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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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gibt, Erlösung aus dem bösen Baume, in dem ihn die Charlatanerie des Pa¬
lais Royal festhielt. Im Passage Choiseul ist auch eine solche Nestaurirungsan-
stalt für 32 Sous, und hart daneben befindet sich eine andere Anstalt, die das
Gegentheil von jener ist und die sich noch dadurch vortheilhaft vor ihr aus¬
zeichnet, daß sie uns ihre erwünschten Dienste für nur 3 Sous leistet. Ein
Habitue dieser die Geruchlosigkeit in ihrem Schilde führenden Institution be¬
klagte sich einst beim Eigenthümer über die Dissonanz zwischen der Verheißung
auf dem Schilde und der Atmosphäre der Wirklichkeit. "Ach, lieber Herr,"
erwiderte der gekränkte Eigenthümer, "wie soll ich mir helfen! seitdem dieser
Vermaledeite Restaurant neben uns sich befindet, ist es nicht mehr auszuhalten !"
Das verletzte Selbstgefühl hatte diesen Mann zu einer vortrefflichen Satire
aufgestachelt. Der arme Ludwig Börne hatte das Glück, gegenüber vom Pa¬
lais Royal zu wohnen, und er sah diesen-Teufeln in ihre Hexenküchen. Seither
hütete er sich, die verführerischen Häuser zu betreten. Man müßte die Pariser
>n diese Küche führen, um sie von ihrem blinden Glauben an dieses gefähr¬
liche Vorurtheil zu heilen, welches von-r ^ 2 trames heißt. Deutscher Jüng¬
ling, den seine Wißbegierde nach Paris führt, hüte dich vor den gleißnerischen
Verheißungen der billigen Restaurants. Suche in eine von den vielen pen-
5wils Kouigooisös eingeführt zu werden oder gehe zu einem bescheidenen Restau¬
rant ohne Spiegel und Auslegekasten, bezahle deine zwei Franken für eine
Speise und eine halbe Flasche Wein und preise Gott, der uns unser tägliches
Brot gibt. Einige Etablissements in Paris, wie die Taverne von Lucas nächst
^r Madelainenkirche oder das Speisehaus von Madame Morel nächst der ko¬
mischen Oper, wo man für' drei Franken ungefähr, ohne optische Täuschung, ein
einfaches Mittagmahl finden kann, empfehlen wir dir auch. Madame Morel
schriet sich noch durch die artigen Aufwärterinnen zu ihrem Vortheile vor
andern Anstalten dieser Art aus. Ihre Clicntele ist aus den entgegengesetz¬
tsten Elementen zusammengesetzt, sie hat Künstler und Bör^sejünger zu alltäg¬
lichen Gästen. Deutsche Maler und'Musiker nebst deutschen und französischen
Vvrsespeculanten drängen sich in den niedrigen und engen Räumen zusammen.
^ mgrg jvlvrsl hat nämlich nicht umsonst mit Musikern soviel Umgang, sie
hat dem Conservatorium sein Geheimniß abgelockt -- ihre Säle sind kleiner,
^ sie ihrem zahlreichen Publicum nach sein müßten. Man findet keinen
Platz, also drängt man sich zu. Um findet man den Speisezettel abge¬
paust, als ob die Kosacken da gewirthschaftet hätten. Das behält ihr das Ver¬
tuen, weil man sich so überzeugt, daß alle Speisen frisch sein müssen. In
^'N Restaurants vom Palais Royal essen vielleicht zwei oder drei Personen
leidlich, das sind geduldige Seelen, welche das Repertoir auf Kosten ihres
Wagens studirt haben und wie die Pointirer an den Spieltischen die Num¬
mern verfolgen, die lange nicht herausgekommen. Treten Sie aber in einen


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gibt, Erlösung aus dem bösen Baume, in dem ihn die Charlatanerie des Pa¬
lais Royal festhielt. Im Passage Choiseul ist auch eine solche Nestaurirungsan-
stalt für 32 Sous, und hart daneben befindet sich eine andere Anstalt, die das
Gegentheil von jener ist und die sich noch dadurch vortheilhaft vor ihr aus¬
zeichnet, daß sie uns ihre erwünschten Dienste für nur 3 Sous leistet. Ein
Habitue dieser die Geruchlosigkeit in ihrem Schilde führenden Institution be¬
klagte sich einst beim Eigenthümer über die Dissonanz zwischen der Verheißung
auf dem Schilde und der Atmosphäre der Wirklichkeit. „Ach, lieber Herr,"
erwiderte der gekränkte Eigenthümer, „wie soll ich mir helfen! seitdem dieser
Vermaledeite Restaurant neben uns sich befindet, ist es nicht mehr auszuhalten !"
