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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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unglücklicher Jndustriemann, und daß er nicht verfehlt, dies an den Tag zu
legen.

0n neue rütisssur on pvöts ums vn no und pas ecineier^s. Das
egyptische Kastensystem ist diesem Geschlechte noch fremd. Die Portierloge ist
eine Klosterzelle, in die man sich zurückzieht, um über die Vergänglichkeit der
menschlichen Größe -- erbauliches Nachdenken zu pflegen und statt des üblichen
c>n pari" an LonoierKe könnte die Aufschrift über den Logen ebensogut vamtus
vanittttum vanita8 lauten.

Der Concierge haßt die menschliche Gesellschaft, die sich in irgendeiner
Weise gegen ihn vergangen hat und darum flicht er einen Bund mit dem
Racheengel der heutigen Societät, er gesellt sich der providentiellen Sendung
des modernen Attilas bei, er ist der Tristan jenes Louis XI., der Proprietaire
de Paris heißt. Der Pariser Concierge zeigt sich noch auf andere Weise: er
schickt seine Töchter ins Konservatorium und läßt sie Klavierkünstlerinnen
werden oder wenn die Mutter das Genie einer ouvrsuse se loxs hat, macht
sie aus ihrer Tochter eine Tänzerinn, eine Statistin oder sie bildet sie ohne
diesen künstlerischen Uebergang gleich zur Lorette aus. Der Sohn geht seinen
eignen Weg, erwählt eine bürgerliche Carriere, er wird Handlungsbeflissener,
GarcM de bureau bei einer Eisenbahnverwaltung oder bei irgendeinem öffentlichen
Amte, er wird Pompier, Clerc de.notnire oder auch Commis voyageur.

Der Concierge tritt in seiner ganzen Eigenthümlichkeit erst dann auf, wenn
er mit dem Proprietaire sich gepaart fühlt -- er will also in einer Maison
bourgeoise studirt sein. Weder im Hotel garni, wo er seine innerste Natur
abstreift, noch im Hotel eines Finanzkönigs oder eines Aristokraten, wo er
eine kümmerliche Nachäffung des stattlichen Suisse von ehemals geworden --
ist der Concierge er selbst.

Der Concierge in Paris hat folgende Attribute, welche sofort die ganze
Wichtigkeit seiner Person in das klarste Licht stellen werden. Er vermiethet die
Wohnungen und stattet dem Eigenthümer Bericht über seine Inwohner ab.
Wem er ein schlechtes Zeugniß ablegt, der wird durch die Folter einer fort¬
schreitenden Steigerung zum Geständnis) seiner Schuld gebracht oder durch eine
Aufkündigung mit kurzem Processe aus der Welt geschafft. Der Concierge ist
legitimer Eigenthümer sämmtlicher Cölibataire, er schafft mit ihnen wie mit seinem
Gute, die kühnsten Emancipationsversuche haben höchstens dahin geführt, daß
das patriarchalische Eigenthumsverhältniß der Familie in einfache Bevormundung
gemildert wurde. Dieses Recht gibt der Pariser Concierge nie auf: als Vor¬
mund mengt er sich in alle Angelegenheiten seiner Mündel, er liest ihre Jour¬
nale, er guckt in ihre Briefe, er empfängt oder weist ihre Besuche zurück --
nach Gutdünken ist er der Wächter ihrer Tugend und verbietet jeder ver¬
führerischen Gelegenheit, die in Gestalt einer Soubrette, Grisette oder Lorette


unglücklicher Jndustriemann, und daß er nicht verfehlt, dies an den Tag zu
legen.

0n neue rütisssur on pvöts ums vn no und pas ecineier^s. Das
egyptische Kastensystem ist diesem Geschlechte noch fremd. Die Portierloge ist
eine Klosterzelle, in die man sich zurückzieht, um über die Vergänglichkeit der
menschlichen Größe — erbauliches Nachdenken zu pflegen und statt des üblichen
c>n pari« an LonoierKe könnte die Aufschrift über den Logen ebensogut vamtus
vanittttum vanita8 lauten.

Der Concierge haßt die menschliche Gesellschaft, die sich in irgendeiner
Weise gegen ihn vergangen hat und darum flicht er einen Bund mit dem
Racheengel der heutigen Societät, er gesellt sich der providentiellen Sendung
des modernen Attilas bei, er ist der Tristan jenes Louis XI., der Proprietaire
de Paris heißt. Der Pariser Concierge zeigt sich noch auf andere Weise: er
schickt seine Töchter ins Konservatorium und läßt sie Klavierkünstlerinnen
werden oder wenn die Mutter das Genie einer ouvrsuse se loxs hat, macht
sie aus ihrer Tochter eine Tänzerinn, eine Statistin oder sie bildet sie ohne
diesen künstlerischen Uebergang gleich zur Lorette aus. Der Sohn geht seinen
eignen Weg, erwählt eine bürgerliche Carriere, er wird Handlungsbeflissener,
GarcM de bureau bei einer Eisenbahnverwaltung oder bei irgendeinem öffentlichen
Amte, er wird Pompier, Clerc de.notnire oder auch Commis voyageur.

