Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.zuweilen. Sie klagte endlich auf Scheidung, nur von Tisch und Bett, denn Dabei fällt mir ein englischer Proceß aus dem ehelichen Leben des high --Ms Merimve vor einigen Monaten von einem Ausfluge nach Spa¬ zuweilen. Sie klagte endlich auf Scheidung, nur von Tisch und Bett, denn Dabei fällt mir ein englischer Proceß aus dem ehelichen Leben des high --Ms Merimve vor einigen Monaten von einem Ausfluge nach Spa¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0230" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281381"/> <p xml:id="ID_722" prev="#ID_721"> zuweilen. Sie klagte endlich auf Scheidung, nur von Tisch und Bett, denn<lb/> die eigentliche Ehescheidung hat die pfaffensreundliche Restauration wieder aus<lb/> dem Code Napoleon gestrichen und noch keine Regierung wieder eingeführt,<lb/> wozu auch sich vie Pfaffen verfeinden für eine Reform, die nicht populär<lb/> macht?! Die Franzosen entschlagen sich lieber gleich der Ehe. Also unsere<lb/> junge Gräfin, in schnödem Undank für ihre Standeserhöhung und deren<lb/> Accessorien, klagt unb belegt ihre Klage mit Briefen ihres Mannes, die die<lb/> derbsten Injurien enthalten ; der Mann leugnet die Echtheit der Briefe und<lb/> die sachverständigen Schriftgelehrten erklären die Briefe für untergeschoben und<lb/> von der Frau selbst fabricirt. Daraus Anklage und Verhaftung der Gräfin<lb/> wegen Fälschung und Freisprechung aus formell juristischen Gründen, aber<lb/> noch immer keine Scheidung! die arme Finn! —</p><lb/> <p xml:id="ID_723"> Dabei fällt mir ein englischer Proceß aus dem ehelichen Leben des high<lb/> life ein, der seit 20 Jahren nun zum zweiten Mal aufgewärmt ist. Die eng¬<lb/> lische Jurisprudenz ist in mancher Beziehung noch barbarischer als das franzö¬<lb/> sische Gesetz, der Engländer brutaler als der Franzose. Mrs. Norton, eine<lb/> begabte Schriftstellerin, Sheridans Enkelin, ist die Fran eines jüngeren<lb/> Sohnes eines ärmlichen Lords, und hat vor 18 Jahren schon die elende An¬<lb/> klage ihres Mannes wegen Ehebruchs mit ihrem Beschützer, dem alten Lord<lb/> Melbourne bestanden. Das war eine Tory-Jntrigue, zu der sich Mr. Norton<lb/> hergab, der zwar nicht verschmäht hatte, ein einträgliches und unverdientes<lb/> Amt von dem Whig-Minister anzunehmen. Seitdem lebte Mrs. Norton fern<lb/> von ihm und ernährte ihre Kinder mit einer kleinen Erbschaft und harmloser<lb/> Schriftstellern. Als ihr aber eine größere Erbschaft zufiel, machte der Mann<lb/> seine Rechte plötzlich wieder geltend, denn sie waren nicht geschieden, und so<lb/> gehört alles, was die Frau erwirbt, dem Manne, wie in der altrömischen<lb/> Sklaverei. MrS. Norton, durch ihr Aller nun über den Skandal erhaben,<lb/> von keiner Rücksicht gegen einen längst verstorbenen Freund zurückgehalten,<lb/> von der Pflicht gegen ihre Kinder getrieben, hat endlich das Publicum zum<lb/> Richter aufgerufen, und appellirt in einer mit natürlicher Wärme geschriebenen<lb/> Broschüre an die in England nie ohnmächtige öffentliche Meinung. Die Er¬<lb/> zählung der Leiden ihres leichtsinnig vergifteten Lebens ist der beste Kommentar<lb/> zum modernen Eherecht Englands und anderer Länder. , Auch wir haben<lb/> nicht das Recht, an die Brust zu klopfen und mit dem Pharisäer zu sagen:<lb/> „Wohl mir, daß ich nicht bin wie jene!" — Die Schrift der Mrs. Norton ist<lb/> für England nur als Manuskript erschienen, wird aber deutsch bei Franz Duncker<lb/> in Berlin herausgegeben werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_724" next="#ID_725"> --Ms Merimve vor einigen Monaten von einem Ausfluge nach Spa¬<lb/> nien wiederkehrte, sagte er mir: Erinnern Sie sich an meine Prophezeihung,<lb/> wir erleben noch dieses Jahr eine gewaltige Revolution in Spanien, die Re-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0230]
