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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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irrungen beigetragen haben, wie denn auch dieses Institut der Kampfrichter
noch bei jedem Sängerfeste Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben hat und Schuld
ist, daß manche Vereine, die sich hintangesetzt glaubten, sich gar nicht mehr beim
Wettsingen betheiligen. So hatte vor einigen Jahren die Frage, ob die Kuh¬
reiher der Appenzeller zum Wettsingen zugelassen werden dürften, lebhafte
Debatten in einem solchen Kampfgerichte hervorgerufen, Kücken, den ein reicher
Appenzeller auf eigne Kosten nach dem Appenzeller Lande geladen hatte, um
seine gesangeslustigen Landsleute mit ihren hellen Tenorstimmen im Gesänge
auszubilden, soll sich für die Zulassung ausgesprochen haben; die andern Kampf¬
richter sprachen dagegen den Jodlern den musikalischen Werth ab. So kam es,
daß die Appenzeller nicht den Rang erhielten, den sie für ihre Leistungen sich
versprachen, und den der Beifall des Publicums ihnen gewährte, und seit dieser
Zeit haben sie sich von den eidgenössischen Sängerfesten zurückgezogen. Aehn-
liches passirte auch in Winterthur. Der Verein von Altdorf, der zum ersten
Male das eidgenössische Sängerfest besuchte, war von dem Kampfgerichte an
'den letzten Platz gesetzt worden, und zog zornig ab, ohne die ihm zugedachte
Ehrengabe in Empfang zu nehmen.

Der zweite Tag des Festes versammelte die Sänger, die sich von den
Anstrengungen des in der Sängerhalle froh verlebten Abends erholt hatten,
zu einem Orgelconcerte in der Hauptkirche und dann zur, Probe der Haupt-
aufsührnng. Diese fand Nachmittags in der großen Sängerhallc statt. Der
Eindruck dieser von 2000 Sängern aufgeführten Chöre war mächtig, doch nicht
so gewaltig, als man es von dieser Tonmasse erwartet hatte, eine Erfahrung
die man auch schon bei den Sängerfesten gemacht, die nicht in hölzernen Hallen,
sondern in gut akustisch gebauten Kirchen gehalten wurden. ' Auffallend war,
daß, während bei andern Sängerfesten die Wettgesänge mehr versprachen als
die Gesammtau'sführung, dieses Mal die Stimme des Publicums sich eher zu
Gunsten der letztern aussprach, was wir dem schon von uns gerügten zu gleich¬
artigen Charakter der Wettgesänge und ihrer zu. großen Anzahl zuschreiben.

Der Nest des Tages war der Eröffnung des Spruches der Kampfrichter,
der Uebergabe der Preise und den Freuden der Tafel und des Bechers geweiht.
Schnyder von Wartensee als Vorsitzer des Kampfgerichtes eröffnete den Spruch
und würzte die Ueberreichung der Ehrengaben mit manchem launigen Spruche
in seiner Luzerner Mundart. Gewaltigen Jubel erregte es, als der Stuttgarter
Verein (der einzige deutsche, der am Feste theilnahm) hervorgerufen und mit
einem prächtigen Trinkhorn als Erinnerungszeichen an die froh verlebten
Stunden bedacht wurde. So sehr es auch manchen drücken mochte, beim
Bankette in der Sängerhälle seiner gehobenen Stimmung in einem Trinksprüche
, Ausdruck zu geben, so ließ doch der. stürmische Festjubel niemand zu Worte
kommen; einzig dem Redner der Stuttgarter horchte man.


irrungen beigetragen haben, wie denn auch dieses Institut der Kampfrichter
noch bei jedem Sängerfeste Anlaß zur Unzufriedenheit gegeben hat und Schuld
ist, daß manche Vereine, die sich hintangesetzt glaubten, sich gar nicht mehr beim
Wettsingen betheiligen. So hatte vor einigen Jahren die Frage, ob die Kuh¬
reiher der Appenzeller zum Wettsingen zugelassen werden dürften, lebhafte
Debatten in einem solchen Kampfgerichte hervorgerufen, Kücken, den ein reicher
Appenzeller auf eigne Kosten nach dem Appenzeller Lande geladen hatte, um
seine gesangeslustigen Landsleute mit ihren hellen Tenorstimmen im Gesänge
auszubilden, soll sich für die Zulassung ausgesprochen haben; die andern Kampf¬
richter sprachen dagegen den Jodlern den musikalischen Werth ab. So kam es,
daß die Appenzeller nicht den Rang erhielten, den sie für ihre Leistungen sich
versprachen, und den der Beifall des Publicums ihnen gewährte, und seit dieser
Zeit haben sie sich von den eidgenössischen Sängerfesten zurückgezogen. Aehn-
liches passirte auch in Winterthur. Der Verein von Altdorf, der zum ersten
Male das eidgenössische Sängerfest besuchte, war von dem Kampfgerichte an
'den letzten Platz gesetzt worden, und zog zornig ab, ohne die ihm zugedachte
Ehrengabe in Empfang zu nehmen.

Der zweite Tag des Festes versammelte die Sänger, die sich von den
Anstrengungen des in der Sängerhalle froh verlebten Abends erholt hatten,
zu einem Orgelconcerte in der Hauptkirche und dann zur, Probe der Haupt-
aufsührnng. Diese fand Nachmittags in der großen Sängerhallc statt. Der
Eindruck dieser von 2000 Sängern aufgeführten Chöre war mächtig, doch nicht
so gewaltig, als man es von dieser Tonmasse erwartet hatte, eine Erfahrung
die man auch schon bei den Sängerfesten gemacht, die nicht in hölzernen Hallen,
sondern in gut akustisch gebauten Kirchen gehalten wurden. ' Auffallend war,
daß, während bei andern Sängerfesten die Wettgesänge mehr versprachen als
die Gesammtau'sführung, dieses Mal die Stimme des Publicums sich eher zu
Gunsten der letztern aussprach, was wir dem schon von uns gerügten zu gleich¬
artigen Charakter der Wettgesänge und ihrer zu. großen Anzahl zuschreiben.

Der Nest des Tages war der Eröffnung des Spruches der Kampfrichter,
der Uebergabe der Preise und den Freuden der Tafel und des Bechers geweiht.
Schnyder von Wartensee als Vorsitzer des Kampfgerichtes eröffnete den Spruch
und würzte die Ueberreichung der Ehrengaben mit manchem launigen Spruche
in seiner Luzerner Mundart. Gewaltigen Jubel erregte es, als der Stuttgarter
Verein (der einzige deutsche, der am Feste theilnahm) hervorgerufen und mit
einem prächtigen Trinkhorn als Erinnerungszeichen an die froh verlebten
Stunden bedacht wurde. So sehr es auch manchen drücken mochte, beim
Bankette in der Sängerhälle seiner gehobenen Stimmung in einem Trinksprüche
, Ausdruck zu geben, so ließ doch der. stürmische Festjubel niemand zu Worte
kommen; einzig dem Redner der Stuttgarter horchte man.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/22>, abgerufen am 22.07.2024.