Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

"in Umstand, der für seine Absicht spricht, auf eine Offensive gegen diese Macht,
mindestens im Süden, zu verzichten. Das Wiener Cabinet seinerseits hat die¬
sen Rückgang benutzt, um, im Einverständniß mit der Pforte, das frei gewor¬
dene Gebiet militärisch in Besitz zu nehmen; es hat. Braila und Galacz be¬
setzen lassen, und schon jetzt kann nicht verkannt werden, daß die militärische
Situation Oestreichs, Nußland gegenüber, dadurch eine wesentlich vortheil¬
haftere geworden ist. Zunächst, (und das muß auch dem Laien im Kriegs¬
wesen sofort in die Augen fallen) ist die strategische Fronte des habsburgischen
Kaiserstaates dadurch bedeutend abgekürzt worden, was unter den obwaltenden
Umständen durchaus als ein Vortheil angesehen werden muß. Sodann ist für
den rechten Flügel, indem derselbe, bei Braila und Galacz, an die Donau
angelehnt wurde, ein Stützpunkt gewonnen worden, der von solcher Stärke
auf der siebenbürgischen Fronte nicht zu finden gewesen sein würde. Was
mehr als das alles wiegt, ist aber der Umstand, daß durch die rechtswärtige
Vorschiebung beide östreichische Flügel sozusagen lauf dieselbe strategische
Höhe gebracht worden sind. Rückgebogen wie er früher war, nahm der Süd¬
flügel zwar jeden russischen Vormarsch gegen den Balkan in die Flanke und
den Rücken, aber et' ermangelte der Fähigkeit, das eigne Centrum zu unter¬
stützen. Die nunmehrige Aufstellung leistet 5ich ziemlich vollständig, wenn
schon sie immer noch eine Fronte mit rückgebogenen Flügeln repräsentirt, und
es strategisch vortheilhafter sein würde, letztere soweit vorzuschieben, daß sie
mit dem Centrum in eine gerade Linie fielen. Denn es ist klar, daß ein
feindlicher Einbruch in die östreichische Fronte von den Flügeln derselben um
so eher in die Flanke genommen sein wird, je weiter-diese vorliegen.

Dieses strategische Höhenverhältniß der Stellung der Flügel zu der des
Centrums ist so wichtig, daß ich nicht umhin kann, dem darüber Gesagten
noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. Die gemeinsame Action aller, auf
einer weitgedehnten Angriffslinie versammelten Streitmassen wird erst dann
erreicht, wenn dieselben nach einem Ziele hin, also concentrisch, zu wirken
vermögen. Will Oestreich daher die Offensive und zwar mit Entschiedenheit
gegen Rußland ergreifen, so wird es die Aufgabe seiner ersten Operationen
sein, die Grundform seiner Aufstellung zu verbessern.


Die mit dem jüngsten hier angelangten Dampfschiff eingegangenen Nach¬
richten sind keineswegs durchweg officielle. Sie setzen sich zusammen aus den
Mittheilungen einiger mit dem Schiff angekommenen Offiziere, aus den Aus¬
sagen von Matrosen und aus dem bruchstückweise bekannt gewordenen Inhalt
von Rapporten und Privatbriefen. Was man darin am meisten vermißt, ist
eine Angabe über den leitenden Faden in den seitherigen Operationen, mit einem


26. October.

«in Umstand, der für seine Absicht spricht, auf eine Offensive gegen diese Macht,
mindestens im Süden, zu verzichten. Das Wiener Cabinet seinerseits hat die¬
sen Rückgang benutzt, um, im Einverständniß mit der Pforte, das frei gewor¬
dene Gebiet militärisch in Besitz zu nehmen; es hat. Braila und Galacz be¬
setzen lassen, und schon jetzt kann nicht verkannt werden, daß die militärische
Situation Oestreichs, Nußland gegenüber, dadurch eine wesentlich vortheil¬
haftere geworden ist. Zunächst, (und das muß auch dem Laien im Kriegs¬
wesen sofort in die Augen fallen) ist die strategische Fronte des habsburgischen
Kaiserstaates dadurch bedeutend abgekürzt worden, was unter den obwaltenden
Umständen durchaus als ein Vortheil angesehen werden muß. Sodann ist für
den rechten Flügel, indem derselbe, bei Braila und Galacz, an die Donau
angelehnt wurde, ein Stützpunkt gewonnen worden, der von solcher Stärke
auf der siebenbürgischen Fronte nicht zu finden gewesen sein würde. Was
mehr als das alles wiegt, ist aber der Umstand, daß durch die rechtswärtige
Vorschiebung beide östreichische Flügel sozusagen lauf dieselbe strategische
Höhe gebracht worden sind. Rückgebogen wie er früher war, nahm der Süd¬
flügel zwar jeden russischen Vormarsch gegen den Balkan in die Flanke und
den Rücken, aber et' ermangelte der Fähigkeit, das eigne Centrum zu unter¬
stützen. Die nunmehrige Aufstellung leistet 5ich ziemlich vollständig, wenn
schon sie immer noch eine Fronte mit rückgebogenen Flügeln repräsentirt, und
es strategisch vortheilhafter sein würde, letztere soweit vorzuschieben, daß sie
mit dem Centrum in eine gerade Linie fielen. Denn es ist klar, daß ein
feindlicher Einbruch in die östreichische Fronte von den Flügeln derselben um
so eher in die Flanke genommen sein wird, je weiter-diese vorliegen.

