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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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sind zuweilen Polizeiagenten xar 2öls. während der unpolitische Theil (also
im diplomatischen Sinne der politischere) sich seine Dienste gut bezahlen läßt.
Wenn der Concierge eine politische Meinung hat, so ist er Fanatiker und haßt
alle Inwohner, von denen er voraussetzt, daß sie einer andern Partei an¬
gehören. Er beurtheilt sie nach den Journalen, die sie lesen, und häusiger
noch die Journale nach den Leuten, von denen sie gelesen werden. Ein Jn¬
sasse, der Journale von den verschiedensten Farben sich kommen läßt, macht ihn
vollends mißtrauisch, weil er keinen Schlüssel zu diesem Widerspruche findet,
während er doch selbst alle Journale ohne Unterschied der Meinung liest. Der
Concierge, der einen Etat hat, und dem die Loge nur Nebensache ist, macht
eine Ausnahme von der Regel, welche dem salischen Gesetze huldigt. Die In¬
wohner sind emancipirt und haben nur zeitweise unter der sporadisch wirkenden
Laune der Logegebieterin zu leiden. Die Frau ist dann nämlich eifersüchtig
und zu sehr mit der'Controle des eignen Hausglücks beschäftigt, als daß sie
noch Muße hätte, die Inwohner mit Ausdauer zu quälen. In einem Hause, in
dem der Concierge sich nicht ausschließlich dem Logendienste widmet, sind die Fa-
milienpartien in der Mehrzahl. Das Cölibctt wird spärlich durch Commis
und Ouvriers vertreten, die in Dachstübchen oder zu ebener Erde eine Schlas-
statt errichten. Die Frau empfängt vor Heimkehr ihres Mannes zwischen -10
und 11 Uhr Nachts, sie läßt sich Geschichten und Neuigkeiten erzählen, aber
nie den Hof machen. Die eheliche Treue ist ein unverletzbares Attribut der
Loge. Die künstliche Orangenblüte, welche aus dem Kasten in einem großen
prachtvollen cristal as lZollöms Prange, ist ein Symbol, das nicht immer eine
vorhochzeitliche, aber in der Regel eine nachhochzeitliche Bedeutung hat. Die
Concierge ist eine schlechte Mutter, der Concierge ein sorgloser Vater. Die
Liebe zu den Kindern beginnt erst von dem Augenblicke an, wo ihre Nutzbar¬
keit sich geltendmacht. Bis dahin werden Katzen und Hunde vorgezogen. Eine
Katze fehlt übrigens selten in der Loge, sie ist der einzige Bewohner des Hauses,
der von der Loge aus keine Quälerei zu ertragen hat. Diese Verehrung für
Katzen hat etwas Egyptisches und gradezu Unerklärliches. Die Hunde stehen
im zweiten Range und die Neigung zu Papageien, welche u,s-w cleMne von.o>.w
rufen, hält zwischen beiden die Mitte. Concierge sind selten Trunkenbolde,
sie haben sich an das Ueberwachen anderer zu sehr gewöhnt, um nicht auch
sich selbst zu bewachen.

Die Abarten sind zahlreich und in einem einzigen Artikel kaum zu be¬
wältigen. Darum mögen diese allgemeinen leider nicht erschöpfenden Grund¬
züge zur Berichtigung der falschen Typen beitragen, welche von guten und
schlechten Sittenmalern von Paris geliefert werden. Auf einen Zug aber,
der allen Arten gemein ist, muß ganz besonders Nachdruck gelegt werden. Der
Concierge, der alle Härten, alle Mängel des Hauöeigenthümerö zu seinen eignen


sind zuweilen Polizeiagenten xar 2öls. während der unpolitische Theil (also
im diplomatischen Sinne der politischere) sich seine Dienste gut bezahlen läßt.
Wenn der Concierge eine politische Meinung hat, so ist er Fanatiker und haßt
alle Inwohner, von denen er voraussetzt, daß sie einer andern Partei an¬
gehören. Er beurtheilt sie nach den Journalen, die sie lesen, und häusiger
noch die Journale nach den Leuten, von denen sie gelesen werden. Ein Jn¬
sasse, der Journale von den verschiedensten Farben sich kommen läßt, macht ihn
vollends mißtrauisch, weil er keinen Schlüssel zu diesem Widerspruche findet,
während er doch selbst alle Journale ohne Unterschied der Meinung liest. Der
Concierge, der einen Etat hat, und dem die Loge nur Nebensache ist, macht
eine Ausnahme von der Regel, welche dem salischen Gesetze huldigt. Die In¬
wohner sind emancipirt und haben nur zeitweise unter der sporadisch wirkenden
Laune der Logegebieterin zu leiden. Die Frau ist dann nämlich eifersüchtig
und zu sehr mit der'Controle des eignen Hausglücks beschäftigt, als daß sie
noch Muße hätte, die Inwohner mit Ausdauer zu quälen. In einem Hause, in
dem der Concierge sich nicht ausschließlich dem Logendienste widmet, sind die Fa-
milienpartien in der Mehrzahl. Das Cölibctt wird spärlich durch Commis
und Ouvriers vertreten, die in Dachstübchen oder zu ebener Erde eine Schlas-
statt errichten. Die Frau empfängt vor Heimkehr ihres Mannes zwischen -10
und 11 Uhr Nachts, sie läßt sich Geschichten und Neuigkeiten erzählen, aber
nie den Hof machen. Die eheliche Treue ist ein unverletzbares Attribut der
Loge. Die künstliche Orangenblüte, welche aus dem Kasten in einem großen
prachtvollen cristal as lZollöms Prange, ist ein Symbol, das nicht immer eine
vorhochzeitliche, aber in der Regel eine nachhochzeitliche Bedeutung hat. Die
Concierge ist eine schlechte Mutter, der Concierge ein sorgloser Vater. Die
Liebe zu den Kindern beginnt erst von dem Augenblicke an, wo ihre Nutzbar¬
keit sich geltendmacht. Bis dahin werden Katzen und Hunde vorgezogen. Eine
Katze fehlt übrigens selten in der Loge, sie ist der einzige Bewohner des Hauses,
der von der Loge aus keine Quälerei zu ertragen hat. Diese Verehrung für
Katzen hat etwas Egyptisches und gradezu Unerklärliches. Die Hunde stehen
im zweiten Range und die Neigung zu Papageien, welche u,s-w cleMne von.o>.w
rufen, hält zwischen beiden die Mitte. Concierge sind selten Trunkenbolde,
sie haben sich an das Ueberwachen anderer zu sehr gewöhnt, um nicht auch
sich selbst zu bewachen.

