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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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läßt Schiller im Tell den Fischerknaben singen und zeichnet damit trefflich die
befriedigte Ruhe dieser Landschaften.

Auch Basel und Zürich haben eine Reihe Landschaftsmaler. Die Basler
nähern sich mit ihrem dunkelgrünen, saftigen Colorit, mit ihrer vorherrschend
ernsten Stimmung und durch die Wahl ihrer Motive mehr den Genfern; da¬
gegen stehen die Zürcher mit ihrer Sorgfalt für das Detail, mit ihrer durch¬
sichtigen und klaren Luftperspective mit der größern Mäßigung des Eolorits
den Landschaften der Münchner Künstler näher.

Eine sonderbare Gruppe bilden die in Düsseldorf gebildeten Maler: lau¬
ter Mondschein oder Abenddämmerung oder tiefes Walddunkel ohne einen
wärmenden Sonnenblick. Man wird ordentlich froh, wenn während des
Betrachtens ein wirklicher Sonnenstrahl von außen zufällig das Gemälde
trifft.

Diese mannigfaltigen Richtungen zeigen, daß die Schweiz nicht nur in
der Politik, fondern auch in der Kunst ein Grenzland ist, in welchem deutsche
und französische Richtungen sich kreuzen und eine Vermittlung suchen; sie
zeigen, wie die Bildung in Kunst und Wissenschaft, die der Schweizer bald
in Deutschland, bald in Frankreich sich holt, allmälig eine dem Charakter des
Landes und der Bewohner entsprechende Färbung enthält.

Die Sculptur hat in der Ausstellung einen einzigen Repräsentanten, daS
Modell einer Wiukelriedstatue, Die Lust, Statuen zu errichten, hat nämlich
auch die Schweiz nicht ganz unberührt gelassen, nur sind wir hier vor Ueber¬
treibungen ziemlich gesichert, da die Kosten solcher Denkmäler blos aus den
Beuteln der Privaten bestritten werden müssen. So wurde denn auch ein
Preis auf die beste Wiukelriedstatue ausgesetzt, eine für die Sculptur schwer
zu lösende Aufgabe, da der Held nur liegend dargestellt werden darf, soll nicht
grade das Bedeutsame seiner That verloren gehen. Das ausgestellte Modell sucht
das Unpassende einer blos liegenden Statue dadurch zu umgehen, daß es den
gefallenen Helden von Halbsutier, dem Sänger der Sempacher Schlacht, be¬
kränzen läßt. --Zum Schlüsse eine charakteristische Anekdote aus dem Redactions-
-zimmer der Allgemeinen Augsburger Zeitung, da sie sich grade an die
Besprechung der Wiukelriedstatue anknüpft. Ein in München lebender schwei¬
zerischer Bildhauer hatte ein Modell verfertigt, das den sterbenden Winkelried
in einer Grotte darstellte, die nach dem Muster des bekannten Luzcmer Löwen
in einer Felswand am Vierwaldstättersee ausgehauen werden sollte. Ein
renommirter Kunstkritiker in München (man nennt Förster), der den Gedanken
des Künstlers billigte, wünschte diesen seinen Landsleuten durch einen Artikel
der Allgemeinen Zeitung zu empfehlen; die Redaction aber versagte die Auf¬
nahme, weil sie nicht zur Verherrlichung einer That beitragen wolle, durch


läßt Schiller im Tell den Fischerknaben singen und zeichnet damit trefflich die
befriedigte Ruhe dieser Landschaften.

Auch Basel und Zürich haben eine Reihe Landschaftsmaler. Die Basler
nähern sich mit ihrem dunkelgrünen, saftigen Colorit, mit ihrer vorherrschend
ernsten Stimmung und durch die Wahl ihrer Motive mehr den Genfern; da¬
gegen stehen die Zürcher mit ihrer Sorgfalt für das Detail, mit ihrer durch¬
sichtigen und klaren Luftperspective mit der größern Mäßigung des Eolorits
den Landschaften der Münchner Künstler näher.

Eine sonderbare Gruppe bilden die in Düsseldorf gebildeten Maler: lau¬
ter Mondschein oder Abenddämmerung oder tiefes Walddunkel ohne einen
wärmenden Sonnenblick. Man wird ordentlich froh, wenn während des
Betrachtens ein wirklicher Sonnenstrahl von außen zufällig das Gemälde
trifft.

Diese mannigfaltigen Richtungen zeigen, daß die Schweiz nicht nur in
der Politik, fondern auch in der Kunst ein Grenzland ist, in welchem deutsche
und französische Richtungen sich kreuzen und eine Vermittlung suchen; sie
zeigen, wie die Bildung in Kunst und Wissenschaft, die der Schweizer bald
in Deutschland, bald in Frankreich sich holt, allmälig eine dem Charakter des
Landes und der Bewohner entsprechende Färbung enthält.

Die Sculptur hat in der Ausstellung einen einzigen Repräsentanten, daS
Modell einer Wiukelriedstatue, Die Lust, Statuen zu errichten, hat nämlich
auch die Schweiz nicht ganz unberührt gelassen, nur sind wir hier vor Ueber¬
treibungen ziemlich gesichert, da die Kosten solcher Denkmäler blos aus den
Beuteln der Privaten bestritten werden müssen. So wurde denn auch ein
Preis auf die beste Wiukelriedstatue ausgesetzt, eine für die Sculptur schwer
zu lösende Aufgabe, da der Held nur liegend dargestellt werden darf, soll nicht
grade das Bedeutsame seiner That verloren gehen. Das ausgestellte Modell sucht
das Unpassende einer blos liegenden Statue dadurch zu umgehen, daß es den
gefallenen Helden von Halbsutier, dem Sänger der Sempacher Schlacht, be¬
kränzen läßt. —Zum Schlüsse eine charakteristische Anekdote aus dem Redactions-
-zimmer der Allgemeinen Augsburger Zeitung, da sie sich grade an die
Besprechung der Wiukelriedstatue anknüpft. Ein in München lebender schwei¬
zerischer Bildhauer hatte ein Modell verfertigt, das den sterbenden Winkelried
in einer Grotte darstellte, die nach dem Muster des bekannten Luzcmer Löwen
in einer Felswand am Vierwaldstättersee ausgehauen werden sollte. Ein
renommirter Kunstkritiker in München (man nennt Förster), der den Gedanken
des Künstlers billigte, wünschte diesen seinen Landsleuten durch einen Artikel
der Allgemeinen Zeitung zu empfehlen; die Redaction aber versagte die Auf¬
nahme, weil sie nicht zur Verherrlichung einer That beitragen wolle, durch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/95>, abgerufen am 01.09.2024.