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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Seite stellen. Den militärischen Theil Ihrer geehrten Leser mache ich darauf
aufmerksam, daß die Geschichte des Kampfes vor letzterem Platze, namentlich
die Bestreitung des Besitzes der Wolssschanze, einen guttreffenden Vergleich
mit Silistria darbietet.

Von den Operationen Omer Paschas und seiner Verbündeten weiß man
wenig Zuverlässiges. Soviel ist gewiß, daß die Engländer einen größern
Eifer, im Felde mit dem Feinde handgemein zu werden, entfalten, als die
Franzosen. Marschall Se. Arnaud scheint kaum ein anderer Ehrgeiz innezu-
wohnen, wie der: wenigstens der Cunctator dieses Krieges genannt zu werden.
Während die Engländer den Seeweg nach Rama einschlugen, werden> die
meisten französischen Truppen zu Lande nach den Balkanpässen vorgeschoben.
Dieselben werden allem Vermuthen nach viel von der Hitze auszuhalten
haben, und ihr lebendiges Material, die Pferde, werden nach dem langen
Marsche minder frisch auf dem Platze der Entscheidung anlangen, wie die eng¬
lischen. Von den letzteren heißt es, daß bereits zwei Regimenter (Dragoner)
hinter dem Dewno concentrirt seien.

Im allgemeinen wird von den zu erwartenden Kriegsunternehmungen die
Grenze innegehalten werden, welche ich Ihnen in meinen mehrfachen Erörte¬
rungen über den Opcrationöplan schon bezeichnete. Als eigentlichen Schau¬
platz haben Sie von nun an den Raum- anzusehen, der zwischen Kustendsche
und Silistria einerseits, und Varna und Schumla andrerseits mitten inneliegt.
In diesem Viereck ohne Zweifel fällt die erste Entscheidung. Jenachdem sie
eine größere >oder kleinere war, werden ihre Folgen weit nach rückwärts reichen.
Man hat indeß Gründe zu vermuthen, daß die Russen eine große Schlacht
nicht wagen, sondern das besagte Viereck freiwillig räumen werden, was immer¬
hin auch eine Entscheidung sein würde. Bereits kennen wir die Nachricht von
der Verlegung deö russischen Hauptquartiers nach Jassv.




Aus Bertin

.
Der Antwort, des Petersburger Cabinets auf die östreichische Sommation
sieht man mit äußerster Spannung entgegen; denn es ist möglich, daß sie die
europäische Verwicklung in eine neue und eigenthümliche Phase führt, welche
auch für die Haltung Preußens entscheidend ist. Neben der "Unterstützung",
welche Preußen der Sommation angedeihen läßt, hat das Berliner Cabinet noch
geheime Vorschläge dem Petersburger Hofe gemacht, denen zufolge eine ein-


Seite stellen. Den militärischen Theil Ihrer geehrten Leser mache ich darauf
aufmerksam, daß die Geschichte des Kampfes vor letzterem Platze, namentlich
die Bestreitung des Besitzes der Wolssschanze, einen guttreffenden Vergleich
mit Silistria darbietet.

Von den Operationen Omer Paschas und seiner Verbündeten weiß man
wenig Zuverlässiges. Soviel ist gewiß, daß die Engländer einen größern
Eifer, im Felde mit dem Feinde handgemein zu werden, entfalten, als die
Franzosen. Marschall Se. Arnaud scheint kaum ein anderer Ehrgeiz innezu-
wohnen, wie der: wenigstens der Cunctator dieses Krieges genannt zu werden.
Während die Engländer den Seeweg nach Rama einschlugen, werden> die
meisten französischen Truppen zu Lande nach den Balkanpässen vorgeschoben.
Dieselben werden allem Vermuthen nach viel von der Hitze auszuhalten
haben, und ihr lebendiges Material, die Pferde, werden nach dem langen
Marsche minder frisch auf dem Platze der Entscheidung anlangen, wie die eng¬
lischen. Von den letzteren heißt es, daß bereits zwei Regimenter (Dragoner)
hinter dem Dewno concentrirt seien.

