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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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gemäß auf dem zerrissenen Terrain auch das Volksleben am frühesten zerrissen
und zersplittert werden, und in diese Nisse setzte sich moderne Bildung und mit
ihr die Empfänglichkeit auch für die revolutionären Producte derselben, während
ein auf massenhaft gruppirten Terrain heimisches, massenhaft abgeschlossenes
Volksthum ungleich spröder und zäher in seinen Eigenthümlichkeiten verharren
wird. Den mitteldeutschen Stämmen fehlt jene ausschließende Einseitigkeit, aus
welcher sich große Volksgruppen als ein einheitliches, zäh beharrendes Original¬
genie entwickelten, wie diese Einseitigkeit den geognostischen und geographischen
Bildungen seines Lebens fehlt." --


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer.
Von Ednard Frh. v. CaUot. S. Bd. Leipzig, Kollmann. --

Wir haben aus dieses interessante Buch schon mehrmals hingewiesen;
wir begnügen uns dies Mal, aus dem einen Bande die Beschreibung einer ägyp¬
tischen Landschaft mitzutheilen. Zuerst die Ruinen von Abidos, des ural¬
ten This.

Diese prächtige Stadt gehörte unter die ältesten des Landes, und hier
herrschten selbstständige, von Theben unabhängige Pharaonen, die Thiniten in
zwei Dynastien; hier soll auch des Osiris Grab sein. Später wurde This
mit Aegypten vereinigt, und hier stand der prächtige Palast des Memnon. Nur
wenige Spuren aus letzteren Zeitalter sind noch übrig. Ich sand dort die
Ruinen des erwähnten Palastes, der beinahe bis zu seiner Höhe in Schutt
und Sand begraben ist. Ich glaube es würde lohnend sein, dieses ganze große
Bauwerk auszugraben und abzuräumen, aber freilich dürfte diese Arbeit bedeu¬
tende Kräfte in Anspruch nehmen. Ich gelangte trotz des Schuttes mühselig
genug ins Innere des Memnoniums, und stieß auf einen durch 24 Säulen in
Zwei Reihen gestützten Saal mit sechs nach zwei Seiten öffnenden Thoren; auf
der einen kam ich in einen zweiten Saal, der von 13 Pilastern und 39 Säu¬
len getragen wird. An diese Säle reihen sich zwei Abtheilungen von Ban
werken, deren das eine -12, das andere 3 längliche gewölbte Hallen hat. Die
Capitäler der Säulen der Säle sind kelchartig, und die Schäfte in der Mitte
dicker als oben und unten. Gewölbe und Seitenwände sind reich mit Hiero¬
glyphen, Sternen, Vögeln, Sphinren, Osirisbildern mit dem Sperberköpfe,
Nachen und darüber schwebenden Adlern geziert; doch hat alles eine dunkle
Färbung. Ich fand die Ringe Remeses II. Die Arbeit der Bilder und Hiero¬
glyphen ist vortrefflich gemeißelt. Beiläufig 200 Schritte nördlich von 'dieser
prächtigen Ruine erblickte ich eine Reihe von Hallen aus rothem Granit, an
d^e sich zwei Granitthore mit Porphyrpilastern schließen. In der einen fand
ich an einer der Wände jene berühmte Tafel, welche die nächsten Aufschlüsse
über dreißig Vorfahren Remeses III. gegeben hat. Diese sind in den zwei öde-


gemäß auf dem zerrissenen Terrain auch das Volksleben am frühesten zerrissen
und zersplittert werden, und in diese Nisse setzte sich moderne Bildung und mit
ihr die Empfänglichkeit auch für die revolutionären Producte derselben, während
ein auf massenhaft gruppirten Terrain heimisches, massenhaft abgeschlossenes
Volksthum ungleich spröder und zäher in seinen Eigenthümlichkeiten verharren
wird. Den mitteldeutschen Stämmen fehlt jene ausschließende Einseitigkeit, aus
welcher sich große Volksgruppen als ein einheitliches, zäh beharrendes Original¬
genie entwickelten, wie diese Einseitigkeit den geognostischen und geographischen
Bildungen seines Lebens fehlt." —


Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer.
Von Ednard Frh. v. CaUot. S. Bd. Leipzig, Kollmann. —

Wir haben aus dieses interessante Buch schon mehrmals hingewiesen;
wir begnügen uns dies Mal, aus dem einen Bande die Beschreibung einer ägyp¬
tischen Landschaft mitzutheilen. Zuerst die Ruinen von Abidos, des ural¬
ten This.

