Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wicht; er ist ein tüchtiger Bursche und drückt mit 14 stono oder 196 Pfund.
Wenn der Vorsteher der Wage Kummer hat und abnimmt, wird das Nvrmal-
gewicht leichter, dann leidet der Käufer; wenn er von einem Schmause heimkehrt,
leidet der Verkäufer; aber beide machen sich nichts daraus. Den Tabak, Schweine¬
schwanz genannt, verkauft man selbst in den besseren Läden der Städte nach
dem Maße einer in verschiedene Längen abgeknüpften Schnur, oder indem man
ihn in einer bestimmten Anzahl Windungen um die Hand schlingt. Ueberall sieht
man Schaafherden umherlaufen, deren Individuen die größtmöglichste Verschieden¬
heit des Geschoreuseins darstellen. Einige haben nur noch einen Halskragen von
Wolle übrig und sind am ganzen Körper auf die bloßen Wurzeln ihres Aus¬
wuchses zurückgeführt; andere sind kahl bis ans die Schulterblätter oder Schenkel;
bei andern hat namentlich der Rücken eine strenge Schur erfahren, wogegen
Seiten und Bauch noch die Fülle des Zottels zeigen; endlich finden sich solche,
deren eine Seite aller Wolle baar ist und deren zweite mit überjährigen Wuchse
prangt. Man scheert nur dann ein Stück herunter, wenn man grade eines
Fadens benöthigt ist und hält das übrige an seiner ursprünglichen Stelle sicher
genug verwahrt. Unsere zeitraubenden Verrichtungen des Seihens und Abklärens
übergehend, meill man die Ziege und die Kul) unmittelbar in den Topf, in wel¬
chem bald nachher die. Milch über dem Feuer brodelt. Man hat überall in
Irland Gelegenheit, Reiter zu sehen, die das sämmtliche Pferdegeschirr aus Stroh
für den Augenblick improvisirt haben und noch dazu zu zweien aufsitzen, was man
dort "eine Doppelflinte" nennt. Bei dem nicht seltenen Umzüge aus dem Bezirk
eines Landlvrds in den eines andern sieht man gewöhnlich den ganzen Hausrath
auf ein Pony oder kleines schottisches Pferd in der Weise aufgepackt, daß nur
noch Nase und Füße des Pferdes aus dem Plunder hervorgucken und das Ganze
als eine wandelnde Rumpelkammer erscheint; da mag man nnter andern auch
das Butterfaß an einer Seite baumeln sehen, in welchem ein kleiner Jrländer
für die Reise Platz genommen hat, der durch seine freundlichen Mienen verräth,
wie sehr comfortable er sich fühlt. Das in jder setzten Zeit auch in England
fühlbare Streben, mit möglichst wenig Mitteln ein Fuhrwerk herzustellen, erreicht
in den irländischen Karren (cars) seine Vollendung und namentlich in den roM
mans oder Postkarren. Man denke sich zwei Räder, mit einem kleinen offenen
Kasten darauf für Gepäck, an dessen beiden Seiten, über die Räder herüber-
haugend, sich zwei Sitze für je zwei oder drei Personen befinden, die man, wenn
die Zahl derselben nicht voll, vermittelst Gehängen in die Hohe richten kann, so
daß sie dann oben wie ein Schrank schließen. Man sitzt seitwärts und kehrt sich
von beiden Seiten den Rücken zu. Gegen Regen und Staub.dient eine Schürze
aus Leder oder v/kwrproof, die man über sämmtliche Beine herüberspannt. Da
aber die Wege, möglichst natürlich, sich allen Unebenheiten des Bodens anbe¬
quemen, so sehen sich die Passagiere aus Rücksichten der Menschlichkeit gegen


wicht; er ist ein tüchtiger Bursche und drückt mit 14 stono oder 196 Pfund.