Die Abarten sind zahlreich und in einem einzigen Artikel kaum zu be¬
wältigen. Darum mögen diese allgemeinen leider nicht erschöpfenden Grund¬
züge zur Berichtigung der falschen Typen beitragen, welche von guten und
schlechten Sittenmalern von Paris geliefert werden. Auf einen Zug aber,
der allen Arten gemein ist, muß ganz besonders Nachdruck gelegt werden. Der
Concierge, der alle Härten, alle Mängel des Hauöeigenthümerö zu seinen eignen


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[0396] sind zuweilen Polizeiagenten xar 2öls. während der unpolitische Theil (also im diplomatischen Sinne der politischere) sich seine Dienste gut bezahlen läßt. Wenn der Concierge eine politische Meinung hat, so ist er Fanatiker und haßt alle Inwohner, von denen er voraussetzt, daß sie einer andern Partei an¬ gehören. Er beurtheilt sie nach den Journalen, die sie lesen, und häusiger noch die Journale nach den Leuten, von denen sie gelesen werden. Ein Jn¬ sasse, der Journale von den verschiedensten Farben sich kommen läßt, macht ihn vollends mißtrauisch, weil er keinen Schlüssel zu diesem Widerspruche findet, während er doch selbst alle Journale ohne Unterschied der Meinung liest. Der Concierge, der einen Etat hat, und dem die Loge nur Nebensache ist, macht eine Ausnahme von der Regel, welche dem salischen Gesetze huldigt. Die In¬ wohner sind emancipirt und haben nur zeitweise unter der sporadisch wirkenden Laune der Logegebieterin zu leiden. Die Frau ist dann nämlich eifersüchtig und zu sehr mit der'Controle des eignen Hausglücks beschäftigt, als daß sie noch Muße hätte, die Inwohner mit Ausdauer zu quälen. In einem Hause, in dem der Concierge sich nicht ausschließlich dem Logendienste widmet, sind die Fa- milienpartien in der Mehrzahl. Das Cölibctt wird spärlich durch Commis und Ouvriers vertreten, die in Dachstübchen oder zu ebener Erde eine Schlas- statt errichten. Die Frau empfängt vor Heimkehr ihres Mannes zwischen -10 und 11 Uhr Nachts, sie läßt sich Geschichten und Neuigkeiten erzählen, aber nie den Hof machen. Die eheliche Treue ist ein unverletzbares Attribut der Loge. Die künstliche Orangenblüte, welche aus dem Kasten in einem großen prachtvollen cristal as lZollöms Prange, ist ein Symbol, das nicht immer eine vorhochzeitliche, aber in der Regel eine nachhochzeitliche Bedeutung hat. Die Concierge ist eine schlechte Mutter, der Concierge ein sorgloser Vater. Die Liebe zu den Kindern beginnt erst von dem Augenblicke an, wo ihre Nutzbar¬ keit sich geltendmacht. Bis dahin werden Katzen und Hunde vorgezogen. Eine Katze fehlt übrigens selten in der Loge, sie ist der einzige Bewohner des Hauses, der von der Loge aus keine Quälerei zu ertragen hat. Diese Verehrung für Katzen hat etwas Egyptisches und gradezu Unerklärliches. Die Hunde stehen im zweiten Range und die Neigung zu Papageien, welche u,s-w cleMne von.o>.w rufen, hält zwischen beiden die Mitte. Concierge sind selten Trunkenbolde, sie haben sich an das Ueberwachen anderer zu sehr gewöhnt, um nicht auch sich selbst zu bewachen. Die Abarten sind zahlreich und in einem einzigen Artikel kaum zu be¬ wältigen. Darum mögen diese allgemeinen leider nicht erschöpfenden Grund¬ züge zur Berichtigung der falschen Typen beitragen, welche von guten und schlechten Sittenmalern von Paris geliefert werden. Auf einen Zug aber, der allen Arten gemein ist, muß ganz besonders Nachdruck gelegt werden. Der Concierge, der alle Härten, alle Mängel des Hauöeigenthümerö zu seinen eignen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/396>, abgerufen am 22.07.2024.