Dieses strategische Höhenverhältniß der Stellung der Flügel zu der des
Centrums ist so wichtig, daß ich nicht umhin kann, dem darüber Gesagten
noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. Die gemeinsame Action aller, auf
einer weitgedehnten Angriffslinie versammelten Streitmassen wird erst dann
erreicht, wenn dieselben nach einem Ziele hin, also concentrisch, zu wirken
vermögen. Will Oestreich daher die Offensive und zwar mit Entschiedenheit
gegen Rußland ergreifen, so wird es die Aufgabe seiner ersten Operationen
sein, die Grundform seiner Aufstellung zu verbessern.


Die mit dem jüngsten hier angelangten Dampfschiff eingegangenen Nach¬
richten sind keineswegs durchweg officielle. Sie setzen sich zusammen aus den
Mittheilungen einiger mit dem Schiff angekommenen Offiziere, aus den Aus¬
sagen von Matrosen und aus dem bruchstückweise bekannt gewordenen Inhalt
von Rapporten und Privatbriefen. Was man darin am meisten vermißt, ist
eine Angabe über den leitenden Faden in den seitherigen Operationen, mit einem


26. October.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98588"/>
          <p xml:id="ID_870" prev="#ID_869"> «in Umstand, der für seine Absicht spricht, auf eine Offensive gegen diese Macht,<lb/>
mindestens im Süden, zu verzichten. Das Wiener Cabinet seinerseits hat die¬<lb/>
sen Rückgang benutzt, um, im Einverständniß mit der Pforte, das frei gewor¬<lb/>
dene Gebiet militärisch in Besitz zu nehmen; es hat. Braila und Galacz be¬<lb/>
setzen lassen, und schon jetzt kann nicht verkannt werden, daß die militärische<lb/>
Situation Oestreichs, Nußland gegenüber, dadurch eine wesentlich vortheil¬<lb/>
haftere geworden ist. Zunächst, (und das muß auch dem Laien im Kriegs¬<lb/>
wesen sofort in die Augen fallen) ist die strategische Fronte des habsburgischen<lb/>
Kaiserstaates dadurch bedeutend abgekürzt worden, was unter den obwaltenden<lb/>
Umständen durchaus als ein Vortheil angesehen werden muß. Sodann ist für<lb/>
den rechten Flügel, indem derselbe, bei Braila und Galacz, an die Donau<lb/>
angelehnt wurde, ein Stützpunkt gewonnen worden, der von solcher Stärke<lb/>
auf der siebenbürgischen Fronte nicht zu finden gewesen sein würde. Was<lb/>
mehr als das alles wiegt, ist aber der Umstand, daß durch die rechtswärtige<lb/>
Vorschiebung beide östreichische Flügel sozusagen lauf dieselbe strategische<lb/>
Höhe gebracht worden sind. Rückgebogen wie er früher war, nahm der Süd¬<lb/>
flügel zwar jeden russischen Vormarsch gegen den Balkan in die Flanke und<lb/>
den Rücken, aber et' ermangelte der Fähigkeit, das eigne Centrum zu unter¬<lb/>
stützen. Die nunmehrige Aufstellung leistet 5ich ziemlich vollständig, wenn<lb/>
schon sie immer noch eine Fronte mit rückgebogenen Flügeln repräsentirt, und<lb/>
es strategisch vortheilhafter sein würde, letztere soweit vorzuschieben, daß sie<lb/>
mit dem Centrum in eine gerade Linie fielen. Denn es ist klar, daß ein<lb/>
feindlicher Einbruch in die östreichische Fronte von den Flügeln derselben um<lb/>
so eher in die Flanke genommen sein wird, je weiter-diese vorliegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_871"> Dieses strategische Höhenverhältniß der Stellung der Flügel zu der des<lb/>
Centrums ist so wichtig, daß ich nicht umhin kann, dem darüber Gesagten<lb/>
noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. Die gemeinsame Action aller, auf<lb/>
einer weitgedehnten Angriffslinie versammelten Streitmassen wird erst dann<lb/>
erreicht, wenn dieselben nach einem Ziele hin, also concentrisch, zu wirken<lb/>
vermögen. Will Oestreich daher die Offensive und zwar mit Entschiedenheit<lb/>
gegen Rußland ergreifen, so wird es die Aufgabe seiner ersten Operationen<lb/>
