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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Grade, wie früher, daran erfreuen; denn wir sehen sich alles mehr nach dem
Häßlichen hinneigen, und schon zur Manier weiden. Seine sonst große Le¬
bendigkeit und Wahrheit der Darstellung aber suchen wir hier bisweilen ver¬
gebens; selbst abgesehen von dem Uninteressanten der Motive, wird uns nicht,
einmal das Interesse geboten, das wir stets an wahr und lebendig dargestellter
Natur nehmen. Es ist mehr äußere Bewegung als wirkliches Leben in den
Figuren. Wir möchten nicht gern mißverstanden werden; daß wir uns einem
sehr talentvollen Künstler gegenüberbefinden, sehen wir auch an diesem Bilde;
aber um so größer muß unser Bedauern sein, wenn wir sehen, daß er nicht
allein das nicht leistet, was er leisten könnte, sondern daß er sich auf dem
Wege zur Manier befindet, der bei der Jugend des Künstlers um so gefähr¬
licher ist. Möchte uns das Talent des Herrn Kraus in seiner ganzen Kraft
erhalten bleiben!

Friedrich Eduard Meyerheim hat dies Mal einige besonders hübsche
Bildchen geliefert, die ich nicht weiter- näher besprechen will. Die Gegenstände
sind einfach, aber es ist immer ein besonderer naiver Reiz darin, und der
Wunsch, daß Hr. Meyerheim eine etwas kräftigere Farbe und Behandlung sich
aneignete, möchten wir wiederholt aussprechen.

Carl-Becker hat wieder mehre Bilder mit dem bekannten Farbenreiz
und der bekannten Inhaltslosigkeit gebracht; das wird doch am Ende langweilig.

Einige Bilder von Hosemann, z. B. "Tanzende Erdarbeiter,
Kegelbahn, Stelldichein auf dem Lande, sind alle von entschiedener
Komik, aber sie streifen zu sehr an die Caricatur, als daß man rechten Ge¬
fallen daran finden könnte.

. Unter den übrigen Genrebildern ist noch manches nicht ohne Verdienst,
doch ist grade keins'so hervorragend, daß ichs vor andern erwähnen möchte.
Also zur Landschaft. Hier gebührt ohne Zweifel

Calames "Schweizerlandschaft" der erste Preis. Da ist Stimmung
und Duft einer großen schönen Natur mit überzeugender Wahrheit versinnlicht.
Nichts stört die Harmonie, nichts erinnert daran, daß dieser Zauber durch
materielle Mittel hervorgebracht ist; und wenn wir nun doch genauer zusehen,
wie der Künstler es gemacht, dann freuen wir uns doppelt über die einfachen
Mittel und die sichere, aber anspruchslose Behandlung, die immer den Haupt¬
zweck, die Stimmung, den ganzen Eindruck im Auge haltend das Geltend¬
machen des Details verschmähte (obgleich wir bei näherer Betrachtung finden,
daß ihm sein volles Recht geschehen ist); vor allem aber jeder Koketterie fern¬
blieb und eben auf diesem Wege so Schönes erreichte.

Pape in seiner Landschaft: "der Reichend ach auf Rosen laui" hat
wol ein ähnliches Streben, und mit diesem Streben auch ein vortreffliche-s
Bild gegeben, aber diese fesselnde Einheit der Stimmung ist doch nicht darin;


Grade, wie früher, daran erfreuen; denn wir sehen sich alles mehr nach dem
Häßlichen hinneigen, und schon zur Manier weiden. Seine sonst große Le¬
bendigkeit und Wahrheit der Darstellung aber suchen wir hier bisweilen ver¬
gebens; selbst abgesehen von dem Uninteressanten der Motive, wird uns nicht,
einmal das Interesse geboten, das wir stets an wahr und lebendig dargestellter
Natur nehmen. Es ist mehr äußere Bewegung als wirkliches Leben in den
Figuren. Wir möchten nicht gern mißverstanden werden; daß wir uns einem
sehr talentvollen Künstler gegenüberbefinden, sehen wir auch an diesem Bilde;
aber um so größer muß unser Bedauern sein, wenn wir sehen, daß er nicht
allein das nicht leistet, was er leisten könnte, sondern daß er sich auf dem
Wege zur Manier befindet, der bei der Jugend des Künstlers um so gefähr¬
licher ist. Möchte uns das Talent des Herrn Kraus in seiner ganzen Kraft
erhalten bleiben!

Friedrich Eduard Meyerheim hat dies Mal einige besonders hübsche
Bildchen geliefert, die ich nicht weiter- näher besprechen will. Die Gegenstände
sind einfach, aber es ist immer ein besonderer naiver Reiz darin, und der
Wunsch, daß Hr. Meyerheim eine etwas kräftigere Farbe und Behandlung sich
aneignete, möchten wir wiederholt aussprechen.

Carl-Becker hat wieder mehre Bilder mit dem bekannten Farbenreiz
und der bekannten Inhaltslosigkeit gebracht; das wird doch am Ende langweilig.

