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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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die Sache noch pikanter zu machen wurde zugleich oben auf der Bühne und
unten vom Zuschauerraume aus, in welchem sich zwei Actricen in elegantester
Salontoilette befanden, und von wo aus sie hinauf auf die Bühne parlir-
ten, gespielt. . . -- "1,68 con8uUiZ,Arm8 6e ,soLri88S, vauäsvlllö en un aete",
ein bekanntes Vaudeville, welches zum wenigsten alle Monate ein paar Mal
auf den Pariser und Brüsseler Bühnen gespielt wird und in welchem ein
tölpelhafter Bedienter in der Abwesenheit seines Herrn, eines berühmten Doc-
tors, sich für diesen ausgibt und für schweres Geld allerlei Rathschläge er¬
theilt, schloß die Reihe der mimischen Darstellungen. -- In der kleinen Pause,
die nun entsteht und die von den Garcons dazu benutzt wird, die Sessel und
Stühle aus der Mitte des Saals hinwegzuräumen, beginnt nun eine schwir¬
rende und summende Unterhaltung über die Leistungen der Künstler und
Künstlerinnen, die ebenso lebhaft discutirt werden, als die Verhandlungen
der edambre nes clvputW. Wir sagten absichtlich eine "schwirrende und sum¬
mende Unterhaltung, denn obgleich vielleicht 8--900 Personen in dem Saale
sich befanden, so war doch das Geräusch, welches die vielen hundert Spre¬
chenden verursachten, bei weitem nicht so laut wie das, welches eine halb so
zahlreiche deutsche Versammlung verursacht haben würde. Dieses leise Spre¬
chen in der Unterhaltung ist in Brüssel und Paris durchaus gebräuchlich, und
wenn man uns Deutsche auch nicht an dem fremdartigen Accent, mit welchem
wir das Französische sprechen, erkennen würde, so würde man uns doch ganz
sicher an der lauten, stärken Betonung erkennen. Trompetenstöße, die vom
Orchester herüberklingen, unterbrechen die Unterhaltungen und geben das
Zeichen zum Tanz, dem soviele Hunderte von sehnsüchtigen Herzen entgegen¬
geharrt haben. Bei diesem Signal nehmen die ehrwürdigen Familienväter
ihre Gattinnen am Arm und diese die kleinen Rangen und verlassen das
Chateau des Fleurs, wo nur noch die Jugend, die lebens- und tanzlustige
Jugend zurückbleibt. Das Orchester beginnt mit einer Galopade und im wil¬
den, rauschenden Wirbel fliegen die Grisetten am Arm ihrer Tänzer dahin.
Man muß diese im Durchschnitt kleinen und zierlichen Gestalten sehen, um
zu begreisen, wie der Tanz für sie zum Lebenselement geworden ist. Jedes
Glied, jede Muskel ihres Körpers bewegt sich, sie tanzen nicht blos mit den
Füßen, sondern der ganze Körper ist in Ertase und man kann kaum begrei¬
sen, wie diese so zart und fein gebauten Gestalten die Anstrengung eines
i--6 stündigen Tanzes aushalten können. Und nun erst wenn der Contre be¬
ginnt und der Punsch und Grog, den die Garyons herumtragen, die Kopfe
erhitzt hat und der Contre sich in jenen bekannten Cancan verwandelt, der
sehr bald seinen Weg von den Tanzsälen der Pariser Barrieren und Bal ma-
hnte in das Chateau des Fleurs und die übrigen Tanzsalonö von Brüssel ge¬
sunden, wenn man diese blitzenden Augen, diese fliegenden, halbaufgelösten


die Sache noch pikanter zu machen wurde zugleich oben auf der Bühne und
unten vom Zuschauerraume aus, in welchem sich zwei Actricen in elegantester
Salontoilette befanden, und von wo aus sie hinauf auf die Bühne parlir-
ten, gespielt. . . — „1,68 con8uUiZ,Arm8 6e ,soLri88S, vauäsvlllö en un aete",
ein bekanntes Vaudeville, welches zum wenigsten alle Monate ein paar Mal
auf den Pariser und Brüsseler Bühnen gespielt wird und in welchem ein
tölpelhafter Bedienter in der Abwesenheit seines Herrn, eines berühmten Doc-
tors, sich für diesen ausgibt und für schweres Geld allerlei Rathschläge er¬
theilt, schloß die Reihe der mimischen Darstellungen. — In der kleinen Pause,
die nun entsteht und die von den Garcons dazu benutzt wird, die Sessel und
Stühle aus der Mitte des Saals hinwegzuräumen, beginnt nun eine schwir¬
rende und summende Unterhaltung über die Leistungen der Künstler und
Künstlerinnen, die ebenso lebhaft discutirt werden, als die Verhandlungen
der edambre nes clvputW. Wir sagten absichtlich eine „schwirrende und sum¬
mende Unterhaltung, denn obgleich vielleicht 8—900 Personen in dem Saale
sich befanden, so war doch das Geräusch, welches die vielen hundert Spre¬
chenden verursachten, bei weitem nicht so laut wie das, welches eine halb so
zahlreiche deutsche Versammlung verursacht haben würde. Dieses leise Spre¬
chen in der Unterhaltung ist in Brüssel und Paris durchaus gebräuchlich, und
wenn man uns Deutsche auch nicht an dem fremdartigen Accent, mit welchem
wir das Französische sprechen, erkennen würde, so würde man uns doch ganz
sicher an der lauten, stärken Betonung erkennen. Trompetenstöße, die vom
Orchester herüberklingen, unterbrechen die Unterhaltungen und geben das
Zeichen zum Tanz, dem soviele Hunderte von sehnsüchtigen Herzen entgegen¬
geharrt haben. Bei diesem Signal nehmen die ehrwürdigen Familienväter
ihre Gattinnen am Arm und diese die kleinen Rangen und verlassen das
Chateau des Fleurs, wo nur noch die Jugend, die lebens- und tanzlustige
Jugend zurückbleibt. Das Orchester beginnt mit einer Galopade und im wil¬
den, rauschenden Wirbel fliegen die Grisetten am Arm ihrer Tänzer dahin.
