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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Nach Abschluß der Kapitulation berichtete er darüber an das Hauptquartier
in Basel, wo sich der Kaiser von Rußland und der König von Preußen
aufhielten. Der letztere schrieb um den Herzog zurück, er sei mit dem
Kaiser übereingekommen, daß Danzig nach dem Abzüge der Franzosen nur
von Preußen besetzt werden solle, daß er dazu die preußische Landwehr
des Blockadecorps bestimmt, den General Massenbach zum Gouverneur und
den Grasen Dohna zum Commandanten von Danzig ernannt habe. Gleich¬
zeitig erhielten Massenbach und Dohna von dem Könige Nachricht über
diese Anordnungen. Nichtsdestoweniger ließ der Herzog den größten Theil
der Landwehr nicht einmal an dem Einzuge in die Stadt theilnehmen, an¬
geblich, weil sie nicht gut genug bekleidet wären; nur zwei Bataillone mach¬
ten den Einmarsch der russischen Truppen mit, und als in der Stadt Quartiere
bereitet waren, wurden diese nicht von den Preußen, sondern von den Russen
bezogen; die preußische Landwehr, die nach der Ordre des Königs ausschlie߬
lich die Stadt besetzen sollte, mußte Cantonnements in der Umgegend beziehen.
Dieses Verfahren des Herzogs, gegen ausdrückliche Befehle des Königs von
Preußen, kann wol nur dadurch erklärt werden, daß er geheime und anderslau¬
tende Befehle deö Kaisers hatte. Die folgenden Thatsachen verstärkten den
verdacht. Wir lassen hier wieder den Verfasser sprechen. "Gras Dohna hatte
sogleich den Inhalt des königlichen Schreibens, welches ihn zum Comman¬
danten von Danzig ernannte, überall öffentlich bekannt gemacht und sich als
sicher dem Herzog vorgestellt. Dieser aber erklärte ihm, daß er noch keine
befehle von seinem Kaiser erhalten habe und da das Schicksal Dan-
ölgs mit dem Schicksale Polens in Verbindung stehe, und darüber
"och nichts entschieden sei, so könnte dies auch mit Danzig der Fall sein; er
^une also bis zum Eingang der Befehle seines Kaisers von der Anordnung
^6 Königs keine Kenntniß nehmen, und ernannte den Fürsten Wolchonski zum
Gouverneur und den General Nvchmanoff zum Commandanten. Da Dohna
der Aeußerung und Anordnung des Herzogs eine Beleidigung seines Königs
l"ut, ^ wurde er so heftig, daß ihm der Herzog mit Verhaftung drohte. --
^ohna fuhr in seiner Weise fort. Er zeigte auch dem Danziger Senat an,
der General Massenbach zum Gouverneur vom Könige von Preußen er¬
nannt sei, und als Massenbach bald darauf in Danzig selbst eintraf, begaben
^ beide zum Herzog, wo es aufs neue zu heftigen Reden und Gegenreden kam.
" man nach diesem Zwiespalt, welcher allgemein bekannt wurde, glauben mußte,
^'ß über das künftige Schicksal Danzigs noch nicht entschieden sei, beschloß der
^nrat, durch eine Deputation den hohen Souveränen die Bitte vorzutragen, Dan-
^ wie es in dem Tilsiter Frieden geschehen, als Freistaat bestehen zu lassen,
^ es nur als solcher den früheren Wohlstand wiedererlangen könne. Auf die
ekanntmachung des Generals Massenbach erließ der Senat eine ^bescheidene


Nach Abschluß der Kapitulation berichtete er darüber an das Hauptquartier
in Basel, wo sich der Kaiser von Rußland und der König von Preußen
aufhielten. Der letztere schrieb um den Herzog zurück, er sei mit dem
Kaiser übereingekommen, daß Danzig nach dem Abzüge der Franzosen nur
von Preußen besetzt werden solle, daß er dazu die preußische Landwehr
des Blockadecorps bestimmt, den General Massenbach zum Gouverneur und
den Grasen Dohna zum Commandanten von Danzig ernannt habe. Gleich¬
zeitig erhielten Massenbach und Dohna von dem Könige Nachricht über
diese Anordnungen. Nichtsdestoweniger ließ der Herzog den größten Theil
der Landwehr nicht einmal an dem Einzuge in die Stadt theilnehmen, an¬
geblich, weil sie nicht gut genug bekleidet wären; nur zwei Bataillone mach¬
ten den Einmarsch der russischen Truppen mit, und als in der Stadt Quartiere
bereitet waren, wurden diese nicht von den Preußen, sondern von den Russen
bezogen; die preußische Landwehr, die nach der Ordre des Königs ausschlie߬
lich die Stadt besetzen sollte, mußte Cantonnements in der Umgegend beziehen.
Dieses Verfahren des Herzogs, gegen ausdrückliche Befehle des Königs von
Preußen, kann wol nur dadurch erklärt werden, daß er geheime und anderslau¬
tende Befehle deö Kaisers hatte. Die folgenden Thatsachen verstärkten den
verdacht. Wir lassen hier wieder den Verfasser sprechen. „Gras Dohna hatte
sogleich den Inhalt des königlichen Schreibens, welches ihn zum Comman¬
danten von Danzig ernannte, überall öffentlich bekannt gemacht und sich als
sicher dem Herzog vorgestellt. Dieser aber erklärte ihm, daß er noch keine
befehle von seinem Kaiser erhalten habe und da das Schicksal Dan-
ölgs mit dem Schicksale Polens in Verbindung stehe, und darüber
"och nichts entschieden sei, so könnte dies auch mit Danzig der Fall sein; er
^une also bis zum Eingang der Befehle seines Kaisers von der Anordnung
^6 Königs keine Kenntniß nehmen, und ernannte den Fürsten Wolchonski zum
Gouverneur und den General Nvchmanoff zum Commandanten. Da Dohna
der Aeußerung und Anordnung des Herzogs eine Beleidigung seines Königs
l"ut, ^ wurde er so heftig, daß ihm der Herzog mit Verhaftung drohte. —
^ohna fuhr in seiner Weise fort. Er zeigte auch dem Danziger Senat an,
der General Massenbach zum Gouverneur vom Könige von Preußen er¬
nannt sei, und als Massenbach bald darauf in Danzig selbst eintraf, begaben
^ beide zum Herzog, wo es aufs neue zu heftigen Reden und Gegenreden kam.
« man nach diesem Zwiespalt, welcher allgemein bekannt wurde, glauben mußte,
^'ß über das künftige Schicksal Danzigs noch nicht entschieden sei, beschloß der
^nrat, durch eine Deputation den hohen Souveränen die Bitte vorzutragen, Dan-
^ wie es in dem Tilsiter Frieden geschehen, als Freistaat bestehen zu lassen,
^ es nur als solcher den früheren Wohlstand wiedererlangen könne. Auf die
ekanntmachung des Generals Massenbach erließ der Senat eine ^bescheidene


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/463>, abgerufen am 27.07.2024.