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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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würde uns zu weit führen, wollten wir bei jeder Figur verweilen. Wir müssen
noch von der Ausführung reden, die nicht minder vortrefflich als die Conception
und ihr vollkommen angemessen ist. Bei dem hier ganz passenden, mehr
naturalistischen Streben ist doch alles zu stark Realistische vermieden und eine
gewisse kräftige, einfache Schönheit, soweit wir sie überhaupt in einem der¬
artigen Bilde wünschen können, bei entschiedener Charakteristik bewahrt. Das
Colorit ist nicht grade bedeutend, aber es ist einfach, wahr und anspruchslos,
dem Gegenstande angemessen; so auch die Behandlung,-die ohne jede Spur
von Koketterie sich unterordnet und nicht bemerkt wird, das Beste, was man
von Behandlung sagen kann. Nichts Störendes ist in dem ganzen Bilde, alles
nur dazu da, das Hauptinteresse zu tragen und zu fördern. -- Der tiefe, er¬
greifende Ausdruck, der bleibt das erste und beste. Wir sind sonst nicht grade
zum Nangiren geneigt, aber diesem Bilde möchten wir doch die erste Stelle
zuerkennen.

Ein gutes Bild voll gemüthlichen Humors ist "der Maler aus der
Studierreise" von Kels. Das Selbstgefühl des Bauers, ob der Ehre, die
ihm widerfährt, pvrträtirt zu werden, ist in seiner übermüthigen Derbheit vor¬
trefflich ausgedrückt, der junge Maler mit seinem feinen, hübschen Prosit und
die gut charakterisirten zuschauenden Bauern dahinter, das alles ist von an¬
ziehender Natur. Die Episoden in der Umgebung sind hier ganz am Platz
und machen die Situation lebendiger; die beiden Jungen, die sich auf dem
Fußboden balgen, und deren einer dem and.ern die Palette des Malers ins
Gesicht schmieren will, sind in ihrer ungeschickten Bewegung von sehr komischer
Wirkung, mißlungen ist nur das drohende Mädchen links im Vorgrunde, sie
hat nicht das reale Leben der andern Figuren, und mau weiß nicht recht, wem
sie droht, auch dürfte sie schöner und in der Ausführung weniger roh sein.

Ein Bild von Meier v. Bremen: "die Heimkehr" ist auch hübsch;
der Husar, der uach überstandnen Kriegsgefahren wohlbehalten heimkehrt, und
nun von Weib und Kindern, von Vater und Mutter empfangen wird, sieht
wirklich recht liebenswürdig aus, wie er nun alle wiederfindet; und alles das
andere, die alte Mutter, die ihm die Arme entgegenbreitet, die Frau, die mit
dem Kinde an der Brust ihm nicht schnell genug entgegeneilen kann. Jedes der
Kinder hat etwas eigenthümlich Anziehendes, aber es fehlt dem Ganzen an
einer gewissen Concentration, so daß mehr die einzelnen Figuren jede für sich,
als das ganze Bild, Interesse und Auge auf sich zieht; es liegt das nicht
allein an der etwas zerstreuten Gruppirung, sondern uoch vielmehr daran, daß
der Ausdruck jeder Figur gleich starke Haltung hat. Wenn man daran den"le,
wie z. B. Tidemand in seinem Bilde es verstand/ das Auge und die Em¬
pfindung für eine Gruppe in Anspruch zu nehmen, so wird man,erst recht finden,
was hier fehlt; daß nämlich die prägnanteste, stärkste Empfindung in wenig

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würde uns zu weit führen, wollten wir bei jeder Figur verweilen. Wir müssen
noch von der Ausführung reden, die nicht minder vortrefflich als die Conception
und ihr vollkommen angemessen ist. Bei dem hier ganz passenden, mehr
naturalistischen Streben ist doch alles zu stark Realistische vermieden und eine
gewisse kräftige, einfache Schönheit, soweit wir sie überhaupt in einem der¬
artigen Bilde wünschen können, bei entschiedener Charakteristik bewahrt. Das
Colorit ist nicht grade bedeutend, aber es ist einfach, wahr und anspruchslos,
dem Gegenstande angemessen; so auch die Behandlung,-die ohne jede Spur
von Koketterie sich unterordnet und nicht bemerkt wird, das Beste, was man
von Behandlung sagen kann. Nichts Störendes ist in dem ganzen Bilde, alles
nur dazu da, das Hauptinteresse zu tragen und zu fördern. — Der tiefe, er¬
greifende Ausdruck, der bleibt das erste und beste. Wir sind sonst nicht grade
zum Nangiren geneigt, aber diesem Bilde möchten wir doch die erste Stelle
zuerkennen.

Ein gutes Bild voll gemüthlichen Humors ist „der Maler aus der
Studierreise" von Kels. Das Selbstgefühl des Bauers, ob der Ehre, die
ihm widerfährt, pvrträtirt zu werden, ist in seiner übermüthigen Derbheit vor¬
trefflich ausgedrückt, der junge Maler mit seinem feinen, hübschen Prosit und
die gut charakterisirten zuschauenden Bauern dahinter, das alles ist von an¬
ziehender Natur. Die Episoden in der Umgebung sind hier ganz am Platz
und machen die Situation lebendiger; die beiden Jungen, die sich auf dem
Fußboden balgen, und deren einer dem and.ern die Palette des Malers ins
Gesicht schmieren will, sind in ihrer ungeschickten Bewegung von sehr komischer
Wirkung, mißlungen ist nur das drohende Mädchen links im Vorgrunde, sie
hat nicht das reale Leben der andern Figuren, und mau weiß nicht recht, wem
sie droht, auch dürfte sie schöner und in der Ausführung weniger roh sein.

Ein Bild von Meier v. Bremen: „die Heimkehr" ist auch hübsch;
der Husar, der uach überstandnen Kriegsgefahren wohlbehalten heimkehrt, und
nun von Weib und Kindern, von Vater und Mutter empfangen wird, sieht
wirklich recht liebenswürdig aus, wie er nun alle wiederfindet; und alles das
andere, die alte Mutter, die ihm die Arme entgegenbreitet, die Frau, die mit
dem Kinde an der Brust ihm nicht schnell genug entgegeneilen kann. Jedes der
Kinder hat etwas eigenthümlich Anziehendes, aber es fehlt dem Ganzen an
einer gewissen Concentration, so daß mehr die einzelnen Figuren jede für sich,
als das ganze Bild, Interesse und Auge auf sich zieht; es liegt das nicht
allein an der etwas zerstreuten Gruppirung, sondern uoch vielmehr daran, daß
der Ausdruck jeder Figur gleich starke Haltung hat. Wenn man daran den"le,
wie z. B. Tidemand in seinem Bilde es verstand/ das Auge und die Em¬
pfindung für eine Gruppe in Anspruch zu nehmen, so wird man,erst recht finden,
was hier fehlt; daß nämlich die prägnanteste, stärkste Empfindung in wenig

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[0213] würde uns zu weit führen, wollten wir bei jeder Figur verweilen. Wir müssen noch von der Ausführung reden, die nicht minder vortrefflich als die Conception und ihr vollkommen angemessen ist. Bei dem hier ganz passenden, mehr naturalistischen Streben ist doch alles zu stark Realistische vermieden und eine gewisse kräftige, einfache Schönheit, soweit wir sie überhaupt in einem der¬ artigen Bilde wünschen können, bei entschiedener Charakteristik bewahrt. Das Colorit ist nicht grade bedeutend, aber es ist einfach, wahr und anspruchslos, dem Gegenstande angemessen; so auch die Behandlung,-die ohne jede Spur von Koketterie sich unterordnet und nicht bemerkt wird, das Beste, was man von Behandlung sagen kann. Nichts Störendes ist in dem ganzen Bilde, alles nur dazu da, das Hauptinteresse zu tragen und zu fördern. — Der tiefe, er¬ greifende Ausdruck, der bleibt das erste und beste. Wir sind sonst nicht grade zum Nangiren geneigt, aber diesem Bilde möchten wir doch die erste Stelle zuerkennen. Ein gutes Bild voll gemüthlichen Humors ist „der Maler aus der Studierreise" von Kels. Das Selbstgefühl des Bauers, ob der Ehre, die ihm widerfährt, pvrträtirt zu werden, ist in seiner übermüthigen Derbheit vor¬ trefflich ausgedrückt, der junge Maler mit seinem feinen, hübschen Prosit und die gut charakterisirten zuschauenden Bauern dahinter, das alles ist von an¬ ziehender Natur. Die Episoden in der Umgebung sind hier ganz am Platz und machen die Situation lebendiger; die beiden Jungen, die sich auf dem Fußboden balgen, und deren einer dem and.ern die Palette des Malers ins Gesicht schmieren will, sind in ihrer ungeschickten Bewegung von sehr komischer Wirkung, mißlungen ist nur das drohende Mädchen links im Vorgrunde, sie hat nicht das reale Leben der andern Figuren, und mau weiß nicht recht, wem sie droht, auch dürfte sie schöner und in der Ausführung weniger roh sein. Ein Bild von Meier v. Bremen: „die Heimkehr" ist auch hübsch; der Husar, der uach überstandnen Kriegsgefahren wohlbehalten heimkehrt, und nun von Weib und Kindern, von Vater und Mutter empfangen wird, sieht wirklich recht liebenswürdig aus, wie er nun alle wiederfindet; und alles das andere, die alte Mutter, die ihm die Arme entgegenbreitet, die Frau, die mit dem Kinde an der Brust ihm nicht schnell genug entgegeneilen kann. Jedes der Kinder hat etwas eigenthümlich Anziehendes, aber es fehlt dem Ganzen an einer gewissen Concentration, so daß mehr die einzelnen Figuren jede für sich, als das ganze Bild, Interesse und Auge auf sich zieht; es liegt das nicht allein an der etwas zerstreuten Gruppirung, sondern uoch vielmehr daran, daß der Ausdruck jeder Figur gleich starke Haltung hat. Wenn man daran den"le, wie z. B. Tidemand in seinem Bilde es verstand/ das Auge und die Em¬ pfindung für eine Gruppe in Anspruch zu nehmen, so wird man,erst recht finden, was hier fehlt; daß nämlich die prägnanteste, stärkste Empfindung in wenig «

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/213>, abgerufen am 22.07.2024.