Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ringe und kümmerliche Bestände. Dagegen die dunkeln devonischen und Ober-
stlurgesteine, in tieferer Gebirgslage und auf besserem Grund, haben schlanke,
kräftig emporgetriebene Fichten und Tannen und selbst üppige Buchen; die
Triebkraft der grauen Grauwacke liegt zwischen beiden. Auf dem guten Boden
des dunkeln Gesteins schießt der Baum fast ohne Quirle mastförmig empor
und gewinnt nicht allein eine ungemein große Elasticität, womit er den
Stürmen trotzt, sondern auch eine den Schnitzern willkommene feine Längen-
spaltharkeit; Schneemassen üben auf ihn weniger Einfluß, weil ihm die Quirle
und mithin das schneefangende Geäst fehlen. In der hellen Grauwacke aber
setzt der Baum kürzere Jahresschüsse an, breitet sich vielmehr in reichen Quirlen
aus und wird knorriger, weniger biegsam, unterliegt deshalb der Sturm- und
Schneewucht und eignet sich aus Mangel an gutgearteter Structur nicht für
Feinschnitzer, dagegen am besten für Hüttenleute und in die Oefen.

Außer den Feinschnitzern und Drechslern, sind die Geigen-, Schachtel-, Trom¬
mel-, Wägelein - und Schusterspanmacher, die Schwefelhölzner und selbst die
Schreiner und Büttner stark vertreten. Durch die Gesammtthätigkeit derselben
erhält der südöstliche thüringer Wald zu seiner Schieferphysiognomie einen
zweiten originellen Ausdruck.

Einen dritten geben die Glas-, Porzellan- und Märmelfabriken. Der
Bergbau dieses Waldlandes kam durch westphälische Bergleute in Gang und
die Feinschnitzerei wurde durch Nürnberger Kaufleute hervorgerufen; es waren
gleichfalls fremde, meist der Religion wegen aus ihrer Heimath verdrängte
Männer, namentlich Böhmen und Schwaben, welche auf den thüringer Wald¬
boden die Glashütten und .Porzellanfabriken gründeten, Salzburger, welche den
Anstoß zur Märmelbereitung gaben, Kärnthner und Nürnberger, welche die
Eisenhüttenthätigkeit erweckten. Es sind somit auf diesem Gebiet viele Fremde
zusammengeströmt, die meist durch die eigne Noth unternehmend und biegsam
gemacht, der Gegend das Fabrikleben und den eigenthümlichen Fabrikanten¬
geist geben, der von dem Charakter der Bauerndörfer weit abliegt.

Unter den Fabriken bilden namentlich die, welche Glas und Porzellan erzeugen,
den Lebensnerv für 30 Orte, die fast insgesammt d^in Zuge des Rennstiegs folgen
und entweder auf dem Rücken desselben oder ihm zur Seite in den Hochthälern
liegen. Tafelglas, HohlglaS, Glasinstrumente,. Glasspielwaarcn, Glasschleifen,
Glasschneiden, Glasmalereien, Glasfarbenreibereien, Porzellanwaaren und
Porzellanmalerei setzen hier viel tausend Arme und Köpfe in Bewegung. Die
Glasfabrication des Waldes ist um 130 Jahr älter als die Porzellanfabrication.
Zwar hat die Gegend schon im Mittelalter Glashütten besessen, von denen
noch heute die Spuren nachweisbar sind; die Periode der neuern Glashütten
indeß beginnt erst mit 1593, wo Lauscha die erste des thüringer Waldes
wurde. Dieser Ort ist 2000 Fuß hoch gelegen, besteht aus circa 1400 Seelen,


