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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Theilnahme, weil kurz vorher die Schlacht von Leipzig geschlagen war, worüber
alle andern Kriegsereignisse wenig beachtet wurden, und sich bald darauf der
allgemeine Blick auf die großen Heere richtete, welche in Frankreich eindrangen.
So ist es gekommen, daß die dazu gehörigen Thatsachen nicht sorgfältig und
vollständig genug zur Sprache gebracht und bekannt geworden sind, und daß
die Männer, welche darüber Licht und Klarheit hätten verbreiten können, zu
wenig Veranlassung und Aufmunterung dazu fanden. Auch später ist kein
Zeitpunkt eingetreten, um die Erinnerung daran aufs neue allgemein und
lebhaft zu wecken. Es war also hohe Zeit, die nöthigen Nachrichten zu sam¬
meln, damit sie nicht für die Geschichte verloren gingen. Denn nur durch
unbefangene, wahrheitsliebende Zeitgenossen ist wahre Geschichte möglich."
Die reichen Erfahrungen, die man in jener Zeit sammelte, sollen der Gegen¬
wart und Zukunft nützlich werden; sie sollen lehren, was zum Schutze und
zur Vertheidigung Danzigs zu thun ist, wenn dem Vaterlande an der Weichsel
wieder Gefahren drohen sollten. "Und daß solche Gefahren drohen, wer
könnte es leugnen? Rußlands Absichten liegen klar zu Tage. Immer mehr
gegen den Westen vorzudringen, sich über das baltische Meer auszudehnen,
auch den letzten Rest von Polen seinem Reiche hinzuzufügen, die ganze Weichsel
zu seiner Grenze zu machen, von da gegen die Oder vorzudringen und das
Slawenthum zum Gebieter über Europa zu machen ist sein unablässiges Be¬
streben. Ostpreußen also, wodurch Preußen groß geworden ist und nur groß
bleiben kann, schwebt in beständiger Gefahr. . Nicht allein was in den Jahren
^813 und 1814, um Danzig zu behaupten, von russischer Seite geschehen
und versucht ist, sondern auch die in den letzten verflossenen Jahren gemachten
Umtriebe und Anmaßungen Rußlands, welche die jüngste Zeit enthüllt hat,
sü>d für Preußen eine ernste Mahnung, stets auf den früher oder später ein¬
tretenden Kampf sich gefaßt zu halten. Daß es kein größeres Unglück für ein
deutsches Volk und Land geben kann, als dem russischen Scepter unterworfen
SU werden, fühlt jeder, und Greis und Kind müssen sich dagegen erheben.
An Danzig, dem Hauptbollwerke der europäischen Civilisation und an dem
Zutschen Geist und Sinn der Bewohner Preußens muß sich der Strom der
Barbarei brechen."

Wir haben geglaubt, die Stellung des Werkes in der historischen Like-
5"tur und seinen Zweck nicht besser als mit des Verfassers eignen Worten
charakterisieren zu können. Im steten Hinblick auf Danzigs Bedeutung als
Testung gibt es zunächst eine kurze Uebersicht der Geschichte Danzigs, durch
wir mit dem Terrain und mit der Entstehung der fortificatorischen Werke
bekannt gemacht werden, schildert die Belagerungen der Festung in den Jahren
">677 durch Stephan Bathory und 1734 durch die Russen unter dem Feld-
'"arschall Mummies, und verweilt dann längere Zeit bei der Vertheidigung von


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Theilnahme, weil kurz vorher die Schlacht von Leipzig geschlagen war, worüber
alle andern Kriegsereignisse wenig beachtet wurden, und sich bald darauf der
allgemeine Blick auf die großen Heere richtete, welche in Frankreich eindrangen.
So ist es gekommen, daß die dazu gehörigen Thatsachen nicht sorgfältig und
vollständig genug zur Sprache gebracht und bekannt geworden sind, und daß
die Männer, welche darüber Licht und Klarheit hätten verbreiten können, zu
wenig Veranlassung und Aufmunterung dazu fanden. Auch später ist kein
Zeitpunkt eingetreten, um die Erinnerung daran aufs neue allgemein und
lebhaft zu wecken. Es war also hohe Zeit, die nöthigen Nachrichten zu sam¬
meln, damit sie nicht für die Geschichte verloren gingen. Denn nur durch
unbefangene, wahrheitsliebende Zeitgenossen ist wahre Geschichte möglich."
Die reichen Erfahrungen, die man in jener Zeit sammelte, sollen der Gegen¬
wart und Zukunft nützlich werden; sie sollen lehren, was zum Schutze und
zur Vertheidigung Danzigs zu thun ist, wenn dem Vaterlande an der Weichsel
wieder Gefahren drohen sollten. „Und daß solche Gefahren drohen, wer
könnte es leugnen? Rußlands Absichten liegen klar zu Tage. Immer mehr
gegen den Westen vorzudringen, sich über das baltische Meer auszudehnen,
auch den letzten Rest von Polen seinem Reiche hinzuzufügen, die ganze Weichsel
zu seiner Grenze zu machen, von da gegen die Oder vorzudringen und das
Slawenthum zum Gebieter über Europa zu machen ist sein unablässiges Be¬
streben. Ostpreußen also, wodurch Preußen groß geworden ist und nur groß
bleiben kann, schwebt in beständiger Gefahr. . Nicht allein was in den Jahren
^813 und 1814, um Danzig zu behaupten, von russischer Seite geschehen
und versucht ist, sondern auch die in den letzten verflossenen Jahren gemachten
Umtriebe und Anmaßungen Rußlands, welche die jüngste Zeit enthüllt hat,
sü>d für Preußen eine ernste Mahnung, stets auf den früher oder später ein¬
tretenden Kampf sich gefaßt zu halten. Daß es kein größeres Unglück für ein
deutsches Volk und Land geben kann, als dem russischen Scepter unterworfen
SU werden, fühlt jeder, und Greis und Kind müssen sich dagegen erheben.
An Danzig, dem Hauptbollwerke der europäischen Civilisation und an dem
Zutschen Geist und Sinn der Bewohner Preußens muß sich der Strom der
Barbarei brechen."

