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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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leicht könnte man die Verzierung eine überladene nennen, wenn die einzelnen
Theile derselben groß genug wären, um auch in geringer Entfernung sich
geltend machen zu können. Dies ist aber nirgends der Fall. Tritt man an
eine Wand nahe heran, so ist sie ganz und gar bedeckt mit feinen Sculpturen,
ebenso oft aus verschlungenen Koransprüchen und Lobpreisungen der Herrscher
(wozu sich die arabische Schrift sehr gut eignet), wie aus eigentlichen Ara¬
besken -- deren Name ja eben hier seine Geburtsstätte hat -- und Ent¬
lehnungen aus der Pflanzenwelt. Man sieht dabei, daß auf einer großen
Wand oft die verschiedensten Zierrathen felderweise und ohne Ordnung ab¬
wechseln, während wir es für eine Unmöglichkeit halten würden, auf einer
Wand vom Zimmermaler felderweise verschieden gezeichnete Schablonen malen
W lassen. Tritt man aber nur sechs oder acht Schritt zurück, so verschwindet
die Verschiedenartigkeit der Verzierungen durch ihre Feinheit und man glaubt
feines, blaßgelbliches Spitzengewebe über die buntfarbige Wand gespannt.
Es sind nämlich alle Vertiefungen zwischen den sehr symmetrisch vertheilten,
immer den reinen, etwas gelblich gefärbten Gyps zeigenden Reliefs mit ver¬
schiedenen, aber immer leuchtenden und entschiedenen Farben angemalt, so daß
dadurch zwischen den Reliefs die elegantesten bunten Figuren und Zeichnungen,
als Sonnen, Rosetten, Sterne u. dergl. entstehen. Man hat in neuerer Zeit
^hr geschmackvolle bunte Luruspapiere, welche einen passenden Vergleich mit
crier Wanddecoration der Alhambra abgeben. Ich möchte es einen Charakter
d^r maurischen Wanddecoration nennen, die schwere Aufgabe zu lösen, eine
große Wand ganz mit ungleichen Sculpturen zu bedecken, deren Ungleichheit
der Ferne wieder verschwindet. Wie eine blumige Wiese, auf welcher die
Blumen ungleichmäßig vertheilt sind, von weitem dennoch aussieht, als wäre
von Floras Hand mit größtem Fleiße arrangirt. Freilich sind nicht überall
Farben noch lebhaft. Aber in einem Sale hatte man sie an einer Wand
wieder aufgefrischt, und ich konnte daraus abnehmen, daß die Zimmer der Al-
hambra, als sie noch in ihrer Farbenpracht glänzten, einen eigenthümlichen
Effect hervorgebracht haben müssen. Es ist mir schwer, ihn verständlich zu
^'zeichnen. Die Zimmerdecoration der Mauren war wie sie selbst waren,
dämlich im Gesammteindruck einfach, ernst, aber in ihrer Rede blühend und
bilderreich. Diese Mauern reden auch. Ich habe mich stundenlang mit den
Wänden eines Sales unterhalten, ehe ich alle die hunderterlei kleinen Zier-
^Aber verstanden und unterschieden hatte. Mit dem Beschauen eines deutschen
°der französischen Prunksales ist man bald fertig. Uebrigens ist Sculptur hier
"'ehe das richtige Wort, denn nirgends sieht man die Arbeit des Meisels.
^lief ist blos Abguß in Gyps. Es sind, meist blos etwa 8 Zoll ins Geviert
große Gypsplatten, mit welchen die Wände bekleidet sind, und deren Ver¬
dungen miteinander so correspondiren, daß sich daraus eben die phantastischen


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leicht könnte man die Verzierung eine überladene nennen, wenn die einzelnen
Theile derselben groß genug wären, um auch in geringer Entfernung sich
geltend machen zu können. Dies ist aber nirgends der Fall. Tritt man an
eine Wand nahe heran, so ist sie ganz und gar bedeckt mit feinen Sculpturen,
ebenso oft aus verschlungenen Koransprüchen und Lobpreisungen der Herrscher
(wozu sich die arabische Schrift sehr gut eignet), wie aus eigentlichen Ara¬
besken — deren Name ja eben hier seine Geburtsstätte hat — und Ent¬
lehnungen aus der Pflanzenwelt. Man sieht dabei, daß auf einer großen
Wand oft die verschiedensten Zierrathen felderweise und ohne Ordnung ab¬
wechseln, während wir es für eine Unmöglichkeit halten würden, auf einer
Wand vom Zimmermaler felderweise verschieden gezeichnete Schablonen malen
W lassen. Tritt man aber nur sechs oder acht Schritt zurück, so verschwindet
die Verschiedenartigkeit der Verzierungen durch ihre Feinheit und man glaubt
feines, blaßgelbliches Spitzengewebe über die buntfarbige Wand gespannt.
Es sind nämlich alle Vertiefungen zwischen den sehr symmetrisch vertheilten,
immer den reinen, etwas gelblich gefärbten Gyps zeigenden Reliefs mit ver¬
schiedenen, aber immer leuchtenden und entschiedenen Farben angemalt, so daß
dadurch zwischen den Reliefs die elegantesten bunten Figuren und Zeichnungen,
als Sonnen, Rosetten, Sterne u. dergl. entstehen. Man hat in neuerer Zeit
^hr geschmackvolle bunte Luruspapiere, welche einen passenden Vergleich mit
crier Wanddecoration der Alhambra abgeben. Ich möchte es einen Charakter
d^r maurischen Wanddecoration nennen, die schwere Aufgabe zu lösen, eine
große Wand ganz mit ungleichen Sculpturen zu bedecken, deren Ungleichheit
der Ferne wieder verschwindet. Wie eine blumige Wiese, auf welcher die
Blumen ungleichmäßig vertheilt sind, von weitem dennoch aussieht, als wäre
von Floras Hand mit größtem Fleiße arrangirt. Freilich sind nicht überall
Farben noch lebhaft. Aber in einem Sale hatte man sie an einer Wand
wieder aufgefrischt, und ich konnte daraus abnehmen, daß die Zimmer der Al-
hambra, als sie noch in ihrer Farbenpracht glänzten, einen eigenthümlichen
Effect hervorgebracht haben müssen. Es ist mir schwer, ihn verständlich zu
^'zeichnen. Die Zimmerdecoration der Mauren war wie sie selbst waren,
dämlich im Gesammteindruck einfach, ernst, aber in ihrer Rede blühend und
bilderreich. Diese Mauern reden auch. Ich habe mich stundenlang mit den
Wänden eines Sales unterhalten, ehe ich alle die hunderterlei kleinen Zier-
^Aber verstanden und unterschieden hatte. Mit dem Beschauen eines deutschen
°der französischen Prunksales ist man bald fertig. Uebrigens ist Sculptur hier
"'ehe das richtige Wort, denn nirgends sieht man die Arbeit des Meisels.
^lief ist blos Abguß in Gyps. Es sind, meist blos etwa 8 Zoll ins Geviert
große Gypsplatten, mit welchen die Wände bekleidet sind, und deren Ver¬
dungen miteinander so correspondiren, daß sich daraus eben die phantastischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/513>, abgerufen am 27.07.2024.