Im allgemeinen wird von den zu erwartenden Kriegsunternehmungen die
Grenze innegehalten werden, welche ich Ihnen in meinen mehrfachen Erörte¬
rungen über den Opcrationöplan schon bezeichnete. Als eigentlichen Schau¬
platz haben Sie von nun an den Raum- anzusehen, der zwischen Kustendsche
und Silistria einerseits, und Varna und Schumla andrerseits mitten inneliegt.
In diesem Viereck ohne Zweifel fällt die erste Entscheidung. Jenachdem sie
eine größere >oder kleinere war, werden ihre Folgen weit nach rückwärts reichen.
Man hat indeß Gründe zu vermuthen, daß die Russen eine große Schlacht
nicht wagen, sondern das besagte Viereck freiwillig räumen werden, was immer¬
hin auch eine Entscheidung sein würde. Bereits kennen wir die Nachricht von
der Verlegung deö russischen Hauptquartiers nach Jassv.




Aus Bertin

.
Der Antwort, des Petersburger Cabinets auf die östreichische Sommation
sieht man mit äußerster Spannung entgegen; denn es ist möglich, daß sie die
europäische Verwicklung in eine neue und eigenthümliche Phase führt, welche
auch für die Haltung Preußens entscheidend ist. Neben der „Unterstützung",
welche Preußen der Sommation angedeihen läßt, hat das Berliner Cabinet noch
geheime Vorschläge dem Petersburger Hofe gemacht, denen zufolge eine ein-


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[0074] Seite stellen. Den militärischen Theil Ihrer geehrten Leser mache ich darauf aufmerksam, daß die Geschichte des Kampfes vor letzterem Platze, namentlich die Bestreitung des Besitzes der Wolssschanze, einen guttreffenden Vergleich mit Silistria darbietet. Von den Operationen Omer Paschas und seiner Verbündeten weiß man wenig Zuverlässiges. Soviel ist gewiß, daß die Engländer einen größern Eifer, im Felde mit dem Feinde handgemein zu werden, entfalten, als die Franzosen. Marschall Se. Arnaud scheint kaum ein anderer Ehrgeiz innezu- wohnen, wie der: wenigstens der Cunctator dieses Krieges genannt zu werden. Während die Engländer den Seeweg nach Rama einschlugen, werden> die meisten französischen Truppen zu Lande nach den Balkanpässen vorgeschoben. Dieselben werden allem Vermuthen nach viel von der Hitze auszuhalten haben, und ihr lebendiges Material, die Pferde, werden nach dem langen Marsche minder frisch auf dem Platze der Entscheidung anlangen, wie die eng¬ lischen. Von den letzteren heißt es, daß bereits zwei Regimenter (Dragoner) hinter dem Dewno concentrirt seien. Im allgemeinen wird von den zu erwartenden Kriegsunternehmungen die Grenze innegehalten werden, welche ich Ihnen in meinen mehrfachen Erörte¬ rungen über den Opcrationöplan schon bezeichnete. Als eigentlichen Schau¬ platz haben Sie von nun an den Raum- anzusehen, der zwischen Kustendsche und Silistria einerseits, und Varna und Schumla andrerseits mitten inneliegt. In diesem Viereck ohne Zweifel fällt die erste Entscheidung. Jenachdem sie eine größere >oder kleinere war, werden ihre Folgen weit nach rückwärts reichen. Man hat indeß Gründe zu vermuthen, daß die Russen eine große Schlacht nicht wagen, sondern das besagte Viereck freiwillig räumen werden, was immer¬ hin auch eine Entscheidung sein würde. Bereits kennen wir die Nachricht von der Verlegung deö russischen Hauptquartiers nach Jassv. Aus Bertin . Der Antwort, des Petersburger Cabinets auf die östreichische Sommation sieht man mit äußerster Spannung entgegen; denn es ist möglich, daß sie die europäische Verwicklung in eine neue und eigenthümliche Phase führt, welche auch für die Haltung Preußens entscheidend ist. Neben der „Unterstützung", welche Preußen der Sommation angedeihen läßt, hat das Berliner Cabinet noch geheime Vorschläge dem Petersburger Hofe gemacht, denen zufolge eine ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/74>, abgerufen am 09.11.2024.