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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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über die Hohen, die rückwärts Pera einschließen, zu den "süßen Gewässern
von Europa" führt. Man hat dabei Konstantinopel zur Linken und rechts
jene unangebaute Hügelmelt, welche seine Umgegend ausmacht; nur hier und
dort gewahrt man ein Landhaus, ein Gutsgebäude oder einen von Mauern
eingeschlossenen Garten. Interessant wird die Gegend erst, wenn man das
enge und tief eingeschnittene Thal der süßen Gewässer erreicht hat, dessen grüne
Wiesenmatten durch den Contrast gehoben werden. Von der Höhe hernieder¬
steigend überschaut man rechter Hand den Laus des Kiahat Hane Su, und links
einen weiten Theil des Kreissegments, von dem die steilen Ufer von Ejub die
Peripherie sind.

Wenn man auf dem Thalgrund der süßen Gewässer angekommen ist, hat
man sich, um nach der zweiten der dicht beisammeuliegendcn Niederungen zu
gelangen, um die Bergzunge herumzuwenden, welche sich zwischen sie einschiebt,
und auf allen Detailplänen von Konstantinopel so charakteristisch hervortritt.
Dieser Theil des Weges ist sehr angenehm. Allerdings ist die Aussicht be¬
grenzt, aber kaum gibt es im meilenweiten Umkreise von Stambul eine lieb¬
lichere. Endlich haben wir die Fili Köpri (die Brücke, welche über das zweite
Gewässer, das Ali Beg Su, hinüberführt) erreicht und stehen am Fuße' des
Plateaus, aus dessen weiterer Fortsetzung die Kaserne gelegen ist. Ich machte
einen kurzen Halt, um vor dem benachbarten Kaffeehaus zu rasten. Seltsame
Gestalten zogen hier meine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren arabische Reiter,
wie ich sie so costümirt noch nie zuvor gesehen hatte. Den Kopf bedeckte ein
Faltenturban, über den das weiße Futter des rothen Burnus in Art einer
Kapuze hinübergezogen war. Letzterer fiel in weiten Falten bis zu den Knien
nieder. Die Beinkleider, wenn man die Pluderhosen so nennen kann, waren
weißgelblich; ein Gürtel mit Pistolen schien ihren Zusammenhang mit einer ge¬
stickten Weste zu vermitteln; die Füße aber waren mit doppelten Stiefeln be¬
deckt: mit sehr feinen inneren, die gestickt zu sein schienen und mit auswendigen
juchtenen stülpen. Als ich noch stand und staunte, hatten die acht Wüsten-
cavaliere ihre Rechnung mit dem Wirth des Keife abgeschlossen und jagten in
jenem wilden Carriere den Berg hinan, der von dem Galop eines geschulten
Pferdes ebenso verschieden ist, wie der Flug eines Geiers von dem der
Taube. Es waren, wie sich nachher zeigte, SipahiS oder eingeborene Reiter
ans Algier.

Eine halbe Stunde darnach hatte ich die Kaserne von Ramid Tschiftlik
erreicht. Hier standen bereits die Beduinen, welche denselben Weg genommen
hatten, aufmarschirt. Vor ihnen hielt ein Picket französische Ordonnanzreiter,
die sich in ihren grünen Uniformen mit den reichen Tressen und den blanken
Säbeln und Karabinern recht vortheilhaft ausnahmen. Im Hof der Kaserne
standen zahlreiche Reihen von Gewehrpyramiden; Truppen -sah ich noch nicht.


über die Hohen, die rückwärts Pera einschließen, zu den „süßen Gewässern
von Europa" führt. Man hat dabei Konstantinopel zur Linken und rechts
jene unangebaute Hügelmelt, welche seine Umgegend ausmacht; nur hier und
dort gewahrt man ein Landhaus, ein Gutsgebäude oder einen von Mauern
eingeschlossenen Garten. Interessant wird die Gegend erst, wenn man das
enge und tief eingeschnittene Thal der süßen Gewässer erreicht hat, dessen grüne
Wiesenmatten durch den Contrast gehoben werden. Von der Höhe hernieder¬
steigend überschaut man rechter Hand den Laus des Kiahat Hane Su, und links
einen weiten Theil des Kreissegments, von dem die steilen Ufer von Ejub die
Peripherie sind.

Wenn man auf dem Thalgrund der süßen Gewässer angekommen ist, hat
man sich, um nach der zweiten der dicht beisammeuliegendcn Niederungen zu
gelangen, um die Bergzunge herumzuwenden, welche sich zwischen sie einschiebt,
und auf allen Detailplänen von Konstantinopel so charakteristisch hervortritt.
Dieser Theil des Weges ist sehr angenehm. Allerdings ist die Aussicht be¬
grenzt, aber kaum gibt es im meilenweiten Umkreise von Stambul eine lieb¬
lichere. Endlich haben wir die Fili Köpri (die Brücke, welche über das zweite
Gewässer, das Ali Beg Su, hinüberführt) erreicht und stehen am Fuße' des
Plateaus, aus dessen weiterer Fortsetzung die Kaserne gelegen ist. Ich machte
einen kurzen Halt, um vor dem benachbarten Kaffeehaus zu rasten. Seltsame
Gestalten zogen hier meine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren arabische Reiter,
wie ich sie so costümirt noch nie zuvor gesehen hatte. Den Kopf bedeckte ein
Faltenturban, über den das weiße Futter des rothen Burnus in Art einer
Kapuze hinübergezogen war. Letzterer fiel in weiten Falten bis zu den Knien
nieder. Die Beinkleider, wenn man die Pluderhosen so nennen kann, waren
weißgelblich; ein Gürtel mit Pistolen schien ihren Zusammenhang mit einer ge¬
stickten Weste zu vermitteln; die Füße aber waren mit doppelten Stiefeln be¬
deckt: mit sehr feinen inneren, die gestickt zu sein schienen und mit auswendigen
juchtenen stülpen. Als ich noch stand und staunte, hatten die acht Wüsten-
cavaliere ihre Rechnung mit dem Wirth des Keife abgeschlossen und jagten in
jenem wilden Carriere den Berg hinan, der von dem Galop eines geschulten
Pferdes ebenso verschieden ist, wie der Flug eines Geiers von dem der
Taube. Es waren, wie sich nachher zeigte, SipahiS oder eingeborene Reiter
ans Algier.

Eine halbe Stunde darnach hatte ich die Kaserne von Ramid Tschiftlik
erreicht. Hier standen bereits die Beduinen, welche denselben Weg genommen
hatten, aufmarschirt. Vor ihnen hielt ein Picket französische Ordonnanzreiter,
die sich in ihren grünen Uniformen mit den reichen Tressen und den blanken
Säbeln und Karabinern recht vortheilhaft ausnahmen. Im Hof der Kaserne
standen zahlreiche Reihen von Gewehrpyramiden; Truppen -sah ich noch nicht.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/68>, abgerufen am 01.09.2024.