Man muß diese im Durchschnitt kleinen und zierlichen Gestalten sehen, um
zu begreisen, wie der Tanz für sie zum Lebenselement geworden ist. Jedes
Glied, jede Muskel ihres Körpers bewegt sich, sie tanzen nicht blos mit den
Füßen, sondern der ganze Körper ist in Ertase und man kann kaum begrei¬
sen, wie diese so zart und fein gebauten Gestalten die Anstrengung eines
i—6 stündigen Tanzes aushalten können. Und nun erst wenn der Contre be¬
ginnt und der Punsch und Grog, den die Garyons herumtragen, die Kopfe
erhitzt hat und der Contre sich in jenen bekannten Cancan verwandelt, der
sehr bald seinen Weg von den Tanzsälen der Pariser Barrieren und Bal ma-
hnte in das Chateau des Fleurs und die übrigen Tanzsalonö von Brüssel ge¬
sunden, wenn man diese blitzenden Augen, diese fliegenden, halbaufgelösten


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[0506] die Sache noch pikanter zu machen wurde zugleich oben auf der Bühne und unten vom Zuschauerraume aus, in welchem sich zwei Actricen in elegantester Salontoilette befanden, und von wo aus sie hinauf auf die Bühne parlir- ten, gespielt. . . — „1,68 con8uUiZ,Arm8 6e ,soLri88S, vauäsvlllö en un aete", ein bekanntes Vaudeville, welches zum wenigsten alle Monate ein paar Mal auf den Pariser und Brüsseler Bühnen gespielt wird und in welchem ein tölpelhafter Bedienter in der Abwesenheit seines Herrn, eines berühmten Doc- tors, sich für diesen ausgibt und für schweres Geld allerlei Rathschläge er¬ theilt, schloß die Reihe der mimischen Darstellungen. — In der kleinen Pause, die nun entsteht und die von den Garcons dazu benutzt wird, die Sessel und Stühle aus der Mitte des Saals hinwegzuräumen, beginnt nun eine schwir¬ rende und summende Unterhaltung über die Leistungen der Künstler und Künstlerinnen, die ebenso lebhaft discutirt werden, als die Verhandlungen der edambre nes clvputW. Wir sagten absichtlich eine „schwirrende und sum¬ mende Unterhaltung, denn obgleich vielleicht 8—900 Personen in dem Saale sich befanden, so war doch das Geräusch, welches die vielen hundert Spre¬ chenden verursachten, bei weitem nicht so laut wie das, welches eine halb so zahlreiche deutsche Versammlung verursacht haben würde. Dieses leise Spre¬ chen in der Unterhaltung ist in Brüssel und Paris durchaus gebräuchlich, und wenn man uns Deutsche auch nicht an dem fremdartigen Accent, mit welchem wir das Französische sprechen, erkennen würde, so würde man uns doch ganz sicher an der lauten, stärken Betonung erkennen. Trompetenstöße, die vom Orchester herüberklingen, unterbrechen die Unterhaltungen und geben das Zeichen zum Tanz, dem soviele Hunderte von sehnsüchtigen Herzen entgegen¬ geharrt haben. Bei diesem Signal nehmen die ehrwürdigen Familienväter ihre Gattinnen am Arm und diese die kleinen Rangen und verlassen das Chateau des Fleurs, wo nur noch die Jugend, die lebens- und tanzlustige Jugend zurückbleibt. Das Orchester beginnt mit einer Galopade und im wil¬ den, rauschenden Wirbel fliegen die Grisetten am Arm ihrer Tänzer dahin. Man muß diese im Durchschnitt kleinen und zierlichen Gestalten sehen, um zu begreisen, wie der Tanz für sie zum Lebenselement geworden ist. Jedes Glied, jede Muskel ihres Körpers bewegt sich, sie tanzen nicht blos mit den Füßen, sondern der ganze Körper ist in Ertase und man kann kaum begrei¬ sen, wie diese so zart und fein gebauten Gestalten die Anstrengung eines i—6 stündigen Tanzes aushalten können. Und nun erst wenn der Contre be¬ ginnt und der Punsch und Grog, den die Garyons herumtragen, die Kopfe erhitzt hat und der Contre sich in jenen bekannten Cancan verwandelt, der sehr bald seinen Weg von den Tanzsälen der Pariser Barrieren und Bal ma- hnte in das Chateau des Fleurs und die übrigen Tanzsalonö von Brüssel ge¬ sunden, wenn man diese blitzenden Augen, diese fliegenden, halbaufgelösten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/506>, abgerufen am 24.08.2024.