Wenn der Vorsteher der Wage Kummer hat und abnimmt, wird das Nvrmal-
gewicht leichter, dann leidet der Käufer; wenn er von einem Schmause heimkehrt,
leidet der Verkäufer; aber beide machen sich nichts daraus. Den Tabak, Schweine¬
schwanz genannt, verkauft man selbst in den besseren Läden der Städte nach
dem Maße einer in verschiedene Längen abgeknüpften Schnur, oder indem man
ihn in einer bestimmten Anzahl Windungen um die Hand schlingt. Ueberall sieht
man Schaafherden umherlaufen, deren Individuen die größtmöglichste Verschieden¬
heit des Geschoreuseins darstellen. Einige haben nur noch einen Halskragen von
Wolle übrig und sind am ganzen Körper auf die bloßen Wurzeln ihres Aus¬
wuchses zurückgeführt; andere sind kahl bis ans die Schulterblätter oder Schenkel;
bei andern hat namentlich der Rücken eine strenge Schur erfahren, wogegen
Seiten und Bauch noch die Fülle des Zottels zeigen; endlich finden sich solche,
deren eine Seite aller Wolle baar ist und deren zweite mit überjährigen Wuchse
prangt. Man scheert nur dann ein Stück herunter, wenn man grade eines
Fadens benöthigt ist und hält das übrige an seiner ursprünglichen Stelle sicher
genug verwahrt. Unsere zeitraubenden Verrichtungen des Seihens und Abklärens
übergehend, meill man die Ziege und die Kul) unmittelbar in den Topf, in wel¬
chem bald nachher die. Milch über dem Feuer brodelt. Man hat überall in
Irland Gelegenheit, Reiter zu sehen, die das sämmtliche Pferdegeschirr aus Stroh
für den Augenblick improvisirt haben und noch dazu zu zweien aufsitzen, was man
dort „eine Doppelflinte" nennt. Bei dem nicht seltenen Umzüge aus dem Bezirk
eines Landlvrds in den eines andern sieht man gewöhnlich den ganzen Hausrath
auf ein Pony oder kleines schottisches Pferd in der Weise aufgepackt, daß nur
noch Nase und Füße des Pferdes aus dem Plunder hervorgucken und das Ganze
als eine wandelnde Rumpelkammer erscheint; da mag man nnter andern auch
das Butterfaß an einer Seite baumeln sehen, in welchem ein kleiner Jrländer
für die Reise Platz genommen hat, der durch seine freundlichen Mienen verräth,
wie sehr comfortable er sich fühlt. Das in jder setzten Zeit auch in England
fühlbare Streben, mit möglichst wenig Mitteln ein Fuhrwerk herzustellen, erreicht
in den irländischen Karren (cars) seine Vollendung und namentlich in den roM
mans oder Postkarren. Man denke sich zwei Räder, mit einem kleinen offenen
Kasten darauf für Gepäck, an dessen beiden Seiten, über die Räder herüber-
haugend, sich zwei Sitze für je zwei oder drei Personen befinden, die man, wenn
die Zahl derselben nicht voll, vermittelst Gehängen in die Hohe richten kann, so
daß sie dann oben wie ein Schrank schließen. Man sitzt seitwärts und kehrt sich
von beiden Seiten den Rücken zu. Gegen Regen und Staub.dient eine Schürze
aus Leder oder v/kwrproof, die man über sämmtliche Beine herüberspannt. Da
aber die Wege, möglichst natürlich, sich allen Unebenheiten des Bodens anbe¬
quemen, so sehen sich die Passagiere aus Rücksichten der Menschlichkeit gegen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0120" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97366"/>
            <p xml:id="ID_310" prev="#ID_309" next="#ID_311"> wicht; er ist ein tüchtiger Bursche und drückt mit 14 stono oder 196 Pfund.<lb/>
Wenn der Vorsteher der Wage Kummer hat und abnimmt, wird das Nvrmal-<lb/>
gewicht leichter, dann leidet der Käufer; wenn er von einem Schmause heimkehrt,<lb/>
leidet der Verkäufer; aber beide machen sich nichts daraus. Den Tabak, Schweine¬<lb/>
schwanz genannt, verkauft man selbst in den besseren Läden der Städte nach<lb/>
dem Maße einer in verschiedene Längen abgeknüpften Schnur, oder indem man<lb/>
ihn in einer bestimmten Anzahl Windungen um die Hand schlingt. Ueberall sieht<lb/>
man Schaafherden umherlaufen, deren Individuen die größtmöglichste Verschieden¬<lb/>
heit des Geschoreuseins darstellen. Einige haben nur noch einen Halskragen von<lb/>
Wolle übrig und sind am ganzen Körper auf die bloßen Wurzeln ihres Aus¬<lb/>
wuchses zurückgeführt; andere sind kahl bis ans die Schulterblätter oder Schenkel;<lb/>
bei andern hat namentlich der Rücken eine strenge Schur erfahren, wogegen<lb/>
Seiten und Bauch noch die Fülle des Zottels zeigen; endlich finden sich solche,<lb/>
deren eine Seite aller Wolle baar ist und deren zweite mit überjährigen Wuchse<lb/>
prangt. Man scheert nur dann ein Stück herunter, wenn man grade eines<lb/>
Fadens benöthigt ist und hält das übrige an seiner ursprünglichen Stelle sicher<lb/>
genug verwahrt. Unsere zeitraubenden Verrichtungen des Seihens und Abklärens<lb/>
übergehend, meill man die Ziege und die Kul) unmittelbar in den Topf, in wel¬<lb/>
chem bald nachher die. Milch über dem Feuer brodelt. Man hat überall in<lb/>
Irland Gelegenheit, Reiter zu sehen, die das sämmtliche Pferdegeschirr aus Stroh<lb/>
für den Augenblick improvisirt haben und noch dazu zu zweien aufsitzen, was man<lb/>
