Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.schöngeistiger Herren und Damen, welche letzter" sich selbst i'rseieuses nannten schöngeistiger Herren und Damen, welche letzter» sich selbst i'rseieuses nannten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0085" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281236"/> <p xml:id="ID_254" prev="#ID_253" next="#ID_255"> schöngeistiger Herren und Damen, welche letzter» sich selbst i'rseieuses nannten<lb/> ......Der Sinn sür Bildung und Literatur, der diese Zusammenkünfte veran-<lb/> laßt hatte, artete bald in Schönseligkeit und Affectation ans, und die romantische<lb/> Liebe, die als ein ferner Abglanz des Mittelalters noch herüberwinkte, wurde all-<lb/> mälig zur bloßen Galanterie."____ »Die pretenstösen, in den Romanen der Zeit<lb/> belesenen Damen maßten sich nach und nach neben Leitung und Aufrechterhaltung<lb/> des guten Tons auch ein Urtheil über Prosa und Verse an, und gefielen sich in<lb/> einer gesuchten Redeweise; und so wurde der Anstoß gegeben zu jenen pointenreichen<lb/> Conversationen, zu jenen Memoiren, Romanen, Epigrammen, Sonetten und<lb/> galanten Couplets, zu jenen» Familienporträts, Vriessammlungen, Charaden und<lb/> Gesellschaftsspielen, die damals Frankreich überschwemmten und Zeugniß gaben von<lb/> jener conventionellen, aller Wahrheit, Natur und eigentlichen Poesie entblößten Bildung<lb/> und Geistesrichtung. — Jene Romane sind besonders die der Scudüry und der de la<lb/> Fayette. — Sie wurden, so verschroben es auch darin hergeht, nicht allein das Regclbnch<lb/> der galanten Konversation, sondern auch der Sitten und des guten Tons, doch begnügte<lb/> man sich nicht mit Büchern, es kamen anch der größeren Anschaulichkeit wegen Karten der<lb/> Liebe und Zärtlichkeit heraus, auf denen der Strom der Neigung, das Meer der<lb/> Intimität, der See der Gleichgiltigkeit und viele andere Dinge der Art gezeichnet<lb/> waren. Man sah darauf unter anderem, wie, um die Stadt der Zärtlichkeit zu<lb/> nehmen, man das Dorf der Liebesbriefe und das Schloß der kleinen Aufmerksam¬<lb/> keiten zuvörderst gewinnen müsse u. s. w. — Ernsthafte Gespräche über frivole<lb/> Fragen, Liebcsmetaphusik, Gcfühlssubtilitäten, weitläufige Verhandlungen über den<lb/> Sinn eines Räthsels, mit dessen Vorlesung gewöhnlich die Unterhaltung begann,<lb/> waren der hauptsächliche Inhalt derselben. Die Sitten dieser Coterien waren ebenso<lb/> barock, als die Gespräche, die in ihnen geführt wurden. Die Damen affectirter<lb/> gegen und untereinander eine romanhafte Gefühlsexaltation und verlangten von<lb/> ihren Anbetern, wie auch Tante Bause thut, einen langen, entsagungsvollen Opfer-<lb/> dienst. — Sie nannten sich nur mu cliure, luden sich durch Charaden ein und<lb/> sackten sich Rondeaus zu/ Eine ^.><-, das wurde ihre gewöhnliche Benennung,<lb/> legte sich um die Empsangsstnnde ins Bett; der Alkoven, in dem es stand, und<lb/> der Phantastisch verziert war, bildete den Salon, und diese Versammlungsorte hießen<lb/> eins!^ ^ d^-n Herrlichkeiten zugelassen zu werden, mußte man durch<lb/> / . 6"""'' i.n.'in>uoleur» ^ rueUe« hießen und unter<lb/> w ^ und Dubuissou auszeichn ten, eingeführt<lb/> erden un orne.en haben, daß man .1., i. ^ .„ ,.. «„stehe.--<lb/> Außer diesen ^utroduetenrs und den von ihnen eingeführten jungen Adepten hatte<lb/> ,ete Dame aber auch noch einen besondern dienenden Ritter, der Alkovist hieß, der<lb/> alt :hr d:e Honneurs des Hauses machte und mit ihr die Unterhaltung leitete. -<lb/> Das Merkwürdigste abe, ist, daß diese Verhältnisse nicht im geringsten anstößig er¬<lb/> schienen und vielleicht auch nicht waren, worüber Se. Evremond eine hier nicht gut<lb/> Mittheilbare Erklärung gibt. - Diesen Wunderlichkeiten entspricht nun auch be¬<lb/> sonders die geschraubte Redeweise, in der diese Damen sich ergingen; es gab sür<lb/> alles zwei Ausdrücke, einen vornehmen und einen gemeinen. Die Zahl der von<lb/> ihnen geschaffenen Wendungen und Bezeichnungen, unter denen sich auch manche<lb/> ganz verständige, noch heute gebräuchliche, finden, wie des l-I.evsnx et'u» blonä Iiurdi,</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0085]
