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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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heit und Stil sind bei dem Streben nach Charakteristischen und Pikanten
zu sehr vernachlässigt.

Ganz unbedeutend und lächerlich ist ein Bild von Prof. Schmidt in
London, "die Versuchung Christi". Der versuchende Satan sieht wie ein
moderner Theatermephisto aus, aber wie ein ungeschickter; von dem schwächlichen
nichtssagenden Christus ist weiter nichts zu sagen.

Das wären alle.Bilder biblischen Inhaltes. Ich kann mich kaum ent¬
schließen, Ihnen so weiter alles mehr oder weniger Mittelmäßige, was noch
da ist, zu nennen; es ist zu trostlos, die geringen Vorzüge und großen
Fehler einer Menge von Bildern zu besprechen. Noch will ich Ihnen also
allenfalls ein Bild von Kloeber, "die Crwcckung der Psyche" nennen,
das freilich auch gar nkcht den Ansprüchen nachkommt, die man an dergleichen
mythologische Gegenstände machen muß; als da sind: maßvoller aber ent¬
schiedener Ausdruck; edle Lineen, höchste Vollendung der Form, einfaches
Colorit. Von alledem ist wenig da, namentlich kein Ausdruck; das Beste
ist die Composition der Gruppe, die Form ist zu flau und charakterlos, die
Farbe zu schwer und manierirt.

Eine einfachere, dem Gegenstande angemessene Farbe ist in dem Bilde von
Steinfurth: "Aurora hebt den jugendlichen Tithonus zum Himmel
empor". Die Zeichnung ist in manchen Theilen der Figuren gut, in andern
etwas roh und unschön, aber wenigstens doch entschiedener, als in dem vor¬
erwähnten Bilde. Die Köpfe sind lange nicht schön genug. Das Bild ist
übrigens beim Hängen sehr schlecht behandelt, es ist nicht besser, aber auch
nicht schlechter als manche andere; es war also ungerecht, es in einem
dunkeln Winkel zu placiren. Ueberhaupt kann die Ungerechtigkeit, die beim
Hängen der Bilder ausgeübt wird, nicht oft genug gerügt werden. Gönnerschaft
entscheidet dabei zu viel. Der erste lange Sal ist bekanntlich der einzige,
der ein recht brauchbares Licht hat; und man geizt sehr mit dem Vergeben
der Plätze in diesem Sale, um sie für vie bessern Bilder offen zu halten.

Wie kommt nun dahin die Muse Urania vom Hrn. Prof. Lengerich,
die weit entfernt den leisesten Anspruch aus irgendein Verdienst zu haben an
kindisch lächerlicher Ungeschicktheit alles Maß deS Erlaubten und Unerlaubtem
überschreitet?

Doch wir wollen endlich zu Besserem kommen, daher übergehen wir das
langweilige Bild von Clara Oerike, "Johann Friedrich der Großmüthige, nach
der Schlacht bei Mühlberg gefangen, weigert sich, das von Granvelle ihm
vorgelegte kaiserliche Interim anzunehmen", mit Stillschweigen;- ebenso' Paul
und Virginie von Steinbrück, das wir ihm nicht zugetraut hätten; Faust und
Gretchen im Kerker von Prof. Vegas, das wir ebenfalls nicht so schlecht von
ihm erwartet hätten.


heit und Stil sind bei dem Streben nach Charakteristischen und Pikanten
zu sehr vernachlässigt.

Ganz unbedeutend und lächerlich ist ein Bild von Prof. Schmidt in
London, „die Versuchung Christi". Der versuchende Satan sieht wie ein
moderner Theatermephisto aus, aber wie ein ungeschickter; von dem schwächlichen
nichtssagenden Christus ist weiter nichts zu sagen.

Das wären alle.Bilder biblischen Inhaltes. Ich kann mich kaum ent¬
schließen, Ihnen so weiter alles mehr oder weniger Mittelmäßige, was noch
da ist, zu nennen; es ist zu trostlos, die geringen Vorzüge und großen
Fehler einer Menge von Bildern zu besprechen. Noch will ich Ihnen also
allenfalls ein Bild von Kloeber, „die Crwcckung der Psyche" nennen,
das freilich auch gar nkcht den Ansprüchen nachkommt, die man an dergleichen
mythologische Gegenstände machen muß; als da sind: maßvoller aber ent¬
schiedener Ausdruck; edle Lineen, höchste Vollendung der Form, einfaches
Colorit. Von alledem ist wenig da, namentlich kein Ausdruck; das Beste
ist die Composition der Gruppe, die Form ist zu flau und charakterlos, die
Farbe zu schwer und manierirt.

Eine einfachere, dem Gegenstande angemessene Farbe ist in dem Bilde von
Steinfurth: „Aurora hebt den jugendlichen Tithonus zum Himmel
empor". Die Zeichnung ist in manchen Theilen der Figuren gut, in andern
etwas roh und unschön, aber wenigstens doch entschiedener, als in dem vor¬
erwähnten Bilde. Die Köpfe sind lange nicht schön genug. Das Bild ist
übrigens beim Hängen sehr schlecht behandelt, es ist nicht besser, aber auch
nicht schlechter als manche andere; es war also ungerecht, es in einem
dunkeln Winkel zu placiren. Ueberhaupt kann die Ungerechtigkeit, die beim
Hängen der Bilder ausgeübt wird, nicht oft genug gerügt werden. Gönnerschaft
entscheidet dabei zu viel. Der erste lange Sal ist bekanntlich der einzige,
der ein recht brauchbares Licht hat; und man geizt sehr mit dem Vergeben
der Plätze in diesem Sale, um sie für vie bessern Bilder offen zu halten.

Wie kommt nun dahin die Muse Urania vom Hrn. Prof. Lengerich,
die weit entfernt den leisesten Anspruch aus irgendein Verdienst zu haben an
kindisch lächerlicher Ungeschicktheit alles Maß deS Erlaubten und Unerlaubtem
überschreitet?

Doch wir wollen endlich zu Besserem kommen, daher übergehen wir das
langweilige Bild von Clara Oerike, „Johann Friedrich der Großmüthige, nach
der Schlacht bei Mühlberg gefangen, weigert sich, das von Granvelle ihm
vorgelegte kaiserliche Interim anzunehmen", mit Stillschweigen;- ebenso' Paul
und Virginie von Steinbrück, das wir ihm nicht zugetraut hätten; Faust und
Gretchen im Kerker von Prof. Vegas, das wir ebenfalls nicht so schlecht von
ihm erwartet hätten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/152>, abgerufen am 22.07.2024.