Das verletzte Selbstgefühl hatte diesen Mann zu einer vortrefflichen Satire
aufgestachelt. Der arme Ludwig Börne hatte das Glück, gegenüber vom Pa¬
lais Royal zu wohnen, und er sah diesen-Teufeln in ihre Hexenküchen. Seither
hütete er sich, die verführerischen Häuser zu betreten. Man müßte die Pariser
>n diese Küche führen, um sie von ihrem blinden Glauben an dieses gefähr¬
liche Vorurtheil zu heilen, welches von-r ^ 2 trames heißt. Deutscher Jüng¬
ling, den seine Wißbegierde nach Paris führt, hüte dich vor den gleißnerischen
Verheißungen der billigen Restaurants. Suche in eine von den vielen pen-
5wils Kouigooisös eingeführt zu werden oder gehe zu einem bescheidenen Restau¬
rant ohne Spiegel und Auslegekasten, bezahle deine zwei Franken für eine
Speise und eine halbe Flasche Wein und preise Gott, der uns unser tägliches
Brot gibt. Einige Etablissements in Paris, wie die Taverne von Lucas nächst
^r Madelainenkirche oder das Speisehaus von Madame Morel nächst der ko¬
mischen Oper, wo man für' drei Franken ungefähr, ohne optische Täuschung, ein
einfaches Mittagmahl finden kann, empfehlen wir dir auch. Madame Morel
schriet sich noch durch die artigen Aufwärterinnen zu ihrem Vortheile vor
andern Anstalten dieser Art aus. Ihre Clicntele ist aus den entgegengesetz¬
tsten Elementen zusammengesetzt, sie hat Künstler und Bör^sejünger zu alltäg¬
lichen Gästen. Deutsche Maler und'Musiker nebst deutschen und französischen
Vvrsespeculanten drängen sich in den niedrigen und engen Räumen zusammen.
^ mgrg jvlvrsl hat nämlich nicht umsonst mit Musikern soviel Umgang, sie
hat dem Conservatorium sein Geheimniß abgelockt — ihre Säle sind kleiner,
^ sie ihrem zahlreichen Publicum nach sein müßten. Man findet keinen
Platz, also drängt man sich zu. Um findet man den Speisezettel abge¬
paust, als ob die Kosacken da gewirthschaftet hätten. Das behält ihr das Ver¬
tuen, weil man sich so überzeugt, daß alle Speisen frisch sein müssen. In
^'N Restaurants vom Palais Royal essen vielleicht zwei oder drei Personen
leidlich, das sind geduldige Seelen, welche das Repertoir auf Kosten ihres
Wagens studirt haben und wie die Pointirer an den Spieltischen die Num¬
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[0481] gibt, Erlösung aus dem bösen Baume, in dem ihn die Charlatanerie des Pa¬ lais Royal festhielt. Im Passage Choiseul ist auch eine solche Nestaurirungsan- stalt für 32 Sous, und hart daneben befindet sich eine andere Anstalt, die das Gegentheil von jener ist und die sich noch dadurch vortheilhaft vor ihr aus¬ zeichnet, daß sie uns ihre erwünschten Dienste für nur 3 Sous leistet. Ein Habitue dieser die Geruchlosigkeit in ihrem Schilde führenden Institution be¬ klagte sich einst beim Eigenthümer über die Dissonanz zwischen der Verheißung auf dem Schilde und der Atmosphäre der Wirklichkeit. „Ach, lieber Herr," erwiderte der gekränkte Eigenthümer, „wie soll ich mir helfen! seitdem dieser Vermaledeite Restaurant neben uns sich befindet, ist es nicht mehr auszuhalten !" Das verletzte Selbstgefühl hatte diesen Mann zu einer vortrefflichen Satire aufgestachelt. Der arme Ludwig Börne hatte das Glück, gegenüber vom Pa¬ lais Royal zu wohnen, und er sah diesen-Teufeln in ihre Hexenküchen. Seither hütete er sich, die verführerischen Häuser zu betreten. Man müßte die Pariser >n diese Küche führen, um sie von ihrem blinden Glauben an dieses gefähr¬ liche Vorurtheil zu heilen, welches von-r ^ 2 trames heißt. Deutscher Jüng¬ ling, den seine Wißbegierde nach Paris führt, hüte dich vor den gleißnerischen Verheißungen der billigen Restaurants. Suche in eine von den vielen pen- 5wils Kouigooisös eingeführt zu werden oder gehe zu einem bescheidenen Restau¬ rant ohne Spiegel und Auslegekasten, bezahle deine zwei Franken für eine Speise und eine halbe Flasche Wein und preise Gott, der uns unser tägliches Brot gibt. Einige Etablissements in Paris, wie die Taverne von Lucas nächst ^r Madelainenkirche oder das Speisehaus von Madame Morel nächst der ko¬ mischen Oper, wo man für' drei Franken ungefähr, ohne optische Täuschung, ein einfaches Mittagmahl finden kann, empfehlen wir dir auch. Madame Morel schriet sich noch durch die artigen Aufwärterinnen zu ihrem Vortheile vor andern Anstalten dieser Art aus. Ihre Clicntele ist aus den entgegengesetz¬ tsten Elementen zusammengesetzt, sie hat Künstler und Bör^sejünger zu alltäg¬ lichen Gästen. Deutsche Maler und'Musiker nebst deutschen und französischen Vvrsespeculanten drängen sich in den niedrigen und engen Räumen zusammen. ^ mgrg jvlvrsl hat nämlich nicht umsonst mit Musikern soviel Umgang, sie hat dem Conservatorium sein Geheimniß abgelockt — ihre Säle sind kleiner, ^ sie ihrem zahlreichen Publicum nach sein müßten. Man findet keinen Platz, also drängt man sich zu. Um findet man den Speisezettel abge¬ paust, als ob die Kosacken da gewirthschaftet hätten. Das behält ihr das Ver¬ tuen, weil man sich so überzeugt, daß alle Speisen frisch sein müssen. In ^'N Restaurants vom Palais Royal essen vielleicht zwei oder drei Personen leidlich, das sind geduldige Seelen, welche das Repertoir auf Kosten ihres Wagens studirt haben und wie die Pointirer an den Spieltischen die Num¬ mern verfolgen, die lange nicht herausgekommen. Treten Sie aber in einen Grenzboten. III. 4 8si. K0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/481>, abgerufen am 01.09.2024.