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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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selig empfanden. Indem wir mitten ins Gehölz hineinfahren und aus nieder¬
geschlagenen Stämmen Häuser, Ställe und Zäune errichten, machen wir die
latente Schönheit des innern Waldes frei und öffnen den Schatten, die kühle
frische. Waldlnft für jedermann. Die realen Vorzüge dieser Culturform kommen
erst zu völliger Wirksamkeit; das Wilde und Wüste, an dem sich sonst der
Poetische Sinn weniger Begabter erhob, macht dem Gefälligen und Anmuthiger
zu Gunsten der Mehreren Platz. Wer ja das Großartige in den Ausdehnungen
nicht entbehren kann, den tragen unendlich verbesserte Verkehrsmittel im Fluge
Zu jeder Einöde der Welt. ' -

Ueberhaupt ist es das Zeichen eines sehr armen Gemüths, über jeden
Fortschritt zu schmollen, der dieses oder jenes Lieblingsplätzchen rauh zertritt.
Jeweniger es überall dem einzelnen frommen kann, dem Donnergang der
Zeiten sich entgegenzustellen, desto bereiter sollte er sich in erneuerten- Formen
den alten Inhalt wieder zu erschaffen suchen. Es geht mit der Entwicklung
der uns zunächst umgebenden Natur wie mit der uns umgebenden Gesellschaft
selbst. Die einsamen Größen, die unnahbaren Gestalten der Könige und
Helden verschwinden aus der Geschichte und räumen dem friedlichen Gedeihen
aller das Feld; wie aus der Landschaft die düstere Pracht der Urwälder und
die Majestät der Wüsten hinweggenommen wird, um Raum und Luft und Licht
für anmuthigere Schöpfungen der kunstfertigen Hand der Menschen zu lassen.
Denn dem Menschen ist nicht aufgegeben worden, das todte Gesicht der Erde
lassen, wie er es gefunden hat; vielmehr es. im Schweiß des Angesichts,
um freudigen Wetteifer aller Kräfte und Gaben zu einem einzigen, blühenden
und geschmückten Garten Gottes zu machen. Darin liegt die Rechtfertigung
>d^r fleißigen Art, welche tausendjährige Stämme fällt, um Korn und allerlei
.gesellige Pflanzen an ihre Stelle zu setzen. Darin ist unsrem Geschlecht die
Anweisung gegeben, da, wo bisher der unendlich sich dehnende, dunkle, wilde
Wald stand,' das fröhlich grünende und die Unsren nährende Feld zu schaffen.

Diese große Umwandlung, welche allmälig das Gesicht der bewohnten
Erde verändert, ist schon deshalb eine einfache Nothwendigkeit, weil ihr parallel
det wichtigste Fortschritt in der Geschichte der Feuerungsmittel läuft. Die stei¬
gende Cultur vermehrt den Verbrauch von Brennstoffen in solchen Graden, daß
der Mensch an einen Wechsel in der bisherigen Production derselben denken
"'Aß. Die Forsten und die Moore, welche der Breite nach die Oberfläche der
^de'einnehmen, sind fortan eine zu kostspielige Erzeugung von Feuerungs-
uutteln. Die ausgedehnten Bodenflächen, welche sie im ganz oder theilweise
unfruchtbarem Zustande bedecken, gewinnen unter der Entwicklung des sie um¬
gebenden landwirtschaftlichen Betriebes zü sehr an Werth, alö daß die Nutzung
!U Brennholz oder Torf noch ferner befriedigen könnte. Man beginnt daher
die Tiefe zu gehen, um aus den reichhaltigen Eingeweiden der Erde das


selig empfanden. Indem wir mitten ins Gehölz hineinfahren und aus nieder¬
geschlagenen Stämmen Häuser, Ställe und Zäune errichten, machen wir die
latente Schönheit des innern Waldes frei und öffnen den Schatten, die kühle
frische. Waldlnft für jedermann. Die realen Vorzüge dieser Culturform kommen
erst zu völliger Wirksamkeit; das Wilde und Wüste, an dem sich sonst der
Poetische Sinn weniger Begabter erhob, macht dem Gefälligen und Anmuthiger
zu Gunsten der Mehreren Platz. Wer ja das Großartige in den Ausdehnungen
nicht entbehren kann, den tragen unendlich verbesserte Verkehrsmittel im Fluge
Zu jeder Einöde der Welt. ' -

Ueberhaupt ist es das Zeichen eines sehr armen Gemüths, über jeden
Fortschritt zu schmollen, der dieses oder jenes Lieblingsplätzchen rauh zertritt.
Jeweniger es überall dem einzelnen frommen kann, dem Donnergang der
Zeiten sich entgegenzustellen, desto bereiter sollte er sich in erneuerten- Formen
den alten Inhalt wieder zu erschaffen suchen. Es geht mit der Entwicklung
der uns zunächst umgebenden Natur wie mit der uns umgebenden Gesellschaft
selbst. Die einsamen Größen, die unnahbaren Gestalten der Könige und
Helden verschwinden aus der Geschichte und räumen dem friedlichen Gedeihen
aller das Feld; wie aus der Landschaft die düstere Pracht der Urwälder und
die Majestät der Wüsten hinweggenommen wird, um Raum und Luft und Licht
für anmuthigere Schöpfungen der kunstfertigen Hand der Menschen zu lassen.
Denn dem Menschen ist nicht aufgegeben worden, das todte Gesicht der Erde
lassen, wie er es gefunden hat; vielmehr es. im Schweiß des Angesichts,
um freudigen Wetteifer aller Kräfte und Gaben zu einem einzigen, blühenden
und geschmückten Garten Gottes zu machen. Darin liegt die Rechtfertigung
>d^r fleißigen Art, welche tausendjährige Stämme fällt, um Korn und allerlei
.gesellige Pflanzen an ihre Stelle zu setzen. Darin ist unsrem Geschlecht die
Anweisung gegeben, da, wo bisher der unendlich sich dehnende, dunkle, wilde
Wald stand,' das fröhlich grünende und die Unsren nährende Feld zu schaffen.

