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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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scheinen dieses Sendschreibens von Anfang Juli bis Ende August verzögert.
Nun sind wir bereits in der Mitte August und die Situation hat wieder eine
neue Färbung angenommen. Was noch vor einem Monat als absurd erschien,
daß nämlich die Eventualität eintreten könnte, in dem Kampfe Rußlands gegen
England, Frankreich und Oestreich Preußen auf der Seite des ersteren zu
sehen, liegt heute nicht mehr außerhalb der Grenzen der Möglichkeit; es ist
zwar noch nicht wahrscheinlich, aber es ist wenigstens nicht mehr undenkbar,
daß die Politik aus den Principien in die Thatsachen übergehen wird. Da
indessen jede Thatsache immer ein Princip einschließt, wenn eS auch nicht zum
völligen Bewußtsein kommt, so ist eine Untersuchung der Principien auch dann
noch immer am Ort. Der Verfasser läßt die Principien, welche etwa das
preußische Ministerium bestimmen könnten, ganz aus dem Spiel, weil er sie nicht
begreift, und hält sich lediglich an die Ideen, welche der Führer der Kreuz¬
zeitungspartei am 24. April auf der Rednerbühne entwickelt hat und die wir
bei jener Gelegenheit gleichfalls erörtert haben. "Unsre Tagespresse, sagt der
Verfasser Seite t, that ihre Schuldigkeit. Mit' Genugthuung sah ich, daß
beinahe alle nennenswerthen Zeitungen, die eine diesen, die andere jenen
schwachen Punkt Ihrer Rede angriff, das Haltungslose und Trügerische Ihrer De-
ductionen hervorhob, das Publicum, soweit es nöthig war, warnte und auf¬
klärte .....Wohl hätte ich denen, die Ihnen zu Leibe gingen, dann und
wann zurufen mögen, nicht mit plumpen Händen ein so feines Gespinnst ZU
zerreißen, sich vorzusehen, daß ihnen nicht grade deshalb der glatte Leib dieser
Rede 'entschlüpfe, weil sie ihn allzufest anpackten, Sorge zu tragen, daß nicht
Glied für Glied wieder anstehe und sich wieder zusammenfüge, sobald sie ver¬
säumten, den rechten Lebcnspunkt des Ganzen sicher und für immer zu treffen/'
Um diesen Punkt zu treffen, sucht der Verfasser in jene Rede einen innern
Zusammenhang einzuführen, ihn aus einer bestimmten Idee herzuleiten; diese
Idee mit dem Charakter deS Redners, mit seiner Stellung innerhalb der
herschaft, des Staats und der Kirche in ein bestimmtes Verhältniß zu setzen
und schließlich nachzuweisen, daß die Idee völlig haltlos sei, daß der Zu¬
sammenhang fehle oder wenigstens durch fortdauernde Widersprüche gänzlich
aufgehoben sei und daß, wenn aus diesen Grundsätzen Thatsachen werden s^'
ten, sie notwendigerweise zum Verderben führen müßten. Er weist ferner und
zwar mit einer großen, ungeheuchelten Bewunderung nach, daß diese innere
Gehaltlosigkeit durch die feinsten oratorischen Künste verdeckt sei. Die Aus¬
einandersetzung ist mit außerordentlichem Aufwand von Geist und Scharfsinn
geschrieben und wird gewiß diejenigen befriedigen, die bei der potiti>che'U
Rednerbühne neben dem Einfluß auf die wirklichen Zustände auch die
künstlerische Entfaltung des Talents an sich betrachten. Wir gehören, offen
gestanden, nicht ganz zu dieser Classe. Wir freuen uns an dem Talent und


scheinen dieses Sendschreibens von Anfang Juli bis Ende August verzögert.
Nun sind wir bereits in der Mitte August und die Situation hat wieder eine
neue Färbung angenommen. Was noch vor einem Monat als absurd erschien,
daß nämlich die Eventualität eintreten könnte, in dem Kampfe Rußlands gegen
England, Frankreich und Oestreich Preußen auf der Seite des ersteren zu
sehen, liegt heute nicht mehr außerhalb der Grenzen der Möglichkeit; es ist
zwar noch nicht wahrscheinlich, aber es ist wenigstens nicht mehr undenkbar,
daß die Politik aus den Principien in die Thatsachen übergehen wird. Da
indessen jede Thatsache immer ein Princip einschließt, wenn eS auch nicht zum
völligen Bewußtsein kommt, so ist eine Untersuchung der Principien auch dann
noch immer am Ort. Der Verfasser läßt die Principien, welche etwa das
preußische Ministerium bestimmen könnten, ganz aus dem Spiel, weil er sie nicht
begreift, und hält sich lediglich an die Ideen, welche der Führer der Kreuz¬
zeitungspartei am 24. April auf der Rednerbühne entwickelt hat und die wir
bei jener Gelegenheit gleichfalls erörtert haben. „Unsre Tagespresse, sagt der
Verfasser Seite t, that ihre Schuldigkeit. Mit' Genugthuung sah ich, daß
beinahe alle nennenswerthen Zeitungen, die eine diesen, die andere jenen
schwachen Punkt Ihrer Rede angriff, das Haltungslose und Trügerische Ihrer De-
ductionen hervorhob, das Publicum, soweit es nöthig war, warnte und auf¬
klärte .....Wohl hätte ich denen, die Ihnen zu Leibe gingen, dann und
wann zurufen mögen, nicht mit plumpen Händen ein so feines Gespinnst ZU
zerreißen, sich vorzusehen, daß ihnen nicht grade deshalb der glatte Leib dieser
Rede 'entschlüpfe, weil sie ihn allzufest anpackten, Sorge zu tragen, daß nicht
Glied für Glied wieder anstehe und sich wieder zusammenfüge, sobald sie ver¬
säumten, den rechten Lebcnspunkt des Ganzen sicher und für immer zu treffen/'
Um diesen Punkt zu treffen, sucht der Verfasser in jene Rede einen innern
Zusammenhang einzuführen, ihn aus einer bestimmten Idee herzuleiten; diese
Idee mit dem Charakter deS Redners, mit seiner Stellung innerhalb der
herschaft, des Staats und der Kirche in ein bestimmtes Verhältniß zu setzen
und schließlich nachzuweisen, daß die Idee völlig haltlos sei, daß der Zu¬
sammenhang fehle oder wenigstens durch fortdauernde Widersprüche gänzlich
aufgehoben sei und daß, wenn aus diesen Grundsätzen Thatsachen werden s^'
ten, sie notwendigerweise zum Verderben führen müßten. Er weist ferner und
zwar mit einer großen, ungeheuchelten Bewunderung nach, daß diese innere
Gehaltlosigkeit durch die feinsten oratorischen Künste verdeckt sei. Die Aus¬
einandersetzung ist mit außerordentlichem Aufwand von Geist und Scharfsinn
geschrieben und wird gewiß diejenigen befriedigen, die bei der potiti>che'U
Rednerbühne neben dem Einfluß auf die wirklichen Zustände auch die
künstlerische Entfaltung des Talents an sich betrachten. Wir gehören, offen
gestanden, nicht ganz zu dieser Classe. Wir freuen uns an dem Talent und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/356>, abgerufen am 09.11.2024.