Wir haben geglaubt, die Stellung des Werkes in der historischen Like-
5"tur und seinen Zweck nicht besser als mit des Verfassers eignen Worten
charakterisieren zu können. Im steten Hinblick auf Danzigs Bedeutung als
Testung gibt es zunächst eine kurze Uebersicht der Geschichte Danzigs, durch
wir mit dem Terrain und mit der Entstehung der fortificatorischen Werke
bekannt gemacht werden, schildert die Belagerungen der Festung in den Jahren
">677 durch Stephan Bathory und 1734 durch die Russen unter dem Feld-
'"arschall Mummies, und verweilt dann längere Zeit bei der Vertheidigung von


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[0459] Theilnahme, weil kurz vorher die Schlacht von Leipzig geschlagen war, worüber alle andern Kriegsereignisse wenig beachtet wurden, und sich bald darauf der allgemeine Blick auf die großen Heere richtete, welche in Frankreich eindrangen. So ist es gekommen, daß die dazu gehörigen Thatsachen nicht sorgfältig und vollständig genug zur Sprache gebracht und bekannt geworden sind, und daß die Männer, welche darüber Licht und Klarheit hätten verbreiten können, zu wenig Veranlassung und Aufmunterung dazu fanden. Auch später ist kein Zeitpunkt eingetreten, um die Erinnerung daran aufs neue allgemein und lebhaft zu wecken. Es war also hohe Zeit, die nöthigen Nachrichten zu sam¬ meln, damit sie nicht für die Geschichte verloren gingen. Denn nur durch unbefangene, wahrheitsliebende Zeitgenossen ist wahre Geschichte möglich." Die reichen Erfahrungen, die man in jener Zeit sammelte, sollen der Gegen¬ wart und Zukunft nützlich werden; sie sollen lehren, was zum Schutze und zur Vertheidigung Danzigs zu thun ist, wenn dem Vaterlande an der Weichsel wieder Gefahren drohen sollten. „Und daß solche Gefahren drohen, wer könnte es leugnen? Rußlands Absichten liegen klar zu Tage. Immer mehr gegen den Westen vorzudringen, sich über das baltische Meer auszudehnen, auch den letzten Rest von Polen seinem Reiche hinzuzufügen, die ganze Weichsel zu seiner Grenze zu machen, von da gegen die Oder vorzudringen und das Slawenthum zum Gebieter über Europa zu machen ist sein unablässiges Be¬ streben. Ostpreußen also, wodurch Preußen groß geworden ist und nur groß bleiben kann, schwebt in beständiger Gefahr. . Nicht allein was in den Jahren ^813 und 1814, um Danzig zu behaupten, von russischer Seite geschehen und versucht ist, sondern auch die in den letzten verflossenen Jahren gemachten Umtriebe und Anmaßungen Rußlands, welche die jüngste Zeit enthüllt hat, sü>d für Preußen eine ernste Mahnung, stets auf den früher oder später ein¬ tretenden Kampf sich gefaßt zu halten. Daß es kein größeres Unglück für ein deutsches Volk und Land geben kann, als dem russischen Scepter unterworfen SU werden, fühlt jeder, und Greis und Kind müssen sich dagegen erheben. An Danzig, dem Hauptbollwerke der europäischen Civilisation und an dem Zutschen Geist und Sinn der Bewohner Preußens muß sich der Strom der Barbarei brechen." Wir haben geglaubt, die Stellung des Werkes in der historischen Like- 5"tur und seinen Zweck nicht besser als mit des Verfassers eignen Worten charakterisieren zu können. Im steten Hinblick auf Danzigs Bedeutung als Testung gibt es zunächst eine kurze Uebersicht der Geschichte Danzigs, durch wir mit dem Terrain und mit der Entstehung der fortificatorischen Werke bekannt gemacht werden, schildert die Belagerungen der Festung in den Jahren ">677 durch Stephan Bathory und 1734 durch die Russen unter dem Feld- '"arschall Mummies, und verweilt dann längere Zeit bei der Vertheidigung von 37*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/459>, abgerufen am 01.09.2024.