sein, die Grundform seiner Aufstellung zu verbessern.</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 26. October.</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_872" next="#ID_873"> Die mit dem jüngsten hier angelangten Dampfschiff eingegangenen Nach¬<lb/>
richten sind keineswegs durchweg officielle. Sie setzen sich zusammen aus den<lb/>
Mittheilungen einiger mit dem Schiff angekommenen Offiziere, aus den Aus¬<lb/>
sagen von Matrosen und aus dem bruchstückweise bekannt gewordenen Inhalt<lb/>
von Rapporten und Privatbriefen. Was man darin am meisten vermißt, ist<lb/>
eine Angabe über den leitenden Faden in den seitherigen Operationen, mit einem</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0274] «in Umstand, der für seine Absicht spricht, auf eine Offensive gegen diese Macht, mindestens im Süden, zu verzichten. Das Wiener Cabinet seinerseits hat die¬ sen Rückgang benutzt, um, im Einverständniß mit der Pforte, das frei gewor¬ dene Gebiet militärisch in Besitz zu nehmen; es hat. Braila und Galacz be¬ setzen lassen, und schon jetzt kann nicht verkannt werden, daß die militärische Situation Oestreichs, Nußland gegenüber, dadurch eine wesentlich vortheil¬ haftere geworden ist. Zunächst, (und das muß auch dem Laien im Kriegs¬ wesen sofort in die Augen fallen) ist die strategische Fronte des habsburgischen Kaiserstaates dadurch bedeutend abgekürzt worden, was unter den obwaltenden Umständen durchaus als ein Vortheil angesehen werden muß. Sodann ist für den rechten Flügel, indem derselbe, bei Braila und Galacz, an die Donau angelehnt wurde, ein Stützpunkt gewonnen worden, der von solcher Stärke auf der siebenbürgischen Fronte nicht zu finden gewesen sein würde. Was mehr als das alles wiegt, ist aber der Umstand, daß durch die rechtswärtige Vorschiebung beide östreichische Flügel sozusagen lauf dieselbe strategische Höhe gebracht worden sind. Rückgebogen wie er früher war, nahm der Süd¬ flügel zwar jeden russischen Vormarsch gegen den Balkan in die Flanke und den Rücken, aber et' ermangelte der Fähigkeit, das eigne Centrum zu unter¬ stützen. Die nunmehrige Aufstellung leistet 5ich ziemlich vollständig, wenn schon sie immer noch eine Fronte mit rückgebogenen Flügeln repräsentirt, und es strategisch vortheilhafter sein würde, letztere soweit vorzuschieben, daß sie mit dem Centrum in eine gerade Linie fielen. Denn es ist klar, daß ein feindlicher Einbruch in die östreichische Fronte von den Flügeln derselben um so eher in die Flanke genommen sein wird, je weiter-diese vorliegen. Dieses strategische Höhenverhältniß der Stellung der Flügel zu der des Centrums ist so wichtig, daß ich nicht umhin kann, dem darüber Gesagten noch einige Bemerkungen hinzuzufügen. Die gemeinsame Action aller, auf einer weitgedehnten Angriffslinie versammelten Streitmassen wird erst dann erreicht, wenn dieselben nach einem Ziele hin, also concentrisch, zu wirken vermögen. Will Oestreich daher die Offensive und zwar mit Entschiedenheit gegen Rußland ergreifen, so wird es die Aufgabe seiner ersten Operationen sein, die Grundform seiner Aufstellung zu verbessern. Die mit dem jüngsten hier angelangten Dampfschiff eingegangenen Nach¬ richten sind keineswegs durchweg officielle. Sie setzen sich zusammen aus den Mittheilungen einiger mit dem Schiff angekommenen Offiziere, aus den Aus¬ sagen von Matrosen und aus dem bruchstückweise bekannt gewordenen Inhalt von Rapporten und Privatbriefen. Was man darin am meisten vermißt, ist eine Angabe über den leitenden Faden in den seitherigen Operationen, mit einem 26. October.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/274
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/274>, abgerufen am 22.07.2024.