Diese prächtige Stadt gehörte unter die ältesten des Landes, und hier
herrschten selbstständige, von Theben unabhängige Pharaonen, die Thiniten in
zwei Dynastien; hier soll auch des Osiris Grab sein. Später wurde This
mit Aegypten vereinigt, und hier stand der prächtige Palast des Memnon. Nur
wenige Spuren aus letzteren Zeitalter sind noch übrig. Ich sand dort die
Ruinen des erwähnten Palastes, der beinahe bis zu seiner Höhe in Schutt
und Sand begraben ist. Ich glaube es würde lohnend sein, dieses ganze große
Bauwerk auszugraben und abzuräumen, aber freilich dürfte diese Arbeit bedeu¬
tende Kräfte in Anspruch nehmen. Ich gelangte trotz des Schuttes mühselig
genug ins Innere des Memnoniums, und stieß auf einen durch 24 Säulen in
Zwei Reihen gestützten Saal mit sechs nach zwei Seiten öffnenden Thoren; auf
der einen kam ich in einen zweiten Saal, der von 13 Pilastern und 39 Säu¬
len getragen wird. An diese Säle reihen sich zwei Abtheilungen von Ban
werken, deren das eine -12, das andere 3 längliche gewölbte Hallen hat. Die
Capitäler der Säulen der Säle sind kelchartig, und die Schäfte in der Mitte
dicker als oben und unten. Gewölbe und Seitenwände sind reich mit Hiero¬
glyphen, Sternen, Vögeln, Sphinren, Osirisbildern mit dem Sperberköpfe,
Nachen und darüber schwebenden Adlern geziert; doch hat alles eine dunkle
Färbung. Ich fand die Ringe Remeses II. Die Arbeit der Bilder und Hiero¬
glyphen ist vortrefflich gemeißelt. Beiläufig 200 Schritte nördlich von 'dieser
prächtigen Ruine erblickte ich eine Reihe von Hallen aus rothem Granit, an
d^e sich zwei Granitthore mit Porphyrpilastern schließen. In der einen fand
ich an einer der Wände jene berühmte Tafel, welche die nächsten Aufschlüsse
über dreißig Vorfahren Remeses III. gegeben hat. Diese sind in den zwei öde-


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[0519] gemäß auf dem zerrissenen Terrain auch das Volksleben am frühesten zerrissen und zersplittert werden, und in diese Nisse setzte sich moderne Bildung und mit ihr die Empfänglichkeit auch für die revolutionären Producte derselben, während ein auf massenhaft gruppirten Terrain heimisches, massenhaft abgeschlossenes Volksthum ungleich spröder und zäher in seinen Eigenthümlichkeiten verharren wird. Den mitteldeutschen Stämmen fehlt jene ausschließende Einseitigkeit, aus welcher sich große Volksgruppen als ein einheitliches, zäh beharrendes Original¬ genie entwickelten, wie diese Einseitigkeit den geognostischen und geographischen Bildungen seines Lebens fehlt." — Der Orient und Europa. Erinnerungen und Reisebilder von Land und Meer. Von Ednard Frh. v. CaUot. S. Bd. Leipzig, Kollmann. — Wir haben aus dieses interessante Buch schon mehrmals hingewiesen; wir begnügen uns dies Mal, aus dem einen Bande die Beschreibung einer ägyp¬ tischen Landschaft mitzutheilen. Zuerst die Ruinen von Abidos, des ural¬ ten This. Diese prächtige Stadt gehörte unter die ältesten des Landes, und hier herrschten selbstständige, von Theben unabhängige Pharaonen, die Thiniten in zwei Dynastien; hier soll auch des Osiris Grab sein. Später wurde This mit Aegypten vereinigt, und hier stand der prächtige Palast des Memnon. Nur wenige Spuren aus letzteren Zeitalter sind noch übrig. Ich sand dort die Ruinen des erwähnten Palastes, der beinahe bis zu seiner Höhe in Schutt und Sand begraben ist. Ich glaube es würde lohnend sein, dieses ganze große Bauwerk auszugraben und abzuräumen, aber freilich dürfte diese Arbeit bedeu¬ tende Kräfte in Anspruch nehmen. Ich gelangte trotz des Schuttes mühselig genug ins Innere des Memnoniums, und stieß auf einen durch 24 Säulen in Zwei Reihen gestützten Saal mit sechs nach zwei Seiten öffnenden Thoren; auf der einen kam ich in einen zweiten Saal, der von 13 Pilastern und 39 Säu¬ len getragen wird. An diese Säle reihen sich zwei Abtheilungen von Ban werken, deren das eine -12, das andere 3 längliche gewölbte Hallen hat. Die Capitäler der Säulen der Säle sind kelchartig, und die Schäfte in der Mitte dicker als oben und unten. Gewölbe und Seitenwände sind reich mit Hiero¬ glyphen, Sternen, Vögeln, Sphinren, Osirisbildern mit dem Sperberköpfe, Nachen und darüber schwebenden Adlern geziert; doch hat alles eine dunkle Färbung. Ich fand die Ringe Remeses II. Die Arbeit der Bilder und Hiero¬ glyphen ist vortrefflich gemeißelt. Beiläufig 200 Schritte nördlich von 'dieser prächtigen Ruine erblickte ich eine Reihe von Hallen aus rothem Granit, an d^e sich zwei Granitthore mit Porphyrpilastern schließen. In der einen fand ich an einer der Wände jene berühmte Tafel, welche die nächsten Aufschlüsse über dreißig Vorfahren Remeses III. gegeben hat. Diese sind in den zwei öde-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/519>, abgerufen am 09.11.2024.