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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ablehnende Antwort, und bat, die Entscheidung abwarten zu dürfen. Die
Folge war, daß sich nun in der Stadt eine mächtige Partei bildete, welche
lieber unter dem Schutze des russischen als preußischen Scepters zu leben
wünschte, weil sie sich unter dem ersteren, welches eine Flotte besaß, mehr
Sicherheit und Schutz ihres Handels versprach. Dadurch kam das preußische
Interesse noch mehr in Gefahr, und wurden die russischen Absichten unterstützt.
Denn es war jetzt klar, was der Herzog und seine nächste Umgebung >>n
Sinne hatten. Schon Kutusow hatte dem General Wittgenstein sehr bestimmt
untersagt, preußische Truppen zur Blockirung von Danzig zu gebrauchen, und
den General Aork unter allerlei Norwänden bewogen, mit seinem Corps über
die Oder zu gehen. Dadurch wurde deutlich genug ausgesprochen, daß Danzig
für Rußland erobert werden solle, wonach die russische Politik schon seit länger
als einem Jahrhundert strebt. War auch in den letzten Allianztractaten etwas
Anderes vom Kaiser Alexander versprochen, so wußte die russische Generalität
doch, daß es nicht schwer und nicht selten war, ein diplomatisches Ueberein¬
kommen auszulösen oder abzuändern. Kaiser Alerander hatte am Sarge Fried¬
richs des Großen vor dem Kriege von 4806 versprochen, mit dem Könige zu
stehen und zu fallen. -Im Jahre 1807 schloß er in Tilsit seinen Separatfrieden
mit Napoleon ab, überließ den König von Preußen seinem Schicksale und
mal>in v,on Napoleon eine der abgetretenen preußischen Provinzen an, deren er
sich.als Eroberung rühmte. Ostfriesland und Lingen, Anspach und Baireuth,
alte preußische Provinzen, welche nach den Allianzvertrügen von 1813 Preuße"
wiedererhalten sollte, wurden an Hannover und Baiern, und das wichtige, Z^'
Festung besonders gelegene Peysern an der Mündung der Prosna in
Warthe, auf den gelegentlichen mündlichen Wunsch des Kaisers Alerander
Rußland abgetreten. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß der Herzog von
Würtemberg den persönlichen Wunsch hatte, sein Gouvernement in Wi'keys
mit dem von Danzig zu vertauschen."-

Das waren die treulosen und gefährlichen Pläne unsres alten Ver-vuN
deten. Nach den Tendenzen, die vor Jahresfrist in Königsberg kundgegebe"
waren, konnten sie Männern wie Dohna, Brünneck, Eulenburg nicht Zweifel
haft sein. Angesichts dieser Gefahr und in dem Bewußtsein, daß die Rüste"
ohne die Hilfe der Preußen nie in den Besitz Danzigs gelangt wären, beschlösse"
sie durch einen Abgesandten aus ihrer Mitte den König über die Sachlage
aufzuklären, um ihm und dem Vaterlande die wichtige Stadt zu retten. ^
ihrem Auftrage ging der wackere beredte Brünneck, der ein Landwehrcavaler'^
regiment vor Danzig commandirt hatte, nach Basel; bald folgte ihm, um >h"'
entgegenzuwirken, ein Missionär des Herzogs. Man kennt das unerschütterUcV
Vertrauen, den arglosen Sinn, die Friedrich Wilhelm Il>. in Bezug auf de>
russischen Kaiser belebten; Brünneck wurde nicht günstig ausgenommen; aber


ablehnende Antwort, und bat, die Entscheidung abwarten zu dürfen. Die
Folge war, daß sich nun in der Stadt eine mächtige Partei bildete, welche
lieber unter dem Schutze des russischen als preußischen Scepters zu leben
wünschte, weil sie sich unter dem ersteren, welches eine Flotte besaß, mehr
Sicherheit und Schutz ihres Handels versprach. Dadurch kam das preußische
Interesse noch mehr in Gefahr, und wurden die russischen Absichten unterstützt.
Denn es war jetzt klar, was der Herzog und seine nächste Umgebung >>n
Sinne hatten. Schon Kutusow hatte dem General Wittgenstein sehr bestimmt
untersagt, preußische Truppen zur Blockirung von Danzig zu gebrauchen, und
den General Aork unter allerlei Norwänden bewogen, mit seinem Corps über
die Oder zu gehen. Dadurch wurde deutlich genug ausgesprochen, daß Danzig
für Rußland erobert werden solle, wonach die russische Politik schon seit länger
als einem Jahrhundert strebt. War auch in den letzten Allianztractaten etwas
Anderes vom Kaiser Alexander versprochen, so wußte die russische Generalität
doch, daß es nicht schwer und nicht selten war, ein diplomatisches Ueberein¬
kommen auszulösen oder abzuändern. Kaiser Alerander hatte am Sarge Fried¬
richs des Großen vor dem Kriege von 4806 versprochen, mit dem Könige zu
stehen und zu fallen. -Im Jahre 1807 schloß er in Tilsit seinen Separatfrieden
mit Napoleon ab, überließ den König von Preußen seinem Schicksale und
mal>in v,on Napoleon eine der abgetretenen preußischen Provinzen an, deren er
sich.als Eroberung rühmte. Ostfriesland und Lingen, Anspach und Baireuth,
alte preußische Provinzen, welche nach den Allianzvertrügen von 1813 Preuße"
wiedererhalten sollte, wurden an Hannover und Baiern, und das wichtige, Z^'
Festung besonders gelegene Peysern an der Mündung der Prosna in
Warthe, auf den gelegentlichen mündlichen Wunsch des Kaisers Alerander
Rußland abgetreten. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß der Herzog von
Würtemberg den persönlichen Wunsch hatte, sein Gouvernement in Wi'keys
mit dem von Danzig zu vertauschen."-

Das waren die treulosen und gefährlichen Pläne unsres alten Ver-vuN
deten. Nach den Tendenzen, die vor Jahresfrist in Königsberg kundgegebe»
waren, konnten sie Männern wie Dohna, Brünneck, Eulenburg nicht Zweifel
haft sein. Angesichts dieser Gefahr und in dem Bewußtsein, daß die Rüste"
ohne die Hilfe der Preußen nie in den Besitz Danzigs gelangt wären, beschlösse"
sie durch einen Abgesandten aus ihrer Mitte den König über die Sachlage
aufzuklären, um ihm und dem Vaterlande die wichtige Stadt zu retten. ^
ihrem Auftrage ging der wackere beredte Brünneck, der ein Landwehrcavaler'^
regiment vor Danzig commandirt hatte, nach Basel; bald folgte ihm, um >h"'
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/464>, abgerufen am 01.09.2024.