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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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mächtigen. -- Jeder Uebertreter dieser Bestimmung ist nach gebührender Con-
statirung seines Verbrechens gehalten, das geraubte Gut seinem rechtmäßigen
Eigenthümer zurückzugeben; und wenn er ein Beamter der Regierung ist, wird
er abgesetzt und auf ein Jahr aus der Hauptstadt verbannt.

Art. ö. Da alle Ulemas, Veziers, Offiziere der Armee, Würdenträger und
andere Beamte des Reiches von der Negierung ausreichend bezahlt werden, so
wird jede Erpressung ihrerseits mit drei Jahren Baguo und Amtsentsetzung bestraft.

Art. 6. Gehört der Schuldige der Finanzverwaltung an, so währt die
Strafe 3 Jahre.

Durch Art. 7. find alle mit den Einnahmen und Ausgaben des Staates
beschäftigten Beamten gehalten, nicht allein monatlich ihre Rechnungen zu rectifi-
ciren, sondern auch zu Ende des Finanzjahres einen genauen Bericht über den
Zustand ihrer Kasse dem Staatsrath einzureichen.

Art. 8. Es bestehen fortan in jeder Provinz drei Arten von Behörden:
die Justiz, welche von der Körperschaft der Ulemas, die Verwaltung und Polizei,
welche von den Mnchirs ausgeübt wird, und die Steuererhebung, welche die
Mohassils vollziehen. Diese drei Behörden müssen sich gegenseitig unterstützen,
- ohne steh eine in die Angelegenheiten der andern einzumischen.

Art. 9. Wer sich weigert, die Abgaben zu bezahlen, wird mit Gefängniß
bestraft. -- Jede Widersetzlichkeit gegen die Beamten der Polizei wird mit zwei
Jahren Bagno bestraft; die Widersetzlichkeit mit bewaffneter Hand mit drei Jahren;
kommen dabei Verwundungen vor, so dauert die Strafe fünf Jahr; führen die
Verwundungen deu Tod herbei, so erfolgt Todesstrafe.

Art. 10. Schlägereien und Verwundungen nnter Privatpersonen werden
mit drei Jahren Baguo, und wenn der Tod erfolgt, mit dem Tode bestraft. --
Ebenso steht Todesstrafe aus den Mord. Diebstahl wird mit Gefängniß von
sieben Jahren geahndet."

Endlich heißt es zum Schluß (Art. 14.): "Da den Bestimmungen dieses
Strafgesetzes ohne Ausnahme alle Unterthanen der Pforte, Ottomanen und Rajas
unterliegen, so ist es Jedermanns Pflicht, über die Ausführung der¬
selben zu wachen und es steht gleichmäßig jedem frei, sein Recht zu nehmen."

Dieses Strafgesetz ist freilich nach unseren Begriffe" noch sehr dürftig und
ungenügend. Indessen enthält es doch zwei große und wichtige Principien. Das
eine ist, daß nicht eine Staatsanwaltschaft, sondern das ganze Volk berechtigt und
verpflichtet ist, über die Handhabung deö Gesetzes zu wachen; das andere ist die
absolute Gleichheit aller Unterthanen der Pforte, ohne Unterschied des Glaubens
und der Abstammung, vor dem Gesetz. Denkt man an frühere Zeiten zurück,
wo jede gesetzliche Garantie fehlte, willkürliche Gütereinziehuugeu, Einkerkerungen,
Hinrichtungen an- der Tagesordnung waren, wo der Diebstahl organisirt war,
die Korruption in allen Zweigen und aus allen Stufen der Verwaltung herrschte


mächtigen. — Jeder Uebertreter dieser Bestimmung ist nach gebührender Con-
statirung seines Verbrechens gehalten, das geraubte Gut seinem rechtmäßigen
Eigenthümer zurückzugeben; und wenn er ein Beamter der Regierung ist, wird
er abgesetzt und auf ein Jahr aus der Hauptstadt verbannt.

Art. ö. Da alle Ulemas, Veziers, Offiziere der Armee, Würdenträger und
andere Beamte des Reiches von der Negierung ausreichend bezahlt werden, so
wird jede Erpressung ihrerseits mit drei Jahren Baguo und Amtsentsetzung bestraft.

Art. 6. Gehört der Schuldige der Finanzverwaltung an, so währt die
Strafe 3 Jahre.

Durch Art. 7. find alle mit den Einnahmen und Ausgaben des Staates
beschäftigten Beamten gehalten, nicht allein monatlich ihre Rechnungen zu rectifi-
ciren, sondern auch zu Ende des Finanzjahres einen genauen Bericht über den
Zustand ihrer Kasse dem Staatsrath einzureichen.

Art. 8. Es bestehen fortan in jeder Provinz drei Arten von Behörden:
die Justiz, welche von der Körperschaft der Ulemas, die Verwaltung und Polizei,
welche von den Mnchirs ausgeübt wird, und die Steuererhebung, welche die
Mohassils vollziehen. Diese drei Behörden müssen sich gegenseitig unterstützen,
- ohne steh eine in die Angelegenheiten der andern einzumischen.

Art. 9. Wer sich weigert, die Abgaben zu bezahlen, wird mit Gefängniß
bestraft. — Jede Widersetzlichkeit gegen die Beamten der Polizei wird mit zwei
Jahren Bagno bestraft; die Widersetzlichkeit mit bewaffneter Hand mit drei Jahren;
kommen dabei Verwundungen vor, so dauert die Strafe fünf Jahr; führen die
Verwundungen deu Tod herbei, so erfolgt Todesstrafe.

Art. 10. Schlägereien und Verwundungen nnter Privatpersonen werden
mit drei Jahren Baguo, und wenn der Tod erfolgt, mit dem Tode bestraft. —
Ebenso steht Todesstrafe aus den Mord. Diebstahl wird mit Gefängniß von
sieben Jahren geahndet."

Endlich heißt es zum Schluß (Art. 14.): „Da den Bestimmungen dieses
Strafgesetzes ohne Ausnahme alle Unterthanen der Pforte, Ottomanen und Rajas
unterliegen, so ist es Jedermanns Pflicht, über die Ausführung der¬
selben zu wachen und es steht gleichmäßig jedem frei, sein Recht zu nehmen."

Dieses Strafgesetz ist freilich nach unseren Begriffe» noch sehr dürftig und
ungenügend. Indessen enthält es doch zwei große und wichtige Principien. Das
eine ist, daß nicht eine Staatsanwaltschaft, sondern das ganze Volk berechtigt und
verpflichtet ist, über die Handhabung deö Gesetzes zu wachen; das andere ist die
absolute Gleichheit aller Unterthanen der Pforte, ohne Unterschied des Glaubens
und der Abstammung, vor dem Gesetz. Denkt man an frühere Zeiten zurück,
wo jede gesetzliche Garantie fehlte, willkürliche Gütereinziehuugeu, Einkerkerungen,
Hinrichtungen an- der Tagesordnung waren, wo der Diebstahl organisirt war,
die Korruption in allen Zweigen und aus allen Stufen der Verwaltung herrschte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/116>, abgerufen am 22.07.2024.