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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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richten, daß möglichst gute Instrumente im Gebrauch sind, wo es nöthig ist,
durch Anschaffen derselben oder Unterstützung beim Anschaffen, so würde dadurch
in mehr als einer Hinsicht wohlthätig eingewirkt werden. Noch wichtiger ist
freilich die Sorge für die Tüchtigkeit der Mitglieder, und dies ist jedenfalls
der Punkt, wo die Beschränktheit der Mittel die größten Schwierigkeiten her¬
vorruft. Um so wichtiger wird es, -- man muß es wiederholen -- daß nicht
der Zufall, nicht andereMicksichten als auf die Kunst entscheiden, sondern nur die
genaue Erwägung dessen, was Noth ist und ausgeführt werden kann. Die
moderne Jnstrumentation verlangt als ein Gewicht gegen die gehäuften Blas¬
instrumente sehr stark besetzte Saiteninstrumente; wenn man nun deshalb die Geigen
vermehrt, so kann diese Verbesserung nach der einen Seite hin doch im ganzen
einen sehr zweifelhaften Erfolg haben, indem das richtige Verhältniß nach einer
anderen Seite gestört wird; gar nicht davon zu reden, daß die Vermehrung
der Spieler die Präcision und Reinheit des Zusammenspiels sehr erschwert und
also doppelte Sorgfalt in der Auswahl nöthig macht. Daß aber starke
Saiteninstrumente die Mängel und Gebrechen der Blasinstrumente -- und
diese sind bei uns nicht gering -- wol gelegentlich verdecken können, in Wahr¬
heit aber das Bedürfniß nach guten Blasinstrumenten nur um so lebhafter
empfinden lassen, das ist wol für jeden klar.

Wenn die Mittel unsres Orchesters keineswegs-ganz befriedigend sind, so ist
sorgfältiges Studiren und Einüben der aufzuführenden Werke um so dringender
geboten. Hier ist es, wo wir die "bewährten Leistungen unsres Orchesters"
am meisten fürchten. Schätze man die gewonnene Routine so hoch, daß man
wähnt, es bedürfe keiner Arbeit, keiner anstrengenden Arbeit mehr, um auch
nur das bereits Erreichte festzuhalten; meint man, das Durchspielen in einer,
höchstens zwei Proben müsse ausreichen, um für schwierige Werke eine höheren
Anforderungen genügende Ausführung zu erreichen: so überschätzt man entweder
die vorhandenen Kräfte oder man steckt das Ziel niedriger, als es dem Ruhm
und der Würde der Leipziger Abonnementconcerte angemessen ist. Allerdings
kann ein tüchtiger und geschickter Dirigent mit einem routinirten Orchester auch
in kurzer Frist gewisse täuschende Effecte erreichen, er kann einen Grad von
Präcision, das Innehalten von piano und lorte, das Märtirer mancher
schlagender Effecte, einzelne geistreiche Züge, im günstigen Fall auch Lebhaftig¬
keit und Feuer hervorrufen und durch alles das für oberflächliche Zuhörer
den-Schein einer gelungenen Ausführung; allein ein eigentliches, tiefer ein¬
gehendes Verständniß eines Kunstwerks bei den Ausführenden und dann bei den
Zuhörern zu bewirken, das bedarf mehr Zeit und Mühe. Und doch ist es die
letzte und höchste Ausgabe des Dirigenten, das Verständniß des vorzutragenden
Kunstwerks im Ganzen und bis in ^die geringsten Einzelheiten den Mit¬
wirkenden zu eröffnen, sie damit zu durchdringen, daß jeder das lebendige


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richten, daß möglichst gute Instrumente im Gebrauch sind, wo es nöthig ist,
durch Anschaffen derselben oder Unterstützung beim Anschaffen, so würde dadurch
in mehr als einer Hinsicht wohlthätig eingewirkt werden. Noch wichtiger ist
freilich die Sorge für die Tüchtigkeit der Mitglieder, und dies ist jedenfalls
der Punkt, wo die Beschränktheit der Mittel die größten Schwierigkeiten her¬
vorruft. Um so wichtiger wird es, — man muß es wiederholen — daß nicht
der Zufall, nicht andereMicksichten als auf die Kunst entscheiden, sondern nur die
genaue Erwägung dessen, was Noth ist und ausgeführt werden kann. Die
moderne Jnstrumentation verlangt als ein Gewicht gegen die gehäuften Blas¬
instrumente sehr stark besetzte Saiteninstrumente; wenn man nun deshalb die Geigen
vermehrt, so kann diese Verbesserung nach der einen Seite hin doch im ganzen
einen sehr zweifelhaften Erfolg haben, indem das richtige Verhältniß nach einer
anderen Seite gestört wird; gar nicht davon zu reden, daß die Vermehrung
der Spieler die Präcision und Reinheit des Zusammenspiels sehr erschwert und
also doppelte Sorgfalt in der Auswahl nöthig macht. Daß aber starke
Saiteninstrumente die Mängel und Gebrechen der Blasinstrumente — und
diese sind bei uns nicht gering — wol gelegentlich verdecken können, in Wahr¬
heit aber das Bedürfniß nach guten Blasinstrumenten nur um so lebhafter
empfinden lassen, das ist wol für jeden klar.

Wenn die Mittel unsres Orchesters keineswegs-ganz befriedigend sind, so ist
sorgfältiges Studiren und Einüben der aufzuführenden Werke um so dringender
geboten. Hier ist es, wo wir die „bewährten Leistungen unsres Orchesters"
am meisten fürchten. Schätze man die gewonnene Routine so hoch, daß man
wähnt, es bedürfe keiner Arbeit, keiner anstrengenden Arbeit mehr, um auch
nur das bereits Erreichte festzuhalten; meint man, das Durchspielen in einer,
höchstens zwei Proben müsse ausreichen, um für schwierige Werke eine höheren
Anforderungen genügende Ausführung zu erreichen: so überschätzt man entweder
die vorhandenen Kräfte oder man steckt das Ziel niedriger, als es dem Ruhm
und der Würde der Leipziger Abonnementconcerte angemessen ist. Allerdings
kann ein tüchtiger und geschickter Dirigent mit einem routinirten Orchester auch
in kurzer Frist gewisse täuschende Effecte erreichen, er kann einen Grad von
Präcision, das Innehalten von piano und lorte, das Märtirer mancher
schlagender Effecte, einzelne geistreiche Züge, im günstigen Fall auch Lebhaftig¬
keit und Feuer hervorrufen und durch alles das für oberflächliche Zuhörer
den-Schein einer gelungenen Ausführung; allein ein eigentliches, tiefer ein¬
gehendes Verständniß eines Kunstwerks bei den Ausführenden und dann bei den
Zuhörern zu bewirken, das bedarf mehr Zeit und Mühe. Und doch ist es die
letzte und höchste Ausgabe des Dirigenten, das Verständniß des vorzutragenden
Kunstwerks im Ganzen und bis in ^die geringsten Einzelheiten den Mit¬
wirkenden zu eröffnen, sie damit zu durchdringen, daß jeder das lebendige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/11>, abgerufen am 24.08.2024.