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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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destag -- wol ebenfalls mit Octroyirungen -- in Siege umwandeln zu sollen.
Denn erst nach diesen Vorgängen wendeten sich die Standesherrn beschwerend
an ihn.

Die Erläuterungen der Würtembergschcn Regierung stellen nun weiter
dar, wie die Negierung bereits mehrfache Gesetzentwürfe eingebracht habe, um
den Verletzungen des Standesherrlichen Rechtszustandes gerecht zu werden. Unter
den für den soeben versammelten Landtag vorbereiteten Entwürfen bezeichnen
sie abermals sieben als auf dieses Ziel gerichtet. Es sind dies die Vorlagen
1) über den erimirten Gerichtsstand, 2) über die Verhältnisse des vormals
exemten Grundeigenthums und der Theilgemeinden, 3) über Abänderungen und
Ergänzungen der Gemeindeordnung, i>) über Ergänzung der Bestimmungen
über Gefälle und Zehntablösungen, 3) über privatrechtliche Leistungen für
öffentliche Zwecke, welche auf den Zehnten und Gefallen in Verbindung mit
andern Vermögensgegenständen haften, 6) über das Jagdwesen, 7) über die
besondern Rechte, welche den Standesherrn in Bezug aus Bewirthschaftung
und Polizei in ihren Waldungen und die Stellung der von ihnen angestellten
Forstbeamten gewährt werden sollen. -- Infolge dessen culminirt nun die Nück-
äußerung der würtembergischen Negierung in dem Antrage, daß der Bundestag,
nachdem sein Beschluß vom 10. Nov. 48S3 selbst anerkannt habe, wie den ein¬
zelnen Regierungen Zeit gelassen werden müsse, um die seit -I8i8 erlassenen,
mit den Bundeögrundgesetzen nicht harmonirenden Gesetze zu beseitigen, die
Kläger abweisen möge, weil nicht entschieden sei, ob und inwieweit der von
ihnen erhobenen Beschwerde auf dem landesverfafsungsgemäßen, von der Re¬
gierung betretenen Wege abgeholfen sei und beziehentlich abgeholfen wer¬
den könne.

So liegen die Dinge im gegenwärtigen Augenblicke. Hoffen wir, daß der
Bundestag, den wahren Kern erkennend, welchen die Beschwerde der Standes-
herrn einschließt, dem Antrage der würtembergschen Regierung entsprechen
möge. Denn kann man sich auch zu der Lauterkeit der constitutionellen Prin¬
cipien, auf welche sie ihr Verfahren gegen die Standesherrn im vorliegenden
Falle stützt, keineswegs mit jenem unbefangenen Vertrauen verhalten, um darin
eben nur eine Wahrung des Staatsgrundgesetzes zu erblicken -- leugnen läßt
es sich nicht, daß sie bisher in diesem Gange den verfassungsmäßigen Weg
einhielt. Man kann in dieser Anerkennung vielleicht sogar eine Erklärung sür
jene seltsam drohenden Aeußerungen des Herrn Ministers von Linden finden
und suchen, womit er in der Stuttgarter Kammersitzung vom 23. Nov. den
Antrag zurückwies, wonach die Vorlage der oben bezeichneten Gesetzentwürfe
aus die nächste Session vertagt bleiben sollte. Um so unbegreiflicher und für
das specifisch würtembergsche, wie nationaldeutsche Gefühl erschreckender möchte
es jedoch in solchem Falle sein, wenn Würtemberg wirklich, wie die sonst so


destag — wol ebenfalls mit Octroyirungen — in Siege umwandeln zu sollen.
Denn erst nach diesen Vorgängen wendeten sich die Standesherrn beschwerend
an ihn.

Die Erläuterungen der Würtembergschcn Regierung stellen nun weiter
dar, wie die Negierung bereits mehrfache Gesetzentwürfe eingebracht habe, um
den Verletzungen des Standesherrlichen Rechtszustandes gerecht zu werden. Unter
den für den soeben versammelten Landtag vorbereiteten Entwürfen bezeichnen
sie abermals sieben als auf dieses Ziel gerichtet. Es sind dies die Vorlagen
1) über den erimirten Gerichtsstand, 2) über die Verhältnisse des vormals
exemten Grundeigenthums und der Theilgemeinden, 3) über Abänderungen und
Ergänzungen der Gemeindeordnung, i>) über Ergänzung der Bestimmungen
über Gefälle und Zehntablösungen, 3) über privatrechtliche Leistungen für
öffentliche Zwecke, welche auf den Zehnten und Gefallen in Verbindung mit
andern Vermögensgegenständen haften, 6) über das Jagdwesen, 7) über die
besondern Rechte, welche den Standesherrn in Bezug aus Bewirthschaftung
und Polizei in ihren Waldungen und die Stellung der von ihnen angestellten
Forstbeamten gewährt werden sollen. — Infolge dessen culminirt nun die Nück-
äußerung der würtembergischen Negierung in dem Antrage, daß der Bundestag,
nachdem sein Beschluß vom 10. Nov. 48S3 selbst anerkannt habe, wie den ein¬
zelnen Regierungen Zeit gelassen werden müsse, um die seit -I8i8 erlassenen,
mit den Bundeögrundgesetzen nicht harmonirenden Gesetze zu beseitigen, die
Kläger abweisen möge, weil nicht entschieden sei, ob und inwieweit der von
ihnen erhobenen Beschwerde auf dem landesverfafsungsgemäßen, von der Re¬
gierung betretenen Wege abgeholfen sei und beziehentlich abgeholfen wer¬
den könne.

So liegen die Dinge im gegenwärtigen Augenblicke. Hoffen wir, daß der
Bundestag, den wahren Kern erkennend, welchen die Beschwerde der Standes-
herrn einschließt, dem Antrage der würtembergschen Regierung entsprechen
möge. Denn kann man sich auch zu der Lauterkeit der constitutionellen Prin¬
cipien, auf welche sie ihr Verfahren gegen die Standesherrn im vorliegenden
Falle stützt, keineswegs mit jenem unbefangenen Vertrauen verhalten, um darin
eben nur eine Wahrung des Staatsgrundgesetzes zu erblicken — leugnen läßt
es sich nicht, daß sie bisher in diesem Gange den verfassungsmäßigen Weg
einhielt. Man kann in dieser Anerkennung vielleicht sogar eine Erklärung sür
jene seltsam drohenden Aeußerungen des Herrn Ministers von Linden finden
und suchen, womit er in der Stuttgarter Kammersitzung vom 23. Nov. den
Antrag zurückwies, wonach die Vorlage der oben bezeichneten Gesetzentwürfe
aus die nächste Session vertagt bleiben sollte. Um so unbegreiflicher und für
das specifisch würtembergsche, wie nationaldeutsche Gefühl erschreckender möchte
es jedoch in solchem Falle sein, wenn Würtemberg wirklich, wie die sonst so


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/463>, abgerufen am 22.07.2024.