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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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nach Vorschrift des Bundes den Ständen zur Beistimmung vorlegen soll, durch
Verordnung eigenmächtig ab, ja, er erläßt diese Verordnung noch während des
Beisammenseins der Stände. Als endlich die zweite Kammer sich im November
ermannt, als die Erklärungen von jeder der beiden Kammern in verschiedener
Weise erfolgen, um die ständischen Rechte zu wahren, schließt er plötzlich die
Ständeversammlung, ohne beiden Kammern nur die Zeit zu lassen, sich wenig¬
stens über die in ihren respectiven Erklärungen liegenden Differenzen zu ver¬
ständigen. Die beiden Kammern hatten aber nach der provisorischen Geschäfts¬
ordnung, welche auf Anordnung und unter, Beistimmung des Bundes erlassen
ist, ein vollkommenes Recht, über ihre übriggebliebenen Differenzpunkte in einem
Conferenzausschusse eine Einigung anzustreben. Indem sie hierauf ihren An¬
trag stellten, thaten sie nur, was ihnen der Bund vorgeschrieben, und was
sich der Natur der Sache nach von selbst versteht. Nach der Schließung der
Ständeversammlung wird sodann ein Landtagsabschied erlassen, als ob die
Stände ihre Ausgabe erfüllt und alles berathen und beschlossen hätten, was
ihnen von Bundeswegen vorgelegt war. Aber von allem war doch nichts er¬
ledigt; nicht Verfassung, nicht Wahlgesetz, nicht Geschäftsordnung; letztere beide
waren noch gar nicht zur Berathung gekommen; kein einziges jener provisori¬
schen Gesetze, welche angeblich auf Veranlassung von Buudescommissarien, unter
Vorbehalt der Zustimmung der Stände, und wie es in dem Bericht der
Commissarien an den Bund sogar heißt, der demnächst zusammentreten¬
der Stände, erschienen waren.

Mit diesem Gewaltschritte war aber der Minister noch immer nicht am
Ende. In dem Landtagsabschiede will er schon mit der bloßen Vorlage der
provisorischen Gesetze an die Stände die Giltigkeit derselben, auch ohne Bei¬
stimmung der letzteren, erlangt haben. Das Budget stellt er ohne weiteres,
ohne es mit den Ständen zu vereinbaren,. durch Verordnung im Gesetzblatt
fest. Durch Verordnung ändert er die Gemeindeordnung und entzieht einer
großen Anzahl von Personen das ihnen nach dem Gesetze von zukom¬
mende Bürgerrecht; -- entzieht ihnen damit das ihnen vom Bunde zu-
ertheilte active, beziehungsweise passive Wahlrecht zur Stände¬
versammlung.

Der Bundesbeschluß, durch welchen der kurhessischen Negierung die
Vorlage der provisorischen Verfassung an die Stände, zu deren Erklärung auf¬
gegeben wurde, enthält zugleich die Auflage "sie der in Gemäßheit dieser pro¬
visorischen Verfassung und des provisorischen Wahlgesetzes einzuberufenden
Ständeversammlung vorzulegen." Der Bundesbeschluß sagt aber nicht, daß
Hassenpflug mit irgendeiner, vielleicht nach zehnmaliger Auflösung gebil¬
deten Ständeversammlung die Sache etwa nach zwanzig Jahren erledigen,
fondern daß er der auf Grund des unter Bundesautorität erlassenen Wahl-


nach Vorschrift des Bundes den Ständen zur Beistimmung vorlegen soll, durch
Verordnung eigenmächtig ab, ja, er erläßt diese Verordnung noch während des
Beisammenseins der Stände. Als endlich die zweite Kammer sich im November
ermannt, als die Erklärungen von jeder der beiden Kammern in verschiedener
Weise erfolgen, um die ständischen Rechte zu wahren, schließt er plötzlich die
Ständeversammlung, ohne beiden Kammern nur die Zeit zu lassen, sich wenig¬
stens über die in ihren respectiven Erklärungen liegenden Differenzen zu ver¬
ständigen. Die beiden Kammern hatten aber nach der provisorischen Geschäfts¬
ordnung, welche auf Anordnung und unter, Beistimmung des Bundes erlassen
ist, ein vollkommenes Recht, über ihre übriggebliebenen Differenzpunkte in einem
Conferenzausschusse eine Einigung anzustreben. Indem sie hierauf ihren An¬
trag stellten, thaten sie nur, was ihnen der Bund vorgeschrieben, und was
sich der Natur der Sache nach von selbst versteht. Nach der Schließung der
Ständeversammlung wird sodann ein Landtagsabschied erlassen, als ob die
Stände ihre Ausgabe erfüllt und alles berathen und beschlossen hätten, was
ihnen von Bundeswegen vorgelegt war. Aber von allem war doch nichts er¬
ledigt; nicht Verfassung, nicht Wahlgesetz, nicht Geschäftsordnung; letztere beide
waren noch gar nicht zur Berathung gekommen; kein einziges jener provisori¬
schen Gesetze, welche angeblich auf Veranlassung von Buudescommissarien, unter
Vorbehalt der Zustimmung der Stände, und wie es in dem Bericht der
Commissarien an den Bund sogar heißt, der demnächst zusammentreten¬
der Stände, erschienen waren.

Mit diesem Gewaltschritte war aber der Minister noch immer nicht am
Ende. In dem Landtagsabschiede will er schon mit der bloßen Vorlage der
provisorischen Gesetze an die Stände die Giltigkeit derselben, auch ohne Bei¬
stimmung der letzteren, erlangt haben. Das Budget stellt er ohne weiteres,
ohne es mit den Ständen zu vereinbaren,. durch Verordnung im Gesetzblatt
fest. Durch Verordnung ändert er die Gemeindeordnung und entzieht einer
großen Anzahl von Personen das ihnen nach dem Gesetze von zukom¬
mende Bürgerrecht; — entzieht ihnen damit das ihnen vom Bunde zu-
ertheilte active, beziehungsweise passive Wahlrecht zur Stände¬
versammlung.

Der Bundesbeschluß, durch welchen der kurhessischen Negierung die
Vorlage der provisorischen Verfassung an die Stände, zu deren Erklärung auf¬
gegeben wurde, enthält zugleich die Auflage „sie der in Gemäßheit dieser pro¬
visorischen Verfassung und des provisorischen Wahlgesetzes einzuberufenden
Ständeversammlung vorzulegen." Der Bundesbeschluß sagt aber nicht, daß
Hassenpflug mit irgendeiner, vielleicht nach zehnmaliger Auflösung gebil¬
deten Ständeversammlung die Sache etwa nach zwanzig Jahren erledigen,
fondern daß er der auf Grund des unter Bundesautorität erlassenen Wahl-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/340>, abgerufen am 25.08.2024.