dort &#x201E;eine Doppelflinte" nennt. Bei dem nicht seltenen Umzüge aus dem Bezirk<lb/>
eines Landlvrds in den eines andern sieht man gewöhnlich den ganzen Hausrath<lb/>
auf ein Pony oder kleines schottisches Pferd in der Weise aufgepackt, daß nur<lb/>
noch Nase und Füße des Pferdes aus dem Plunder hervorgucken und das Ganze<lb/>
als eine wandelnde Rumpelkammer erscheint; da mag man nnter andern auch<lb/>
das Butterfaß an einer Seite baumeln sehen, in welchem ein kleiner Jrländer<lb/>
für die Reise Platz genommen hat, der durch seine freundlichen Mienen verräth,<lb/>
wie sehr comfortable er sich fühlt. Das in jder setzten Zeit auch in England<lb/>
fühlbare Streben, mit möglichst wenig Mitteln ein Fuhrwerk herzustellen, erreicht<lb/>
in den irländischen Karren (cars) seine Vollendung und namentlich in den roM<lb/>
mans oder Postkarren. Man denke sich zwei Räder, mit einem kleinen offenen<lb/>
Kasten darauf für Gepäck, an dessen beiden Seiten, über die Räder herüber-<lb/>
haugend, sich zwei Sitze für je zwei oder drei Personen befinden, die man, wenn<lb/>
die Zahl derselben nicht voll, vermittelst Gehängen in die Hohe richten kann, so<lb/>
daß sie dann oben wie ein Schrank schließen. Man sitzt seitwärts und kehrt sich<lb/>
von beiden Seiten den Rücken zu. Gegen Regen und Staub.dient eine Schürze<lb/>
aus Leder oder v/kwrproof, die man über sämmtliche Beine herüberspannt. Da<lb/>
aber die Wege, möglichst natürlich, sich allen Unebenheiten des Bodens anbe¬<lb/>
quemen, so sehen sich die Passagiere aus Rücksichten der Menschlichkeit gegen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0120] wicht; er ist ein tüchtiger Bursche und drückt mit 14 stono oder 196 Pfund. Wenn der Vorsteher der Wage Kummer hat und abnimmt, wird das Nvrmal- gewicht leichter, dann leidet der Käufer; wenn er von einem Schmause heimkehrt, leidet der Verkäufer; aber beide machen sich nichts daraus. Den Tabak, Schweine¬ schwanz genannt, verkauft man selbst in den besseren Läden der Städte nach dem Maße einer in verschiedene Längen abgeknüpften Schnur, oder indem man ihn in einer bestimmten Anzahl Windungen um die Hand schlingt. Ueberall sieht man Schaafherden umherlaufen, deren Individuen die größtmöglichste Verschieden¬ heit des Geschoreuseins darstellen. Einige haben nur noch einen Halskragen von Wolle übrig und sind am ganzen Körper auf die bloßen Wurzeln ihres Aus¬ wuchses zurückgeführt; andere sind kahl bis ans die Schulterblätter oder Schenkel; bei andern hat namentlich der Rücken eine strenge Schur erfahren, wogegen Seiten und Bauch noch die Fülle des Zottels zeigen; endlich finden sich solche, deren eine Seite aller Wolle baar ist und deren zweite mit überjährigen Wuchse prangt. Man scheert nur dann ein Stück herunter, wenn man grade eines Fadens benöthigt ist und hält das übrige an seiner ursprünglichen Stelle sicher genug verwahrt. Unsere zeitraubenden Verrichtungen des Seihens und Abklärens übergehend, meill man die Ziege und die Kul) unmittelbar in den Topf, in wel¬ chem bald nachher die. Milch über dem Feuer brodelt. Man hat überall in Irland Gelegenheit, Reiter zu sehen, die das sämmtliche Pferdegeschirr aus Stroh für den Augenblick improvisirt haben und noch dazu zu zweien aufsitzen, was man dort „eine Doppelflinte" nennt. Bei dem nicht seltenen Umzüge aus dem Bezirk eines Landlvrds in den eines andern sieht man gewöhnlich den ganzen Hausrath auf ein Pony oder kleines schottisches Pferd in der Weise aufgepackt, daß nur noch Nase und Füße des Pferdes aus dem Plunder hervorgucken und das Ganze als eine wandelnde Rumpelkammer erscheint; da mag man nnter andern auch das Butterfaß an einer Seite baumeln sehen, in welchem ein kleiner Jrländer für die Reise Platz genommen hat, der durch seine freundlichen Mienen verräth, wie sehr comfortable er sich fühlt. Das in jder setzten Zeit auch in England fühlbare Streben, mit möglichst wenig Mitteln ein Fuhrwerk herzustellen, erreicht in den irländischen Karren (cars) seine Vollendung und namentlich in den roM mans oder Postkarren. Man denke sich zwei Räder, mit einem kleinen offenen Kasten darauf für Gepäck, an dessen beiden Seiten, über die Räder herüber- haugend, sich zwei Sitze für je zwei oder drei Personen befinden, die man, wenn die Zahl derselben nicht voll, vermittelst Gehängen in die Hohe richten kann, so daß sie dann oben wie ein Schrank schließen. Man sitzt seitwärts und kehrt sich von beiden Seiten den Rücken zu. Gegen Regen und Staub.dient eine Schürze aus Leder oder v/kwrproof, die man über sämmtliche Beine herüberspannt. Da aber die Wege, möglichst natürlich, sich allen Unebenheiten des Bodens anbe¬ quemen, so sehen sich die Passagiere aus Rücksichten der Menschlichkeit gegen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/120
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/120>, abgerufen am 22.07.2024.