zuweilen. Sie klagte endlich auf Scheidung, nur von Tisch und Bett, denn
die eigentliche Ehescheidung hat die pfaffensreundliche Restauration wieder aus
dem Code Napoleon gestrichen und noch keine Regierung wieder eingeführt,
wozu auch sich vie Pfaffen verfeinden für eine Reform, die nicht populär
macht?! Die Franzosen entschlagen sich lieber gleich der Ehe. Also unsere
junge Gräfin, in schnödem Undank für ihre Standeserhöhung und deren
Accessorien, klagt unb belegt ihre Klage mit Briefen ihres Mannes, die die
derbsten Injurien enthalten ; der Mann leugnet die Echtheit der Briefe und
die sachverständigen Schriftgelehrten erklären die Briefe für untergeschoben und
von der Frau selbst fabricirt. Daraus Anklage und Verhaftung der Gräfin
wegen Fälschung und Freisprechung aus formell juristischen Gründen, aber
noch immer keine Scheidung! die arme Finn! —
Dabei fällt mir ein englischer Proceß aus dem ehelichen Leben des high
life ein, der seit 20 Jahren nun zum zweiten Mal aufgewärmt ist. Die eng¬
lische Jurisprudenz ist in mancher Beziehung noch barbarischer als das franzö¬
sische Gesetz, der Engländer brutaler als der Franzose. Mrs. Norton, eine
begabte Schriftstellerin, Sheridans Enkelin, ist die Fran eines jüngeren
Sohnes eines ärmlichen Lords, und hat vor 18 Jahren schon die elende An¬
klage ihres Mannes wegen Ehebruchs mit ihrem Beschützer, dem alten Lord
Melbourne bestanden. Das war eine Tory-Jntrigue, zu der sich Mr. Norton
hergab, der zwar nicht verschmäht hatte, ein einträgliches und unverdientes
Amt von dem Whig-Minister anzunehmen. Seitdem lebte Mrs. Norton fern
von ihm und ernährte ihre Kinder mit einer kleinen Erbschaft und harmloser
Schriftstellern. Als ihr aber eine größere Erbschaft zufiel, machte der Mann
seine Rechte plötzlich wieder geltend, denn sie waren nicht geschieden, und so
gehört alles, was die Frau erwirbt, dem Manne, wie in der altrömischen
Sklaverei. MrS. Norton, durch ihr Aller nun über den Skandal erhaben,
von keiner Rücksicht gegen einen längst verstorbenen Freund zurückgehalten,
von der Pflicht gegen ihre Kinder getrieben, hat endlich das Publicum zum
Richter aufgerufen, und appellirt in einer mit natürlicher Wärme geschriebenen
Broschüre an die in England nie ohnmächtige öffentliche Meinung. Die Er¬
zählung der Leiden ihres leichtsinnig vergifteten Lebens ist der beste Kommentar
zum modernen Eherecht Englands und anderer Länder. , Auch wir haben
nicht das Recht, an die Brust zu klopfen und mit dem Pharisäer zu sagen:
„Wohl mir, daß ich nicht bin wie jene!" — Die Schrift der Mrs. Norton ist
für England nur als Manuskript erschienen, wird aber deutsch bei Franz Duncker
in Berlin herausgegeben werden.
--Ms Merimve vor einigen Monaten von einem Ausfluge nach Spa¬
nien wiederkehrte, sagte er mir: Erinnern Sie sich an meine Prophezeihung,
wir erleben noch dieses Jahr eine gewaltige Revolution in Spanien, die Re-
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