Diese große Umwandlung, welche allmälig das Gesicht der bewohnten
Erde verändert, ist schon deshalb eine einfache Nothwendigkeit, weil ihr parallel
det wichtigste Fortschritt in der Geschichte der Feuerungsmittel läuft. Die stei¬
gende Cultur vermehrt den Verbrauch von Brennstoffen in solchen Graden, daß
der Mensch an einen Wechsel in der bisherigen Production derselben denken
"'Aß. Die Forsten und die Moore, welche der Breite nach die Oberfläche der
^de'einnehmen, sind fortan eine zu kostspielige Erzeugung von Feuerungs-
uutteln. Die ausgedehnten Bodenflächen, welche sie im ganz oder theilweise
unfruchtbarem Zustande bedecken, gewinnen unter der Entwicklung des sie um¬
gebenden landwirtschaftlichen Betriebes zü sehr an Werth, alö daß die Nutzung
!U Brennholz oder Torf noch ferner befriedigen könnte. Man beginnt daher
die Tiefe zu gehen, um aus den reichhaltigen Eingeweiden der Erde das


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[0351] selig empfanden. Indem wir mitten ins Gehölz hineinfahren und aus nieder¬ geschlagenen Stämmen Häuser, Ställe und Zäune errichten, machen wir die latente Schönheit des innern Waldes frei und öffnen den Schatten, die kühle frische. Waldlnft für jedermann. Die realen Vorzüge dieser Culturform kommen erst zu völliger Wirksamkeit; das Wilde und Wüste, an dem sich sonst der Poetische Sinn weniger Begabter erhob, macht dem Gefälligen und Anmuthiger zu Gunsten der Mehreren Platz. Wer ja das Großartige in den Ausdehnungen nicht entbehren kann, den tragen unendlich verbesserte Verkehrsmittel im Fluge Zu jeder Einöde der Welt. ' - Ueberhaupt ist es das Zeichen eines sehr armen Gemüths, über jeden Fortschritt zu schmollen, der dieses oder jenes Lieblingsplätzchen rauh zertritt. Jeweniger es überall dem einzelnen frommen kann, dem Donnergang der Zeiten sich entgegenzustellen, desto bereiter sollte er sich in erneuerten- Formen den alten Inhalt wieder zu erschaffen suchen. Es geht mit der Entwicklung der uns zunächst umgebenden Natur wie mit der uns umgebenden Gesellschaft selbst. Die einsamen Größen, die unnahbaren Gestalten der Könige und Helden verschwinden aus der Geschichte und räumen dem friedlichen Gedeihen aller das Feld; wie aus der Landschaft die düstere Pracht der Urwälder und die Majestät der Wüsten hinweggenommen wird, um Raum und Luft und Licht für anmuthigere Schöpfungen der kunstfertigen Hand der Menschen zu lassen. Denn dem Menschen ist nicht aufgegeben worden, das todte Gesicht der Erde lassen, wie er es gefunden hat; vielmehr es. im Schweiß des Angesichts, um freudigen Wetteifer aller Kräfte und Gaben zu einem einzigen, blühenden und geschmückten Garten Gottes zu machen. Darin liegt die Rechtfertigung >d^r fleißigen Art, welche tausendjährige Stämme fällt, um Korn und allerlei .gesellige Pflanzen an ihre Stelle zu setzen. Darin ist unsrem Geschlecht die Anweisung gegeben, da, wo bisher der unendlich sich dehnende, dunkle, wilde Wald stand,' das fröhlich grünende und die Unsren nährende Feld zu schaffen. Diese große Umwandlung, welche allmälig das Gesicht der bewohnten Erde verändert, ist schon deshalb eine einfache Nothwendigkeit, weil ihr parallel det wichtigste Fortschritt in der Geschichte der Feuerungsmittel läuft. Die stei¬ gende Cultur vermehrt den Verbrauch von Brennstoffen in solchen Graden, daß der Mensch an einen Wechsel in der bisherigen Production derselben denken "'Aß. Die Forsten und die Moore, welche der Breite nach die Oberfläche der ^de'einnehmen, sind fortan eine zu kostspielige Erzeugung von Feuerungs- uutteln. Die ausgedehnten Bodenflächen, welche sie im ganz oder theilweise unfruchtbarem Zustande bedecken, gewinnen unter der Entwicklung des sie um¬ gebenden landwirtschaftlichen Betriebes zü sehr an Werth, alö daß die Nutzung !U Brennholz oder Torf noch ferner befriedigen könnte. Man beginnt daher die Tiefe zu gehen, um aus den reichhaltigen Eingeweiden der Erde das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/351>, abgerufen am 01.09.2024.