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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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der Civilisation werden. Der Erfinder des billigen Journals hat eine Methode
erfunden, um fünf Franken ein fürstliches Mittagessen zu liefern. Das ist blos
seine fortgesetzte Thätigkeit als Mitglied des Friedenscongresses, und es ist
darum auch nichts dagegen einzuwenden. In der That werden da die Ange¬
hörigen aller Nationen von den verschiedensten Bildungsstufen und politischen
Meinungen friedlich nebeneinander speisen, ohne einander aufzuessen. Fünf
Franken sind aber ein verhältnißmäßig sehr geringer Preis für all das Schöne
und Gute, das uns die moralische Person, diese kosmopolitische Körperschaft,
die sich "allgemeine gastronomische Gesellschaft" nennt, zu bieten verspricht.
..it I'anärait pas -rvoir omni kleine:s"> um sich den Lockungen dieser Circe
Mit dem verführerischen Messer- und Gabelgeklirre entziehen zu wollen. Der
deutsche Leser, der an seine sardanapalischen Tables dHote von Berlin, Wien
und Hamburg für einen Thaler per Kopf denkt, mag seine Ausrufungen über
die von uns angepriesene Billigkeit bei Seite lassen. -- Paris ist nicht
Deutschland. -- Paris ist dem Magen noch gefährlicher als den Sitten und
dem Beutel. Unter allen Lügen, die seit den verschiedenen constitutionellen
Charten in Frankreich Curs gewonnen haben, sind keine so fürchterlich, als die
Lügen, die man tauseuven von Personen als Diner auftischt. Man bezahlt
durchweg einen imaginären Namen, oder wie bei Börsegeschäften die Differen¬
zen zwischen einem wirklichen Mittagessen und der Illusion gegessen zu haben.
Nichts spricht mehr für die Frugalität, für die Mäßigkeit der Pariser, als diese
abscheulichen Aprilspäße, mit denen sich die Hälfte der Mittelclassen und zwei
Drittheile der Reisenden täglich zum Narren halten lassen.

Seitdem der Lurus aufgehört hat, ein ausschließlich aristokratisches Be¬
dürfniß zu sein, haben sich unternehmende Geister gefunden, die auf die Eitel¬
keit und Prunksucht unsres Zeitalters speculirend, um geringe Preise das Auge
"ud (im uneigentlichen Sinne) die Eigenliebe sättigend, den Magen dafür Buße.
thun lassen. Dieses Treiben währt seit der Julirevolution, wo die Restaurants
in zwei Franken die Spielhöllen von ehemals verdrängt haben und noch zählt
'""n sie zu taufenden, die täglich denselben zum Opfer fallen. .

Es gibt in Paris drei Gattungen von Restaurants, die der ersten Classe,
d'e einen großen, einen gastronomisch-historischen Namen haben und sich diesen
"Ut bezahlen lassen -- wie '1'rois lrörvs provsxiykmx, vakv Sö Paris. Very,
d^ große Velocrr und bis vor wenigen Jahren das Carl"; irnglais. Dann
^in"im die Restaurants zweiter Classe, die einfach theuer sind, als I.a muison
das ('^ 6c- to^ l'dilippv, Vi^Actis, DeMizux u. s. w. In diesen kann
wan nicht unter fünf Franken zu einem mäßigen Mittagmale kommen, in den
^genannten nicht unter zehn Franken. Wenn zwei Personen gemeinschaftlich
^'sen, gestaltet sich der Preis etwas billiger. Hierauf gelangen wir zu
Restaurants " 30 Sous oder zwei Franken im Palais royal, i'n der Rue


der Civilisation werden. Der Erfinder des billigen Journals hat eine Methode
erfunden, um fünf Franken ein fürstliches Mittagessen zu liefern. Das ist blos
seine fortgesetzte Thätigkeit als Mitglied des Friedenscongresses, und es ist
darum auch nichts dagegen einzuwenden. In der That werden da die Ange¬
hörigen aller Nationen von den verschiedensten Bildungsstufen und politischen
Meinungen friedlich nebeneinander speisen, ohne einander aufzuessen. Fünf
Franken sind aber ein verhältnißmäßig sehr geringer Preis für all das Schöne
und Gute, das uns die moralische Person, diese kosmopolitische Körperschaft,
die sich „allgemeine gastronomische Gesellschaft" nennt, zu bieten verspricht.
..it I'anärait pas -rvoir omni kleine:s"> um sich den Lockungen dieser Circe
Mit dem verführerischen Messer- und Gabelgeklirre entziehen zu wollen. Der
deutsche Leser, der an seine sardanapalischen Tables dHote von Berlin, Wien
und Hamburg für einen Thaler per Kopf denkt, mag seine Ausrufungen über
die von uns angepriesene Billigkeit bei Seite lassen. — Paris ist nicht
Deutschland. — Paris ist dem Magen noch gefährlicher als den Sitten und
dem Beutel. Unter allen Lügen, die seit den verschiedenen constitutionellen
Charten in Frankreich Curs gewonnen haben, sind keine so fürchterlich, als die
Lügen, die man tauseuven von Personen als Diner auftischt. Man bezahlt
durchweg einen imaginären Namen, oder wie bei Börsegeschäften die Differen¬
zen zwischen einem wirklichen Mittagessen und der Illusion gegessen zu haben.
Nichts spricht mehr für die Frugalität, für die Mäßigkeit der Pariser, als diese
abscheulichen Aprilspäße, mit denen sich die Hälfte der Mittelclassen und zwei
Drittheile der Reisenden täglich zum Narren halten lassen.

