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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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voraus. Sowie derjenige, welcher nicht frei ist, zunächst keinen Grundbesitz
innerhalb der Grenzen der Gemeinde haben darf, so ist der, welcher daselbst
keinen Grundbesitz hat, nicht vollkommen frei, mochte sein persönlicher Rang
sein, welcher er wollte."

Die einzelnen Betrachtungen, welche aus der Erwägung dieser Grund¬
sätze in ihrer fortschreitenden Entwicklung hervorgehen, finden in den verschie¬
denen Capiteln dieses Werks ihren Platz: es behandelt den Grundbesitz der
Gemeinden und der einzelnen, das Wesen und die Zufälligkeiten der Besitz¬
arten, die Unterschiede und Privilegien der einzelnen Classen von Staats-
genossen, der gemeinfreien Adligen und Sklaven, und die Einrichtung, durch
welche die Angelsachsen eine gegenseitige Sicherstellung des Lebens, der Ehre
und des friedlichen Besitzes zu begründen versucht hatten. Dies sind die ersten
Grundlagen und rohen Anfänge des englischen Rechts, und darin gleicht das¬
selbe dem System, welches die germanischen Eroberer in jedem Staate ein¬
führten, den sie auf den Ruinen der römischen Macht gründeten.

Nachdem der Verfasser in der hier angegebenen Methode die Ansicdlungs-
verhältnisse der Sachsen und deren Feststellung durch das Gesetz entwickelt,
geht er auf die Darstellung des sächsischen Heidenthums über. "Die Vorsorge
oder die Verachtung der ältesten sächsischen Christen haben nur sparsame Nach¬
richten von dem übrig gelassen, was Augustinus und die übrigen in England
thätig gewesenen Missionare überwanden. Gelegentliche Angaben sind alles,
was davon in irgendeinem Theile des germanischen Europa übrig ist; und
auf dem Festlande sowol, wie in England kam man nur durch die Vergleichung
geringfügiger und einzeln stehender Thatsachen -- die uns oft nur im Volks¬
aberglauben, in Sagen und sogar Ammenmärchen erhalten sind, -- wahr¬
scheinlich machen , daß ein religiöser Glaube dort heimisch gewesen sei, der in
seinen charakteristischsten Grundzügen mit demjenigen übereingestimmt habe,
welcher, wie wir wissen, in Skandinavien anerkannt war. Doch was wir auf
diesem Wege auch erforschen, beweist, daß in allen wesentlichen Punkten der
Glaube der Jnselsachsen auch der ihrer festländischen Volksgenossen war.

Man wird leicht einsehen, daß der Versuch, das nachzuweisen, nicht ohne
Schwierigkeit ist. Die frühe Zeit, in welcher das Christenthum siegreich in
England eindrang, vermehrt die Schwierigkeiten, welche ohnehin schon den
Gegenstand umgeben. Norwegen, Schweden und Dänemark traten lange vor
dem Sturze ihres alten Glaubens in politische Beziehung zu dem übrigen
Theile von Europa; hier waren der Fall des Heidenthums und der Beginn
der beschichte gleichzeitig; wir hatten außerdem kein Island, welches denen
einen Zufluchtsort bot, die vor der gewaltsamen, mit dem Schwerte in der
Hand, gepredigten und mit dem Verlust politischer Unabhängigkeit verbundenen
Bekehrung flüchteten; doch scheinen die Fortschritte des neuen Glaubens bei


voraus. Sowie derjenige, welcher nicht frei ist, zunächst keinen Grundbesitz
innerhalb der Grenzen der Gemeinde haben darf, so ist der, welcher daselbst
keinen Grundbesitz hat, nicht vollkommen frei, mochte sein persönlicher Rang
sein, welcher er wollte."

Die einzelnen Betrachtungen, welche aus der Erwägung dieser Grund¬
sätze in ihrer fortschreitenden Entwicklung hervorgehen, finden in den verschie¬
denen Capiteln dieses Werks ihren Platz: es behandelt den Grundbesitz der
Gemeinden und der einzelnen, das Wesen und die Zufälligkeiten der Besitz¬
arten, die Unterschiede und Privilegien der einzelnen Classen von Staats-
genossen, der gemeinfreien Adligen und Sklaven, und die Einrichtung, durch
welche die Angelsachsen eine gegenseitige Sicherstellung des Lebens, der Ehre
und des friedlichen Besitzes zu begründen versucht hatten. Dies sind die ersten
Grundlagen und rohen Anfänge des englischen Rechts, und darin gleicht das¬
selbe dem System, welches die germanischen Eroberer in jedem Staate ein¬
führten, den sie auf den Ruinen der römischen Macht gründeten.

Nachdem der Verfasser in der hier angegebenen Methode die Ansicdlungs-
verhältnisse der Sachsen und deren Feststellung durch das Gesetz entwickelt,
geht er auf die Darstellung des sächsischen Heidenthums über. „Die Vorsorge
oder die Verachtung der ältesten sächsischen Christen haben nur sparsame Nach¬
richten von dem übrig gelassen, was Augustinus und die übrigen in England
thätig gewesenen Missionare überwanden. Gelegentliche Angaben sind alles,
was davon in irgendeinem Theile des germanischen Europa übrig ist; und
auf dem Festlande sowol, wie in England kam man nur durch die Vergleichung
geringfügiger und einzeln stehender Thatsachen — die uns oft nur im Volks¬
aberglauben, in Sagen und sogar Ammenmärchen erhalten sind, — wahr¬
scheinlich machen , daß ein religiöser Glaube dort heimisch gewesen sei, der in
seinen charakteristischsten Grundzügen mit demjenigen übereingestimmt habe,
welcher, wie wir wissen, in Skandinavien anerkannt war. Doch was wir auf
diesem Wege auch erforschen, beweist, daß in allen wesentlichen Punkten der
Glaube der Jnselsachsen auch der ihrer festländischen Volksgenossen war.

Man wird leicht einsehen, daß der Versuch, das nachzuweisen, nicht ohne
Schwierigkeit ist. Die frühe Zeit, in welcher das Christenthum siegreich in
England eindrang, vermehrt die Schwierigkeiten, welche ohnehin schon den
Gegenstand umgeben. Norwegen, Schweden und Dänemark traten lange vor
dem Sturze ihres alten Glaubens in politische Beziehung zu dem übrigen
Theile von Europa; hier waren der Fall des Heidenthums und der Beginn
der beschichte gleichzeitig; wir hatten außerdem kein Island, welches denen
einen Zufluchtsort bot, die vor der gewaltsamen, mit dem Schwerte in der
Hand, gepredigten und mit dem Verlust politischer Unabhängigkeit verbundenen
Bekehrung flüchteten; doch scheinen die Fortschritte des neuen Glaubens bei


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/261>, abgerufen am 25.08.2024.