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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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seinem Bilde mitgetheilt. Doch genug über die Inhaltlosigkeit, wo nichts
ist, darüber laßt sich wenig sagen. Wir wollten zufrieden sein, wenn uns
zu der tüchtigen Farbe eine schöne, oder wenigstens gesunde, durchgebildete Form
gegeben würde. Doch davon ist nicht die Rede, die Zeichnung ist höchst roh,
die bei Tisch aufwartende Magd sogar in den Verhältnissen vernachlässigt, so
daß sie entschieden verwachsen aussieht; ihr Kopf ist in unerlaubter Weise
skizzirt. Das ganze Bild sieht am Ende so aus, wie eine kolossale Farben¬
skizze, die der Maler malte, um auf möglichst derber Leinewand mit sei¬
ner technischen Bravour zu kokettiren; daher ist denn auch im einzelnen
nicht einmal die Farbe durchweg zu loben, am gelungensten sind Stoffe, Fu߬
boden, Hintergrund u. f. w.; die Fleischpartien, die eine solidere, liebevollere
Behandlung verlangen, stehen verhältnißmäßig sehr zurück. -- Ein anderes
Bild von Gentz "Aegyptische Studenten" ist ebenso inhaltslos.

Oscar Begas, der Sohn des Professor Begas, malte auch ein großes
Bild, die Kreuzabnahme. Wir wollen gar nicht daran denken, daß
dieser Gegenstand von den ersten Meistern vortrefflich behandelt ist, warum
sollte nicht in einem minder vortrefflichen Bilde doch manches vorhanden sein,
was das Unternehmen des Künstlers, diesen Gegenstand von neuem zu be¬
handeln rechtfertigte. Doch in diesem Bilde tourner wir dieses Rechtfertigende
nicht entdecken. Es sind eben zusammengestellte Figuren ohne irgendwelche tiefe
innere Erregung und Beziehung. Von Ausdruck, der, wie überall namentlich
bei einem solchen Gegenstande die Hauptsache sein soll, ist mit geringer Aus¬
nahme kaum die Rede. Das in dem ganzen Bilde herrschende Leben ist
ein ganz materielles und selbst dieses nicht bedeutend und kräftig. Maria ist
die einzige Figur, in der wenigstens etwas mehr angestrebt wurde, wenns
auch nicht gelungen ist (sie erweckt übrigens sehr entschiedene Reminiscenzen
sowie auch manche andere Figuren). Und nun in der Form, welcher Mangel
alles Großen, Ernster, Gewaltigen. Christus, welch schwächlicher, dünnarmiger
Leichnam! und Magdalena, wenn die nach Maria die Hände ausstreckende
weibliche Figur sie vorstellen soll, oder soll es die womöglich noch un¬
bedeutendere Blondine neben ihr sein? welch nichtssagendes Gesicht, ohne Be¬
deutung, ohne Schönheit und Reiz, der ihr zukommt. Wäre wenigstens
äußerlich Charakter in den Figuren, aber auch der sehlt, oben auf dem Kreuz,
der weißbärtige greise Petrus hat einen jugendlichen runden Körper, wie ein
zwanzigjähriger Jüngling. Man sieht deutlich, der Kopf und der Körper
sind einem andern Modell entnommen, wie man denn durch das ganze Bild
deutlich die Studien durchsieht. DaS ganze kolossale Bild macht den Eindruck
einer großen Studie. DaS einzige Verdienst ist eine im ganzen correcte Zeich¬
nung und recht gewandte Technik, die aber nicht gleichmäßig genug ist.
Das Colorit ist unbedeutend, ohne Kraft und Leben. Das ganze Bild ist


seinem Bilde mitgetheilt. Doch genug über die Inhaltlosigkeit, wo nichts
ist, darüber laßt sich wenig sagen. Wir wollten zufrieden sein, wenn uns
zu der tüchtigen Farbe eine schöne, oder wenigstens gesunde, durchgebildete Form
gegeben würde. Doch davon ist nicht die Rede, die Zeichnung ist höchst roh,
die bei Tisch aufwartende Magd sogar in den Verhältnissen vernachlässigt, so
daß sie entschieden verwachsen aussieht; ihr Kopf ist in unerlaubter Weise
skizzirt. Das ganze Bild sieht am Ende so aus, wie eine kolossale Farben¬
skizze, die der Maler malte, um auf möglichst derber Leinewand mit sei¬
ner technischen Bravour zu kokettiren; daher ist denn auch im einzelnen
nicht einmal die Farbe durchweg zu loben, am gelungensten sind Stoffe, Fu߬
boden, Hintergrund u. f. w.; die Fleischpartien, die eine solidere, liebevollere
Behandlung verlangen, stehen verhältnißmäßig sehr zurück. — Ein anderes
Bild von Gentz „Aegyptische Studenten" ist ebenso inhaltslos.

Oscar Begas, der Sohn des Professor Begas, malte auch ein großes
Bild, die Kreuzabnahme. Wir wollen gar nicht daran denken, daß
dieser Gegenstand von den ersten Meistern vortrefflich behandelt ist, warum
sollte nicht in einem minder vortrefflichen Bilde doch manches vorhanden sein,
was das Unternehmen des Künstlers, diesen Gegenstand von neuem zu be¬
handeln rechtfertigte. Doch in diesem Bilde tourner wir dieses Rechtfertigende
nicht entdecken. Es sind eben zusammengestellte Figuren ohne irgendwelche tiefe
innere Erregung und Beziehung. Von Ausdruck, der, wie überall namentlich
bei einem solchen Gegenstande die Hauptsache sein soll, ist mit geringer Aus¬
nahme kaum die Rede. Das in dem ganzen Bilde herrschende Leben ist
ein ganz materielles und selbst dieses nicht bedeutend und kräftig. Maria ist
die einzige Figur, in der wenigstens etwas mehr angestrebt wurde, wenns
auch nicht gelungen ist (sie erweckt übrigens sehr entschiedene Reminiscenzen
sowie auch manche andere Figuren). Und nun in der Form, welcher Mangel
alles Großen, Ernster, Gewaltigen. Christus, welch schwächlicher, dünnarmiger
Leichnam! und Magdalena, wenn die nach Maria die Hände ausstreckende
weibliche Figur sie vorstellen soll, oder soll es die womöglich noch un¬
bedeutendere Blondine neben ihr sein? welch nichtssagendes Gesicht, ohne Be¬
deutung, ohne Schönheit und Reiz, der ihr zukommt. Wäre wenigstens
äußerlich Charakter in den Figuren, aber auch der sehlt, oben auf dem Kreuz,
der weißbärtige greise Petrus hat einen jugendlichen runden Körper, wie ein
zwanzigjähriger Jüngling. Man sieht deutlich, der Kopf und der Körper
sind einem andern Modell entnommen, wie man denn durch das ganze Bild
deutlich die Studien durchsieht. DaS ganze kolossale Bild macht den Eindruck
einer großen Studie. DaS einzige Verdienst ist eine im ganzen correcte Zeich¬
nung und recht gewandte Technik, die aber nicht gleichmäßig genug ist.
Das Colorit ist unbedeutend, ohne Kraft und Leben. Das ganze Bild ist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/150>, abgerufen am 22.07.2024.