schöngeistiger Herren und Damen, welche letzter» sich selbst i'rseieuses nannten
......Der Sinn sür Bildung und Literatur, der diese Zusammenkünfte veran-
laßt hatte, artete bald in Schönseligkeit und Affectation ans, und die romantische
Liebe, die als ein ferner Abglanz des Mittelalters noch herüberwinkte, wurde all-
mälig zur bloßen Galanterie."____ »Die pretenstösen, in den Romanen der Zeit
belesenen Damen maßten sich nach und nach neben Leitung und Aufrechterhaltung
des guten Tons auch ein Urtheil über Prosa und Verse an, und gefielen sich in
einer gesuchten Redeweise; und so wurde der Anstoß gegeben zu jenen pointenreichen
Conversationen, zu jenen Memoiren, Romanen, Epigrammen, Sonetten und
galanten Couplets, zu jenen» Familienporträts, Vriessammlungen, Charaden und
Gesellschaftsspielen, die damals Frankreich überschwemmten und Zeugniß gaben von
jener conventionellen, aller Wahrheit, Natur und eigentlichen Poesie entblößten Bildung
und Geistesrichtung. — Jene Romane sind besonders die der Scudüry und der de la
Fayette. — Sie wurden, so verschroben es auch darin hergeht, nicht allein das Regclbnch
der galanten Konversation, sondern auch der Sitten und des guten Tons, doch begnügte
man sich nicht mit Büchern, es kamen anch der größeren Anschaulichkeit wegen Karten der
Liebe und Zärtlichkeit heraus, auf denen der Strom der Neigung, das Meer der
Intimität, der See der Gleichgiltigkeit und viele andere Dinge der Art gezeichnet
waren. Man sah darauf unter anderem, wie, um die Stadt der Zärtlichkeit zu
nehmen, man das Dorf der Liebesbriefe und das Schloß der kleinen Aufmerksam¬
keiten zuvörderst gewinnen müsse u. s. w. — Ernsthafte Gespräche über frivole
Fragen, Liebcsmetaphusik, Gcfühlssubtilitäten, weitläufige Verhandlungen über den
Sinn eines Räthsels, mit dessen Vorlesung gewöhnlich die Unterhaltung begann,
waren der hauptsächliche Inhalt derselben. Die Sitten dieser Coterien waren ebenso
barock, als die Gespräche, die in ihnen geführt wurden. Die Damen affectirter
gegen und untereinander eine romanhafte Gefühlsexaltation und verlangten von
ihren Anbetern, wie auch Tante Bause thut, einen langen, entsagungsvollen Opfer-
dienst. — Sie nannten sich nur mu cliure, luden sich durch Charaden ein und
sackten sich Rondeaus zu/ Eine ^.><-, das wurde ihre gewöhnliche Benennung,
legte sich um die Empsangsstnnde ins Bett; der Alkoven, in dem es stand, und
der Phantastisch verziert war, bildete den Salon, und diese Versammlungsorte hießen
eins!^ ^ d^-n Herrlichkeiten zugelassen zu werden, mußte man durch
/ . 6"""'' i.n.'in>uoleur» ^ rueUe« hießen und unter
w ^ und Dubuissou auszeichn ten, eingeführt
erden un orne.en haben, daß man .1., i. ^ .„ ,.. «„stehe.--
Außer diesen ^utroduetenrs und den von ihnen eingeführten jungen Adepten hatte
,ete Dame aber auch noch einen besondern dienenden Ritter, der Alkovist hieß, der
alt :hr d:e Honneurs des Hauses machte und mit ihr die Unterhaltung leitete. -
Das Merkwürdigste abe, ist, daß diese Verhältnisse nicht im geringsten anstößig er¬
schienen und vielleicht auch nicht waren, worüber Se. Evremond eine hier nicht gut
Mittheilbare Erklärung gibt. - Diesen Wunderlichkeiten entspricht nun auch be¬
sonders die geschraubte Redeweise, in der diese Damen sich ergingen; es gab sür
alles zwei Ausdrücke, einen vornehmen und einen gemeinen. Die Zahl der von
ihnen geschaffenen Wendungen und Bezeichnungen, unter denen sich auch manche
ganz verständige, noch heute gebräuchliche, finden, wie des l-I.evsnx et'u» blonä Iiurdi,
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |