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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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dem Nebel zu steuern, sondern auch der Privatthätigkeit jeden Weg verschließen,
allmälig dem Uebel zu steuern.

Bisher konnten die Anwälte Amerikas sich immer darauf stützen, daß die
Sklaverei nicht von den Vereinigten Staaten ausgegangen, sondern ihnen als
ein Erbtheil von der alten Negierung hinterlassen sei; daß man sie also als
einen Naturproceß betrachten müsse, der durch allgemeine Phrasen nicht abzu¬
stellen, der nur durch allmälige Milderung des Verhältnisses, durch Einschrän¬
kung seiner Ausdehnung und durch rechtliche Normirung erträglicher zu machen
sei. Gegen solche Deductionen konnte man nichts einwenden, denn es ist
nicht gut, einen Teufel durch der Teufel obersten auszutreiben. So schlimm die
Sklaverei war, eine Emancipation in der Weise Hallis war unstreitig etwas
noch weit Schlimmeres.

Aber anders stellt sich die Sache nach dem vorliegenden Buch heraus.
Die Sklaverei ist seit Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts, was ihre
Ausdehnung über das Gebiet der Vereinigten Staaten betrifft, in fortwähren¬
dem, ungeheuer beschleunigtem Wachsthum begriffen, und die Gesetzgebung IM
seitdem alles gethan, um den Zustand der Sklaverei schlimmer, entwürdigender
und unauflöslicher zu Machen.

Das sind zwei Thatsachen, die uns mit Entsetzen erfüllen müssen und die
durch das vorliegende Buch bis zur Evidenz festgestellt sind. Ja nach beiden
Seiten hin wächst das Verderbnis) in geometrischer Progression; es hat zu
keiner Zeit so reißende Fortschritte gemacht, als grade in den letzten Jahren.
Die Sklavenbesitzer der südlichen Staaten, denen es früher nur daraus ankam,
die Eingriffe des Kongresses von ihren Grenzen abzuwehren, beherrschen jetzt
durch einen Theil der nördlichen Kaufleute, die ihnen die Baumwollenindustrie
zugeführt hat, den Congreß und den Senat, und haben bereits, namentlich in
Beziehung auf die Jagd auf entlaufene Sklaven, in den nördlichen Staaten
eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen durchgesetzt, die den Norden ganz in ihre
Botmäßigkeit bringen und die alle Menschlichkeit mit Füßen treten.

Nur wenn der Norden sich noch einmal zusammenrafft, wozu aber jetzt
bei der Zersplitterung aller Parteien wenig Aussicht ist, kann dem Umsichgreifen
dieses Verderbens gewehrt werden.

Diese Eindrücke haben uns auch bei der Lectüre des zweiten Buchs befangen
gemacht. Der Versasser stellt uns zwar die Zustände von Missouri, um die
Deutschen zur Auswanderung in diese Gegend zu bestimmen, so erträglich als
möglich dar, und wir glauben auch gern, daß er nach bester Ueberzeugung und
bestem Wissen spricht, da er durchaus den Eindruck eines tüchtigen, ehrlichen
und gewissenhaften Mannes macht, aber vereinzelte befriedigende Zustände
beweisen ebensowenig, als vereinzelte Verderbnisse. Es kommt auf die Regel
an; und da Missouri ein Sklavenstaat ist, und der Deutsche, wenn er nicht


dem Nebel zu steuern, sondern auch der Privatthätigkeit jeden Weg verschließen,
allmälig dem Uebel zu steuern.

Bisher konnten die Anwälte Amerikas sich immer darauf stützen, daß die
Sklaverei nicht von den Vereinigten Staaten ausgegangen, sondern ihnen als
ein Erbtheil von der alten Negierung hinterlassen sei; daß man sie also als
einen Naturproceß betrachten müsse, der durch allgemeine Phrasen nicht abzu¬
stellen, der nur durch allmälige Milderung des Verhältnisses, durch Einschrän¬
kung seiner Ausdehnung und durch rechtliche Normirung erträglicher zu machen
sei. Gegen solche Deductionen konnte man nichts einwenden, denn es ist
nicht gut, einen Teufel durch der Teufel obersten auszutreiben. So schlimm die
Sklaverei war, eine Emancipation in der Weise Hallis war unstreitig etwas
noch weit Schlimmeres.

Aber anders stellt sich die Sache nach dem vorliegenden Buch heraus.
Die Sklaverei ist seit Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts, was ihre
Ausdehnung über das Gebiet der Vereinigten Staaten betrifft, in fortwähren¬
dem, ungeheuer beschleunigtem Wachsthum begriffen, und die Gesetzgebung IM
seitdem alles gethan, um den Zustand der Sklaverei schlimmer, entwürdigender
und unauflöslicher zu Machen.

Das sind zwei Thatsachen, die uns mit Entsetzen erfüllen müssen und die
durch das vorliegende Buch bis zur Evidenz festgestellt sind. Ja nach beiden
Seiten hin wächst das Verderbnis) in geometrischer Progression; es hat zu
keiner Zeit so reißende Fortschritte gemacht, als grade in den letzten Jahren.
Die Sklavenbesitzer der südlichen Staaten, denen es früher nur daraus ankam,
die Eingriffe des Kongresses von ihren Grenzen abzuwehren, beherrschen jetzt
durch einen Theil der nördlichen Kaufleute, die ihnen die Baumwollenindustrie
zugeführt hat, den Congreß und den Senat, und haben bereits, namentlich in
Beziehung auf die Jagd auf entlaufene Sklaven, in den nördlichen Staaten
eine Reihe gesetzlicher Bestimmungen durchgesetzt, die den Norden ganz in ihre
Botmäßigkeit bringen und die alle Menschlichkeit mit Füßen treten.

Nur wenn der Norden sich noch einmal zusammenrafft, wozu aber jetzt
bei der Zersplitterung aller Parteien wenig Aussicht ist, kann dem Umsichgreifen
dieses Verderbens gewehrt werden.

Diese Eindrücke haben uns auch bei der Lectüre des zweiten Buchs befangen
gemacht. Der Versasser stellt uns zwar die Zustände von Missouri, um die
Deutschen zur Auswanderung in diese Gegend zu bestimmen, so erträglich als
möglich dar, und wir glauben auch gern, daß er nach bester Ueberzeugung und
bestem Wissen spricht, da er durchaus den Eindruck eines tüchtigen, ehrlichen
und gewissenhaften Mannes macht, aber vereinzelte befriedigende Zustände
beweisen ebensowenig, als vereinzelte Verderbnisse. Es kommt auf die Regel
an; und da Missouri ein Sklavenstaat ist, und der Deutsche, wenn er nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/157>, abgerufen am 22.07.2024.