genäßter Erde ausgefüllt sind, zusammengebaut. Von dem Fußboden bis zum Dach beträgt ihre Höhe selten mehr als fünf Fuß und mit demselben vielleicht zehn bis zwölf. Das Dach besteht aus Stroh, Ginster oder Heidekraut, vermittelst übergelegter Schienen und Weidenruthen an die Sparren oder schrägen Holzstangen im In¬ nern festgebunden. Die Länge und Breite des Gebäudes schwankt zwischen 16 bei etwa 10, und 30 bei etwa 20 Fuß. Es hat gewöhnlich zwei Eingänge, von denen stets der eine mit Stroh, Ginster, Dünger oder einer Mischung von allem dem verstopft ist, der Eingang nämlich, welcher der augenblicklichen Windrichtung zu¬ gekehrt liegt. Eine Thür ist selten, gewöhnlich vertritt diese ein aus Stroh oder Ginster verfertigtes dickes Geflecht, ähnlich dem, welches die Kohlenbrenner zu gleichem Zwecke verfertigen. Es hat diese Vorrichtung den Vortheil, daß sie zugleich als Windschirm an die eine oder andere Seite des Eingangs außerhalb gestellt werden kann. Wo überhaupt Fenster vorkommen, bestehen sie zumeist aus einem Stück, können nicht geöffnet werden und sind so sehr mit undurch¬ sichtigen Stoffen beschmutzt und verstopft, daß sie kaum noch ein Recht auf ihren Namen haben. Gewöhnlich sind die Fensterluken, etwa 2 Quadratfuß groß, mit Stroh locker ausgefüllt, oder mit einem getrockneten Schaffelle überspannt, oder ganz offen, auch wieder je nach dem Winde. Meistens ist statt des Schornsteines ein Loch im Dache gelassen, seltener steht darüber ein halbumgesunkenes altes Faß, dessen Bestandtheile nur durch einen oder zwei Reifen zusammenhalten; höchst selten nur sieht mau einen roh gemauerten Kamin. Diese Vorrichtungen sind immer an einem der Giebelenden der Hütte. Vou einem Wege zum Hause und einem freien Raume vor demselben ist kaum eine Spur vorhanden. Die Insassen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/13>, abgerufen am 22.07.2024.