Seitdem der Lurus aufgehört hat, ein ausschließlich aristokratisches Be¬
dürfniß zu sein, haben sich unternehmende Geister gefunden, die auf die Eitel¬
keit und Prunksucht unsres Zeitalters speculirend, um geringe Preise das Auge
"ud (im uneigentlichen Sinne) die Eigenliebe sättigend, den Magen dafür Buße.
thun lassen. Dieses Treiben währt seit der Julirevolution, wo die Restaurants
in zwei Franken die Spielhöllen von ehemals verdrängt haben und noch zählt
'""n sie zu taufenden, die täglich denselben zum Opfer fallen. .

Es gibt in Paris drei Gattungen von Restaurants, die der ersten Classe,
d'e einen großen, einen gastronomisch-historischen Namen haben und sich diesen
"Ut bezahlen lassen — wie '1'rois lrörvs provsxiykmx, vakv Sö Paris. Very,
d^ große Velocrr und bis vor wenigen Jahren das Carl«; irnglais. Dann
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das ('^ 6c- to^ l'dilippv, Vi^Actis, DeMizux u. s. w. In diesen kann
wan nicht unter fünf Franken zu einem mäßigen Mittagmale kommen, in den
^genannten nicht unter zehn Franken. Wenn zwei Personen gemeinschaftlich
^'sen, gestaltet sich der Preis etwas billiger. Hierauf gelangen wir zu
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[0479] der Civilisation werden. Der Erfinder des billigen Journals hat eine Methode erfunden, um fünf Franken ein fürstliches Mittagessen zu liefern. Das ist blos seine fortgesetzte Thätigkeit als Mitglied des Friedenscongresses, und es ist darum auch nichts dagegen einzuwenden. In der That werden da die Ange¬ hörigen aller Nationen von den verschiedensten Bildungsstufen und politischen Meinungen friedlich nebeneinander speisen, ohne einander aufzuessen. Fünf Franken sind aber ein verhältnißmäßig sehr geringer Preis für all das Schöne und Gute, das uns die moralische Person, diese kosmopolitische Körperschaft, die sich „allgemeine gastronomische Gesellschaft" nennt, zu bieten verspricht. ..it I'anärait pas -rvoir omni kleine:s"> um sich den Lockungen dieser Circe Mit dem verführerischen Messer- und Gabelgeklirre entziehen zu wollen. Der deutsche Leser, der an seine sardanapalischen Tables dHote von Berlin, Wien und Hamburg für einen Thaler per Kopf denkt, mag seine Ausrufungen über die von uns angepriesene Billigkeit bei Seite lassen. — Paris ist nicht Deutschland. — Paris ist dem Magen noch gefährlicher als den Sitten und dem Beutel. Unter allen Lügen, die seit den verschiedenen constitutionellen Charten in Frankreich Curs gewonnen haben, sind keine so fürchterlich, als die Lügen, die man tauseuven von Personen als Diner auftischt. Man bezahlt durchweg einen imaginären Namen, oder wie bei Börsegeschäften die Differen¬ zen zwischen einem wirklichen Mittagessen und der Illusion gegessen zu haben. Nichts spricht mehr für die Frugalität, für die Mäßigkeit der Pariser, als diese abscheulichen Aprilspäße, mit denen sich die Hälfte der Mittelclassen und zwei Drittheile der Reisenden täglich zum Narren halten lassen. Seitdem der Lurus aufgehört hat, ein ausschließlich aristokratisches Be¬ dürfniß zu sein, haben sich unternehmende Geister gefunden, die auf die Eitel¬ keit und Prunksucht unsres Zeitalters speculirend, um geringe Preise das Auge "ud (im uneigentlichen Sinne) die Eigenliebe sättigend, den Magen dafür Buße. thun lassen. Dieses Treiben währt seit der Julirevolution, wo die Restaurants in zwei Franken die Spielhöllen von ehemals verdrängt haben und noch zählt '""n sie zu taufenden, die täglich denselben zum Opfer fallen. . Es gibt in Paris drei Gattungen von Restaurants, die der ersten Classe, d'e einen großen, einen gastronomisch-historischen Namen haben und sich diesen "Ut bezahlen lassen — wie '1'rois lrörvs provsxiykmx, vakv Sö Paris. Very, d^ große Velocrr und bis vor wenigen Jahren das Carl«; irnglais. Dann ^in»im die Restaurants zweiter Classe, die einfach theuer sind, als I.a muison das ('^ 6c- to^ l'dilippv, Vi^Actis, DeMizux u. s. w. In diesen kann wan nicht unter fünf Franken zu einem mäßigen Mittagmale kommen, in den ^genannten nicht unter zehn Franken. Wenn zwei Personen gemeinschaftlich ^'sen, gestaltet sich der Preis etwas billiger. Hierauf gelangen wir zu Restaurants " 30 Sous oder zwei Franken im Palais royal, i'n der Rue

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/479>, abgerufen am 27.07.2024.