Einige Bilder von Hosemann, z. B. „Tanzende Erdarbeiter,
Kegelbahn, Stelldichein auf dem Lande, sind alle von entschiedener
Komik, aber sie streifen zu sehr an die Caricatur, als daß man rechten Ge¬
fallen daran finden könnte.

. Unter den übrigen Genrebildern ist noch manches nicht ohne Verdienst,
doch ist grade keins'so hervorragend, daß ichs vor andern erwähnen möchte.
Also zur Landschaft. Hier gebührt ohne Zweifel

Calames „Schweizerlandschaft" der erste Preis. Da ist Stimmung
und Duft einer großen schönen Natur mit überzeugender Wahrheit versinnlicht.
Nichts stört die Harmonie, nichts erinnert daran, daß dieser Zauber durch
materielle Mittel hervorgebracht ist; und wenn wir nun doch genauer zusehen,
wie der Künstler es gemacht, dann freuen wir uns doppelt über die einfachen
Mittel und die sichere, aber anspruchslose Behandlung, die immer den Haupt¬
zweck, die Stimmung, den ganzen Eindruck im Auge haltend das Geltend¬
machen des Details verschmähte (obgleich wir bei näherer Betrachtung finden,
daß ihm sein volles Recht geschehen ist); vor allem aber jeder Koketterie fern¬
blieb und eben auf diesem Wege so Schönes erreichte.

Pape in seiner Landschaft: „der Reichend ach auf Rosen laui" hat
wol ein ähnliches Streben, und mit diesem Streben auch ein vortreffliche-s
Bild gegeben, aber diese fesselnde Einheit der Stimmung ist doch nicht darin;


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[0215] Grade, wie früher, daran erfreuen; denn wir sehen sich alles mehr nach dem Häßlichen hinneigen, und schon zur Manier weiden. Seine sonst große Le¬ bendigkeit und Wahrheit der Darstellung aber suchen wir hier bisweilen ver¬ gebens; selbst abgesehen von dem Uninteressanten der Motive, wird uns nicht, einmal das Interesse geboten, das wir stets an wahr und lebendig dargestellter Natur nehmen. Es ist mehr äußere Bewegung als wirkliches Leben in den Figuren. Wir möchten nicht gern mißverstanden werden; daß wir uns einem sehr talentvollen Künstler gegenüberbefinden, sehen wir auch an diesem Bilde; aber um so größer muß unser Bedauern sein, wenn wir sehen, daß er nicht allein das nicht leistet, was er leisten könnte, sondern daß er sich auf dem Wege zur Manier befindet, der bei der Jugend des Künstlers um so gefähr¬ licher ist. Möchte uns das Talent des Herrn Kraus in seiner ganzen Kraft erhalten bleiben! Friedrich Eduard Meyerheim hat dies Mal einige besonders hübsche Bildchen geliefert, die ich nicht weiter- näher besprechen will. Die Gegenstände sind einfach, aber es ist immer ein besonderer naiver Reiz darin, und der Wunsch, daß Hr. Meyerheim eine etwas kräftigere Farbe und Behandlung sich aneignete, möchten wir wiederholt aussprechen. Carl-Becker hat wieder mehre Bilder mit dem bekannten Farbenreiz und der bekannten Inhaltslosigkeit gebracht; das wird doch am Ende langweilig. Einige Bilder von Hosemann, z. B. „Tanzende Erdarbeiter, Kegelbahn, Stelldichein auf dem Lande, sind alle von entschiedener Komik, aber sie streifen zu sehr an die Caricatur, als daß man rechten Ge¬ fallen daran finden könnte. . Unter den übrigen Genrebildern ist noch manches nicht ohne Verdienst, doch ist grade keins'so hervorragend, daß ichs vor andern erwähnen möchte. Also zur Landschaft. Hier gebührt ohne Zweifel Calames „Schweizerlandschaft" der erste Preis. Da ist Stimmung und Duft einer großen schönen Natur mit überzeugender Wahrheit versinnlicht. Nichts stört die Harmonie, nichts erinnert daran, daß dieser Zauber durch materielle Mittel hervorgebracht ist; und wenn wir nun doch genauer zusehen, wie der Künstler es gemacht, dann freuen wir uns doppelt über die einfachen Mittel und die sichere, aber anspruchslose Behandlung, die immer den Haupt¬ zweck, die Stimmung, den ganzen Eindruck im Auge haltend das Geltend¬ machen des Details verschmähte (obgleich wir bei näherer Betrachtung finden, daß ihm sein volles Recht geschehen ist); vor allem aber jeder Koketterie fern¬ blieb und eben auf diesem Wege so Schönes erreichte. Pape in seiner Landschaft: „der Reichend ach auf Rosen laui" hat wol ein ähnliches Streben, und mit diesem Streben auch ein vortreffliche-s Bild gegeben, aber diese fesselnde Einheit der Stimmung ist doch nicht darin;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/215>, abgerufen am 22.07.2024.