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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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ist. Gewöhnlich sind sie aus Mangel an Knöpfen in einer so wunderlichen und
verkehrten Weise ausgehängt, daß ihr verzerrter Faltenwurf ihnen nur schwache
Aehnlichkeit mit gewöhnlichen AllerweltShosen läßt. Nicht selten entbehrt ein
ganzes Bein der Bedeckung; fast immer schauen die Knie neugierig hervor. Von
Strümpfen ist kaum die Rede, in sehr vielen Fällen ebensowenig von Schuhen.
Im Gegensatz zu diesem Costüm dient oft eine Art Decke, nach Art der römischen
Toga umgeschlagen, als einzige Bekleidung für herumziehende Strolche und man
ist in Bezug auf sie ganz besonders genöthigt, seine Begriffe über Anstand zu
erweitern, da sie stets mit den heftigen Winden des Landes zu ringen haben.
Die Kleidung der Frauen ist im allgemeinen weniger zerlumpt, jedoch nicht weniger
eigenthümlich und sonderbar als die der Männer. Die katholischen Frauen, ohne
Ausnahme, tragen keine besondere Kopfbedeckung, vielmehr hängen sie eine Art
Mantel fo über, daß er auch deren Stelle vertritt; die zur presbyterianischer
und englischen Kirche gehörenden Frauen tragen dagegen weiße Hauben und
Mützen oder Hüte. Alle Frauen der niedern Stände tragen ohne Ausnahme
keine Schuhe, nur zuweilen Strümpfe, die den ganzen Fuß bedecken und nur die
Sohle frei lassen. --

So ist das Costüm des Iren an Wochentagen und in der Zeit des gewöhn¬
lichen Verkehrs. An Sonn-, Fest- und Markttagen, welche letzteren bei der irischen
Bevölkerung eine sehr große Rolle spielen, bieten die Trachten einen ganz ver¬
schiedenen Anblick dar. Da sieht man die Männer zu Noß und zu Fuß in
möglichst ganzen und buntaussehenden Anzügen die Straße ziehen; da erblickt
man fast keine Frau und kein Mädchen, die'nicht ihren Sonnenschirm, einen
möglichst modischen Hut, einen feuerrothen oder buntscheckigen Shawl, einen
lebhaft gestreiften Rock, ihre weißen Strümpfe, ihre Schuhe und selbst Seiden¬
stiefelchen zur Schau trüge. Wenn auch die letzteren beiden Artikel ihnen mehr
eine Last als eine Bequemlichkeit find, -- denn sie nehmen dieselben oft unterwegs
ab und ziehen sie erst vor der Kirche, vor dem Markte oder dem Festhause wieder
an, sie hinken oft noch einige Tage nachher und beklagen sich, daß die Schuhe
ihre Füße wund gemacht, -- so bringen sie doch gern ihrer Toilette dieses Opfer.
Ganz in Uebereinstimmung mit der doch zu dramatischen Einfachheit der gewöhn¬
lichen Erscheinung ist die Art der Ernährung. Vor der Zeit der Krankheit der
Kartoffeln bestanden alle Mahlzeiten ans dieser Frucht in der möglichst kunstlosesten
Zubereitung,'jetzt beschränken sie sich fast ganz ans eine Art Brei aus Hafermehl,
der den lustigen aber sehr geehrten Namen sttmdout (Rührum) führt, auf eine
Art Kuchen, aus demselben Mehl gebacken oder vielmehr zusammengetrocknet und
auf Buttermilch, wenn nämlich solche zu beschaffen. Der Stirabout wird in der
Weise zubereitet, daß mau in einen Topf voll Wasser nach und nach, unter
beständigem Umrühren mit einem Stock, grobes Hafermehl wirst und die Masse
bis zu einer ziemlichen Steife einkocht. Es ist Kleister. Er wird gegessen, indem


ist. Gewöhnlich sind sie aus Mangel an Knöpfen in einer so wunderlichen und
verkehrten Weise ausgehängt, daß ihr verzerrter Faltenwurf ihnen nur schwache
Aehnlichkeit mit gewöhnlichen AllerweltShosen läßt. Nicht selten entbehrt ein
ganzes Bein der Bedeckung; fast immer schauen die Knie neugierig hervor. Von
Strümpfen ist kaum die Rede, in sehr vielen Fällen ebensowenig von Schuhen.
Im Gegensatz zu diesem Costüm dient oft eine Art Decke, nach Art der römischen
Toga umgeschlagen, als einzige Bekleidung für herumziehende Strolche und man
ist in Bezug auf sie ganz besonders genöthigt, seine Begriffe über Anstand zu
erweitern, da sie stets mit den heftigen Winden des Landes zu ringen haben.
Die Kleidung der Frauen ist im allgemeinen weniger zerlumpt, jedoch nicht weniger
eigenthümlich und sonderbar als die der Männer. Die katholischen Frauen, ohne
Ausnahme, tragen keine besondere Kopfbedeckung, vielmehr hängen sie eine Art
Mantel fo über, daß er auch deren Stelle vertritt; die zur presbyterianischer
und englischen Kirche gehörenden Frauen tragen dagegen weiße Hauben und
Mützen oder Hüte. Alle Frauen der niedern Stände tragen ohne Ausnahme
keine Schuhe, nur zuweilen Strümpfe, die den ganzen Fuß bedecken und nur die
Sohle frei lassen. —

So ist das Costüm des Iren an Wochentagen und in der Zeit des gewöhn¬
lichen Verkehrs. An Sonn-, Fest- und Markttagen, welche letzteren bei der irischen
Bevölkerung eine sehr große Rolle spielen, bieten die Trachten einen ganz ver¬
schiedenen Anblick dar. Da sieht man die Männer zu Noß und zu Fuß in
möglichst ganzen und buntaussehenden Anzügen die Straße ziehen; da erblickt
man fast keine Frau und kein Mädchen, die'nicht ihren Sonnenschirm, einen
möglichst modischen Hut, einen feuerrothen oder buntscheckigen Shawl, einen
lebhaft gestreiften Rock, ihre weißen Strümpfe, ihre Schuhe und selbst Seiden¬
stiefelchen zur Schau trüge. Wenn auch die letzteren beiden Artikel ihnen mehr
eine Last als eine Bequemlichkeit find, — denn sie nehmen dieselben oft unterwegs
ab und ziehen sie erst vor der Kirche, vor dem Markte oder dem Festhause wieder
an, sie hinken oft noch einige Tage nachher und beklagen sich, daß die Schuhe
ihre Füße wund gemacht, — so bringen sie doch gern ihrer Toilette dieses Opfer.
Ganz in Uebereinstimmung mit der doch zu dramatischen Einfachheit der gewöhn¬
lichen Erscheinung ist die Art der Ernährung. Vor der Zeit der Krankheit der
Kartoffeln bestanden alle Mahlzeiten ans dieser Frucht in der möglichst kunstlosesten
Zubereitung,'jetzt beschränken sie sich fast ganz ans eine Art Brei aus Hafermehl,
der den lustigen aber sehr geehrten Namen sttmdout (Rührum) führt, auf eine
Art Kuchen, aus demselben Mehl gebacken oder vielmehr zusammengetrocknet und
auf Buttermilch, wenn nämlich solche zu beschaffen. Der Stirabout wird in der
Weise zubereitet, daß mau in einen Topf voll Wasser nach und nach, unter
beständigem Umrühren mit einem Stock, grobes Hafermehl wirst und die Masse
bis zu einer ziemlichen Steife einkocht. Es ist Kleister. Er wird gegessen, indem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/118>, abgerufen am 22.07.2024.