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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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unverletzt aufrechtzuerhalten, und hatten sie unter Narvaez Auspicken in ei¬
ner Weise abändern sehen müssen, die sie zu einer Scheinverfassung machte.
Jetzt sollten sie mit ihren politischen Gegnern für die Aufrechterhaltung der
Verfassung kämpfen, welche ein großer Theil von ihnen nicht für legal halten
konnte. Als daher die Modercidos den Progressiven Anerbietungen zur Mit¬
wirkung machten, verlangten diese vor allen Dingen Garantien und feste Zu-
sicherungen: Bewaffnung der Nationalgarde und. Revision der Verfassung.
Erstere konnten sich dazu, aber nicht entschließen, obgleich einzelne patriotisch
gesinnte Männer, wie Rios Rosas und ODonnell selbst riethen, die alte Feind¬
schaft dem gemeinsamen Gegner gegenüber zu vergessen. Erfüllt von der Be¬
fürchtung, von den Progressisten, welche die Mehrheit der Nation für sich
hatten, zu weit fortgerissen zu werden, beschlossen die Moderados, allein zu
gehen, fanden aber unter ihrer Partei niemanden, der die Bewegung leiten
konnte, als Militärs.

Eine der Hauptpersonen der Verschwörung war General Domingo Dulce,
Director der Cavalerie, seinen Antecedenzien nach ein Progressist, denn er
hatte an der Spitze einer Anzahl Hellebardirer den Versuch Diego Leons,
die Königin zu entführen, und auf diese Weise Esparteros Regentschaft
Zu stürzen, vereitelt, war auch sonst lange in Esparteros Vertrauen gewesen.
Doch hatte er nie eine sehr entschieden politische Stellung eingenommen, wie
lchon daraus hervorgeht, daß er unter Narvaez Herrschaft zu der Stelle eines
Direcrors der Cavalerie befördert worden war. Beliebt bei den Soldaten,
und kraft seiner dienstlichen Stellung Chef der gesammten Cavalerie Spaniens,
war sein Beitritt wegen der ansehnlichen Militärmacht, über die er nöthigen-
falls gebieten konnte, von großer Wichtigkeit. Andere Mitglieder der Ver¬
schwörung waren General Messina, ein gebildeter Militär, längere Zeit Unter-
siaatssecretär im Kriegsministerium, und ein Vertrauter Narvaez, General Ros
de Olano, und der Brigadier Echaque, ein Baste.

Schon am 13. Juni sollte der Aufstand ausbrechen; alles war dazu vor¬
reitet; das Regiment Principe war ausmarschirt, und wartete auf ein
Eavalerieregiment, welches sich anschließen sollte. Proclamationen waren ge¬
duckt, ODonnell hielt sich bereit, um im entscheidenden Augenblick zu erschei¬
nen, die Artillerie der Garnison, die ihren Beitritt ebenfalls versprochen
^"e, fand sich nicht ein, und Dulce wagte nicht ohne die Zustimmung dieser
wichtigen Waffe sein Unternehmen durchzuführen. Die Genossen beschuldigten
'hu der Unentschlossenheit, sogar der Feigheit und Verrätherei, er aber blieb
^"'g, und behauptete, daß er zum Besten der gemeinsamen Sache so gehau¬
st habe, "ut daß er ihnen in nächster Zukunft beweisen werde, daß er es
"e" mit ihnen meine.

Man weiß nicht, ob es blinde Zuversicht oder das Bewußtsein der Hohlheit


unverletzt aufrechtzuerhalten, und hatten sie unter Narvaez Auspicken in ei¬
ner Weise abändern sehen müssen, die sie zu einer Scheinverfassung machte.
Jetzt sollten sie mit ihren politischen Gegnern für die Aufrechterhaltung der
Verfassung kämpfen, welche ein großer Theil von ihnen nicht für legal halten
konnte. Als daher die Modercidos den Progressiven Anerbietungen zur Mit¬
wirkung machten, verlangten diese vor allen Dingen Garantien und feste Zu-
sicherungen: Bewaffnung der Nationalgarde und. Revision der Verfassung.
Erstere konnten sich dazu, aber nicht entschließen, obgleich einzelne patriotisch
gesinnte Männer, wie Rios Rosas und ODonnell selbst riethen, die alte Feind¬
schaft dem gemeinsamen Gegner gegenüber zu vergessen. Erfüllt von der Be¬
fürchtung, von den Progressisten, welche die Mehrheit der Nation für sich
hatten, zu weit fortgerissen zu werden, beschlossen die Moderados, allein zu
gehen, fanden aber unter ihrer Partei niemanden, der die Bewegung leiten
konnte, als Militärs.

Eine der Hauptpersonen der Verschwörung war General Domingo Dulce,
Director der Cavalerie, seinen Antecedenzien nach ein Progressist, denn er
hatte an der Spitze einer Anzahl Hellebardirer den Versuch Diego Leons,
die Königin zu entführen, und auf diese Weise Esparteros Regentschaft
Zu stürzen, vereitelt, war auch sonst lange in Esparteros Vertrauen gewesen.
Doch hatte er nie eine sehr entschieden politische Stellung eingenommen, wie
lchon daraus hervorgeht, daß er unter Narvaez Herrschaft zu der Stelle eines
Direcrors der Cavalerie befördert worden war. Beliebt bei den Soldaten,
und kraft seiner dienstlichen Stellung Chef der gesammten Cavalerie Spaniens,
war sein Beitritt wegen der ansehnlichen Militärmacht, über die er nöthigen-
falls gebieten konnte, von großer Wichtigkeit. Andere Mitglieder der Ver¬
schwörung waren General Messina, ein gebildeter Militär, längere Zeit Unter-
siaatssecretär im Kriegsministerium, und ein Vertrauter Narvaez, General Ros
de Olano, und der Brigadier Echaque, ein Baste.

Schon am 13. Juni sollte der Aufstand ausbrechen; alles war dazu vor¬
reitet; das Regiment Principe war ausmarschirt, und wartete auf ein
Eavalerieregiment, welches sich anschließen sollte. Proclamationen waren ge¬
duckt, ODonnell hielt sich bereit, um im entscheidenden Augenblick zu erschei¬
nen, die Artillerie der Garnison, die ihren Beitritt ebenfalls versprochen
^"e, fand sich nicht ein, und Dulce wagte nicht ohne die Zustimmung dieser
wichtigen Waffe sein Unternehmen durchzuführen. Die Genossen beschuldigten
'hu der Unentschlossenheit, sogar der Feigheit und Verrätherei, er aber blieb
^»'g, und behauptete, daß er zum Besten der gemeinsamen Sache so gehau¬
st habe, «ut daß er ihnen in nächster Zukunft beweisen werde, daß er es
"e" mit ihnen meine.

Man weiß nicht, ob es blinde Zuversicht oder das Bewußtsein der Hohlheit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/471>, abgerufen am 27.07.2024.