Der Concierge tritt in seiner ganzen Eigenthümlichkeit erst dann auf, wenn
er mit dem Proprietaire sich gepaart fühlt — er will also in einer Maison
bourgeoise studirt sein. Weder im Hotel garni, wo er seine innerste Natur
abstreift, noch im Hotel eines Finanzkönigs oder eines Aristokraten, wo er
eine kümmerliche Nachäffung des stattlichen Suisse von ehemals geworden —
ist der Concierge er selbst.

Der Concierge in Paris hat folgende Attribute, welche sofort die ganze
Wichtigkeit seiner Person in das klarste Licht stellen werden. Er vermiethet die
Wohnungen und stattet dem Eigenthümer Bericht über seine Inwohner ab.
Wem er ein schlechtes Zeugniß ablegt, der wird durch die Folter einer fort¬
schreitenden Steigerung zum Geständnis) seiner Schuld gebracht oder durch eine
Aufkündigung mit kurzem Processe aus der Welt geschafft. Der Concierge ist
legitimer Eigenthümer sämmtlicher Cölibataire, er schafft mit ihnen wie mit seinem
Gute, die kühnsten Emancipationsversuche haben höchstens dahin geführt, daß
das patriarchalische Eigenthumsverhältniß der Familie in einfache Bevormundung
gemildert wurde. Dieses Recht gibt der Pariser Concierge nie auf: als Vor¬
mund mengt er sich in alle Angelegenheiten seiner Mündel, er liest ihre Jour¬
nale, er guckt in ihre Briefe, er empfängt oder weist ihre Besuche zurück —
nach Gutdünken ist er der Wächter ihrer Tugend und verbietet jeder ver¬
führerischen Gelegenheit, die in Gestalt einer Soubrette, Grisette oder Lorette


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[0394] unglücklicher Jndustriemann, und daß er nicht verfehlt, dies an den Tag zu legen. 0n neue rütisssur on pvöts ums vn no und pas ecineier^s. Das egyptische Kastensystem ist diesem Geschlechte noch fremd. Die Portierloge ist eine Klosterzelle, in die man sich zurückzieht, um über die Vergänglichkeit der menschlichen Größe — erbauliches Nachdenken zu pflegen und statt des üblichen c>n pari« an LonoierKe könnte die Aufschrift über den Logen ebensogut vamtus vanittttum vanita8 lauten. Der Concierge haßt die menschliche Gesellschaft, die sich in irgendeiner Weise gegen ihn vergangen hat und darum flicht er einen Bund mit dem Racheengel der heutigen Societät, er gesellt sich der providentiellen Sendung des modernen Attilas bei, er ist der Tristan jenes Louis XI., der Proprietaire de Paris heißt. Der Pariser Concierge zeigt sich noch auf andere Weise: er schickt seine Töchter ins Konservatorium und läßt sie Klavierkünstlerinnen werden oder wenn die Mutter das Genie einer ouvrsuse se loxs hat, macht sie aus ihrer Tochter eine Tänzerinn, eine Statistin oder sie bildet sie ohne diesen künstlerischen Uebergang gleich zur Lorette aus. Der Sohn geht seinen eignen Weg, erwählt eine bürgerliche Carriere, er wird Handlungsbeflissener, GarcM de bureau bei einer Eisenbahnverwaltung oder bei irgendeinem öffentlichen Amte, er wird Pompier, Clerc de.notnire oder auch Commis voyageur. Der Concierge tritt in seiner ganzen Eigenthümlichkeit erst dann auf, wenn er mit dem Proprietaire sich gepaart fühlt — er will also in einer Maison bourgeoise studirt sein. Weder im Hotel garni, wo er seine innerste Natur abstreift, noch im Hotel eines Finanzkönigs oder eines Aristokraten, wo er eine kümmerliche Nachäffung des stattlichen Suisse von ehemals geworden — ist der Concierge er selbst. Der Concierge in Paris hat folgende Attribute, welche sofort die ganze Wichtigkeit seiner Person in das klarste Licht stellen werden. Er vermiethet die Wohnungen und stattet dem Eigenthümer Bericht über seine Inwohner ab. Wem er ein schlechtes Zeugniß ablegt, der wird durch die Folter einer fort¬ schreitenden Steigerung zum Geständnis) seiner Schuld gebracht oder durch eine Aufkündigung mit kurzem Processe aus der Welt geschafft. Der Concierge ist legitimer Eigenthümer sämmtlicher Cölibataire, er schafft mit ihnen wie mit seinem Gute, die kühnsten Emancipationsversuche haben höchstens dahin geführt, daß das patriarchalische Eigenthumsverhältniß der Familie in einfache Bevormundung gemildert wurde. Dieses Recht gibt der Pariser Concierge nie auf: als Vor¬ mund mengt er sich in alle Angelegenheiten seiner Mündel, er liest ihre Jour¬ nale, er guckt in ihre Briefe, er empfängt oder weist ihre Besuche zurück — nach Gutdünken ist er der Wächter ihrer Tugend und verbietet jeder ver¬ führerischen Gelegenheit, die in Gestalt einer Soubrette, Grisette oder Lorette

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/394>, abgerufen am 22.07.2024.