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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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erwiderte lächelnd, ein solches Princip sei schon gefunden, es sei die Polizei.
- Es spricht nicht sehr für die höhere Sittlichkeit in Steffens Charakter, daß
er durch solche Erfahrungen über die Mächte, mit denen er sich verbündet
hatte, nicht stutzig gemacht wurde. -- Alle seine Freunde sielen von ihm ab,
selbst Karl v. Raumer, der deshalb Breslau verließ. Von Jahr und andern
wurden die "neuen Runenblätter" gegen ihn geschrieben; auch Kotzebue trat
gegen den Mystiker aus. Dagegen nahm sich Luden des Geistesverwandten
an. Im Jahre 1821 traf ihn das schlimme Schicksal, als Rector in Breslau
die Untersuchung gegen Demagogen zu leiten. Er entledigte sich dieser Pflicht
mit dem subjectiven Idealismus einer schönen Seele, d. h. sehr im Widerspruch
mit dem gesunden Menschenverstand und dem natürlichen Rechtsgefühl. Indeß
nahm die Sache bald eine ernstere Wendung. Es traten ganz andere Gegner
des, Liberalismus auf und bei der Gutmüthigkeit, die unstreitig aus Steffens
ganzem Wesen hervorleuchtete, hat man nicht weiter auf ihn geachtet. Schäd¬
lich hat er auch im ganzen auf die Politik nicht eingewirkt; denn wäre er
nicht mit seinem Mysticismus der Reaction zu Hilfe gekommen, so hätte man
irgendwelche andere Gründe gesunden -- in dieser Beziehung durfte man nicht
verlegen sein. Wir müssen aber doch offen gestehen, daß sich ein gewisser an-
geborner Servilismus, eine Devotion vor äußerem Glanz und äußerer Macht
aus seinem Charakter nicht ganz wegleugnen läßt, und die Art und Weise,
wie er sich über sein Verhältniß zu hochgestellten Personen ausspricht, macht
durchaus keinen wohlthuenden Eindruck-

Wir fassen noch die religiöse Thätigkeit seines spätern Lebens ins Auge.
In der Jenenser Zeit hatte er im wesentlichen der poetischen und pantheisti-
schen Religion gehuldigt, wie sie in "Schleiermachers Reden" sich ausspricht.
Daß er nebenbei für den Katholicismus und überhaupt für alle Religions-
formen, die ins Phantastische und Sinnliche spielen, eine stille Sympathie hegte,
war kein Widerspruch. Als es aber allmälig mit der Hinneigung der Roman-
"ter zum Katholicismus Ernst wurde, warf man die Augen auch auf ihn.
Die Gräfin Stolberg, die auch Goethe bekehren wollte, forderte ihn in einem
Ehrenden Briefe auf, katholisch zu werden und er wurde doch stark dadurch
^schüttert. Auch Salier, der Prophet des neumodischen Katholicismus in
^aiern, hatte einen starken Eindruck auf ihn gemacht, wie ihn denn überhaupt
i<-'de neue Gemüthsbewegung stark anregte. Aber zu einem ernsthaften Ueber-
tritt war in seiner Natur doch zu wenig Frivolität; er begnügte sich damit,
christliche Religion im allgemeinen als die einzig wahre Grundlage des
tätlichen und des bürgerlichen Lebens zu empfehlen und sympathisirte dabei
^ensv mit dem Jacobischen Kreise (von dem er Bd. VI>I. S. 380--SO eine
"Ueressante Schilderung gibt), der die Religion auf das Gemüth, mit Schelling,
sie auf die mystische Speculation, mit Baader, der sie auf die Phantasie


erwiderte lächelnd, ein solches Princip sei schon gefunden, es sei die Polizei.
- Es spricht nicht sehr für die höhere Sittlichkeit in Steffens Charakter, daß
er durch solche Erfahrungen über die Mächte, mit denen er sich verbündet
hatte, nicht stutzig gemacht wurde. — Alle seine Freunde sielen von ihm ab,
selbst Karl v. Raumer, der deshalb Breslau verließ. Von Jahr und andern
wurden die „neuen Runenblätter" gegen ihn geschrieben; auch Kotzebue trat
gegen den Mystiker aus. Dagegen nahm sich Luden des Geistesverwandten
an. Im Jahre 1821 traf ihn das schlimme Schicksal, als Rector in Breslau
die Untersuchung gegen Demagogen zu leiten. Er entledigte sich dieser Pflicht
mit dem subjectiven Idealismus einer schönen Seele, d. h. sehr im Widerspruch
mit dem gesunden Menschenverstand und dem natürlichen Rechtsgefühl. Indeß
nahm die Sache bald eine ernstere Wendung. Es traten ganz andere Gegner
des, Liberalismus auf und bei der Gutmüthigkeit, die unstreitig aus Steffens
ganzem Wesen hervorleuchtete, hat man nicht weiter auf ihn geachtet. Schäd¬
lich hat er auch im ganzen auf die Politik nicht eingewirkt; denn wäre er
nicht mit seinem Mysticismus der Reaction zu Hilfe gekommen, so hätte man
irgendwelche andere Gründe gesunden — in dieser Beziehung durfte man nicht
verlegen sein. Wir müssen aber doch offen gestehen, daß sich ein gewisser an-
geborner Servilismus, eine Devotion vor äußerem Glanz und äußerer Macht
aus seinem Charakter nicht ganz wegleugnen läßt, und die Art und Weise,
wie er sich über sein Verhältniß zu hochgestellten Personen ausspricht, macht
durchaus keinen wohlthuenden Eindruck-

Wir fassen noch die religiöse Thätigkeit seines spätern Lebens ins Auge.
In der Jenenser Zeit hatte er im wesentlichen der poetischen und pantheisti-
schen Religion gehuldigt, wie sie in „Schleiermachers Reden" sich ausspricht.
Daß er nebenbei für den Katholicismus und überhaupt für alle Religions-
formen, die ins Phantastische und Sinnliche spielen, eine stille Sympathie hegte,
war kein Widerspruch. Als es aber allmälig mit der Hinneigung der Roman-
"ter zum Katholicismus Ernst wurde, warf man die Augen auch auf ihn.
Die Gräfin Stolberg, die auch Goethe bekehren wollte, forderte ihn in einem
Ehrenden Briefe auf, katholisch zu werden und er wurde doch stark dadurch
^schüttert. Auch Salier, der Prophet des neumodischen Katholicismus in
^aiern, hatte einen starken Eindruck auf ihn gemacht, wie ihn denn überhaupt
i<-'de neue Gemüthsbewegung stark anregte. Aber zu einem ernsthaften Ueber-
tritt war in seiner Natur doch zu wenig Frivolität; er begnügte sich damit,
christliche Religion im allgemeinen als die einzig wahre Grundlage des
tätlichen und des bürgerlichen Lebens zu empfehlen und sympathisirte dabei
^ensv mit dem Jacobischen Kreise (von dem er Bd. VI>I. S. 380—SO eine
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sie auf die mystische Speculation, mit Baader, der sie auf die Phantasie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/391>, abgerufen am 01.09.2024.