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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Oestreich und Preußen.

Der Umschwung in der öffentlichen Meinung, der durch die auswärtige
Politik der beiden deutschen Großmächte herbeigeführt ist, erscheint so außer¬
ordentlich, daß er wol einmal eine zusammenhängende Besprechung verdient,
die sich nicht grade unmittelbar aus die Tagesfragen bezieht. Die Stellung,
welche Oestreich Rußland gegenüber eingenommen hat, muß auch auf die in¬
nere Politik des Kaiserstaats einen wesentlichen Einfluß ausüben, und je
deutlicher die östreichischen Staatsmänner bisher gezeigt haben, daß sie ihre
Stellung nach außen vollkommen begreisen, um so sicherer läßt sich anneh¬
men, daß sie auch vor diesem nothwendigen Zusammenhang ihr Auge nicht
werden verschlossen haben. Unter diesen Umständen könnte es überflüssig'er¬
scheinen, daß die Presse auf die Schritte aufmerksam macht, die noch zu thun
übrigbleiben, um dem Kaiserstaat die Stellung in Europa und in Deutschland,
die seinen Kräften zukommt, anzuweisen. Ja mancher Aengstliche könnte wol
meinen, daß dadurch der Sache eher geschadet würde, da eine Regierung es
in der Regel nicht liebt, gedrängt zu werden. Allein wir haben eben von
den östreichischen Staatsmännern eine bessere Meinung, und außerdem halten
wir es für sehr wichtig, die öffentliche Aufmerksamkeit aus die Richtung hin¬
zulenken, die für die weitere Entwicklung nothwendig erscheint, und so den
Ereignissen in der öffentlichen Meinung den Weg zu bahnen. Wir halten
uns dazu umsomehr sür berechtigt, da wir im wesentlichen nur aus dasselbe
zurückkommen dürfen, was wir in der Krisis von 18i8 über Oestreich gesagt
haben.

Das große Werk, dem die gegenwärtige Staatsregierung Oestreichs ihre
Kräfte gewidmet hat, ist die Umwandlung der Ländermasse, die dem Habsbur¬
gischen Scepter Unterthan ist, in einen Einheitsstaat. Diese Umwandlung
war nothwendig für das Fortbestehen Oestreichs; sie war aber auch im höch¬
sten Grade segensreich für Deutschland, denn der neu zu schaffende Einheits¬
staat kann nur ein deutscher sein. Der erste Schritt zu diesem Zweck war die


Grenzboten. IV. ->8al. 36
Oestreich und Preußen.

Der Umschwung in der öffentlichen Meinung, der durch die auswärtige
Politik der beiden deutschen Großmächte herbeigeführt ist, erscheint so außer¬
ordentlich, daß er wol einmal eine zusammenhängende Besprechung verdient,
die sich nicht grade unmittelbar aus die Tagesfragen bezieht. Die Stellung,
welche Oestreich Rußland gegenüber eingenommen hat, muß auch auf die in¬
nere Politik des Kaiserstaats einen wesentlichen Einfluß ausüben, und je
deutlicher die östreichischen Staatsmänner bisher gezeigt haben, daß sie ihre
Stellung nach außen vollkommen begreisen, um so sicherer läßt sich anneh¬
men, daß sie auch vor diesem nothwendigen Zusammenhang ihr Auge nicht
werden verschlossen haben. Unter diesen Umständen könnte es überflüssig'er¬
scheinen, daß die Presse auf die Schritte aufmerksam macht, die noch zu thun
übrigbleiben, um dem Kaiserstaat die Stellung in Europa und in Deutschland,
die seinen Kräften zukommt, anzuweisen. Ja mancher Aengstliche könnte wol
meinen, daß dadurch der Sache eher geschadet würde, da eine Regierung es
in der Regel nicht liebt, gedrängt zu werden. Allein wir haben eben von
den östreichischen Staatsmännern eine bessere Meinung, und außerdem halten
wir es für sehr wichtig, die öffentliche Aufmerksamkeit aus die Richtung hin¬
zulenken, die für die weitere Entwicklung nothwendig erscheint, und so den
Ereignissen in der öffentlichen Meinung den Weg zu bahnen. Wir halten
uns dazu umsomehr sür berechtigt, da wir im wesentlichen nur aus dasselbe
zurückkommen dürfen, was wir in der Krisis von 18i8 über Oestreich gesagt
haben.

Das große Werk, dem die gegenwärtige Staatsregierung Oestreichs ihre
Kräfte gewidmet hat, ist die Umwandlung der Ländermasse, die dem Habsbur¬
gischen Scepter Unterthan ist, in einen Einheitsstaat. Diese Umwandlung
war nothwendig für das Fortbestehen Oestreichs; sie war aber auch im höch¬
sten Grade segensreich für Deutschland, denn der neu zu schaffende Einheits¬
staat kann nur ein deutscher sein. Der erste Schritt zu diesem Zweck war die


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[0449] Oestreich und Preußen. Der Umschwung in der öffentlichen Meinung, der durch die auswärtige Politik der beiden deutschen Großmächte herbeigeführt ist, erscheint so außer¬ ordentlich, daß er wol einmal eine zusammenhängende Besprechung verdient, die sich nicht grade unmittelbar aus die Tagesfragen bezieht. Die Stellung, welche Oestreich Rußland gegenüber eingenommen hat, muß auch auf die in¬ nere Politik des Kaiserstaats einen wesentlichen Einfluß ausüben, und je deutlicher die östreichischen Staatsmänner bisher gezeigt haben, daß sie ihre Stellung nach außen vollkommen begreisen, um so sicherer läßt sich anneh¬ men, daß sie auch vor diesem nothwendigen Zusammenhang ihr Auge nicht werden verschlossen haben. Unter diesen Umständen könnte es überflüssig'er¬ scheinen, daß die Presse auf die Schritte aufmerksam macht, die noch zu thun übrigbleiben, um dem Kaiserstaat die Stellung in Europa und in Deutschland, die seinen Kräften zukommt, anzuweisen. Ja mancher Aengstliche könnte wol meinen, daß dadurch der Sache eher geschadet würde, da eine Regierung es in der Regel nicht liebt, gedrängt zu werden. Allein wir haben eben von den östreichischen Staatsmännern eine bessere Meinung, und außerdem halten wir es für sehr wichtig, die öffentliche Aufmerksamkeit aus die Richtung hin¬ zulenken, die für die weitere Entwicklung nothwendig erscheint, und so den Ereignissen in der öffentlichen Meinung den Weg zu bahnen. Wir halten uns dazu umsomehr sür berechtigt, da wir im wesentlichen nur aus dasselbe zurückkommen dürfen, was wir in der Krisis von 18i8 über Oestreich gesagt haben. Das große Werk, dem die gegenwärtige Staatsregierung Oestreichs ihre Kräfte gewidmet hat, ist die Umwandlung der Ländermasse, die dem Habsbur¬ gischen Scepter Unterthan ist, in einen Einheitsstaat. Diese Umwandlung war nothwendig für das Fortbestehen Oestreichs; sie war aber auch im höch¬ sten Grade segensreich für Deutschland, denn der neu zu schaffende Einheits¬ staat kann nur ein deutscher sein. Der erste Schritt zu diesem Zweck war die Grenzboten. IV. ->8al. 36

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/449>, abgerufen am 22.07.2024.