ringe und kümmerliche Bestände. Dagegen die dunkeln devonischen und Ober-
stlurgesteine, in tieferer Gebirgslage und auf besserem Grund, haben schlanke,
kräftig emporgetriebene Fichten und Tannen und selbst üppige Buchen; die
Triebkraft der grauen Grauwacke liegt zwischen beiden. Auf dem guten Boden
des dunkeln Gesteins schießt der Baum fast ohne Quirle mastförmig empor
und gewinnt nicht allein eine ungemein große Elasticität, womit er den
Stürmen trotzt, sondern auch eine den Schnitzern willkommene feine Längen-
spaltharkeit; Schneemassen üben auf ihn weniger Einfluß, weil ihm die Quirle
und mithin das schneefangende Geäst fehlen. In der hellen Grauwacke aber
setzt der Baum kürzere Jahresschüsse an, breitet sich vielmehr in reichen Quirlen
aus und wird knorriger, weniger biegsam, unterliegt deshalb der Sturm- und
Schneewucht und eignet sich aus Mangel an gutgearteter Structur nicht für
Feinschnitzer, dagegen am besten für Hüttenleute und in die Oefen.

Außer den Feinschnitzern und Drechslern, sind die Geigen-, Schachtel-, Trom¬
mel-, Wägelein - und Schusterspanmacher, die Schwefelhölzner und selbst die
Schreiner und Büttner stark vertreten. Durch die Gesammtthätigkeit derselben
erhält der südöstliche thüringer Wald zu seiner Schieferphysiognomie einen
zweiten originellen Ausdruck.

Einen dritten geben die Glas-, Porzellan- und Märmelfabriken. Der
Bergbau dieses Waldlandes kam durch westphälische Bergleute in Gang und
die Feinschnitzerei wurde durch Nürnberger Kaufleute hervorgerufen; es waren
gleichfalls fremde, meist der Religion wegen aus ihrer Heimath verdrängte
Männer, namentlich Böhmen und Schwaben, welche auf den thüringer Wald¬
boden die Glashütten und .Porzellanfabriken gründeten, Salzburger, welche den
Anstoß zur Märmelbereitung gaben, Kärnthner und Nürnberger, welche die
Eisenhüttenthätigkeit erweckten. Es sind somit auf diesem Gebiet viele Fremde
zusammengeströmt, die meist durch die eigne Noth unternehmend und biegsam
gemacht, der Gegend das Fabrikleben und den eigenthümlichen Fabrikanten¬
geist geben, der von dem Charakter der Bauerndörfer weit abliegt.

Unter den Fabriken bilden namentlich die, welche Glas und Porzellan erzeugen,
den Lebensnerv für 30 Orte, die fast insgesammt d^in Zuge des Rennstiegs folgen
und entweder auf dem Rücken desselben oder ihm zur Seite in den Hochthälern
liegen. Tafelglas, HohlglaS, Glasinstrumente,. Glasspielwaarcn, Glasschleifen,
Glasschneiden, Glasmalereien, Glasfarbenreibereien, Porzellanwaaren und
Porzellanmalerei setzen hier viel tausend Arme und Köpfe in Bewegung. Die
Glasfabrication des Waldes ist um 130 Jahr älter als die Porzellanfabrication.
Zwar hat die Gegend schon im Mittelalter Glashütten besessen, von denen
noch heute die Spuren nachweisbar sind; die Periode der neuern Glashütten
indeß beginnt erst mit 1593, wo Lauscha die erste des thüringer Waldes
wurde. Dieser Ort ist 2000 Fuß hoch gelegen, besteht aus circa 1400 Seelen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/281366"/>
            <p xml:id="ID_685" prev="#ID_684"> ringe und kümmerliche Bestände. Dagegen die dunkeln devonischen und Ober-<lb/>
stlurgesteine, in tieferer Gebirgslage und auf besserem Grund, haben schlanke,<lb/>
kräftig emporgetriebene Fichten und Tannen und selbst üppige Buchen; die<lb/>
Triebkraft der grauen Grauwacke liegt zwischen beiden. Auf dem guten Boden<lb/>
des dunkeln Gesteins schießt der Baum fast ohne Quirle mastförmig empor<lb/>
und gewinnt nicht allein eine ungemein große Elasticität, womit er den<lb/>
Stürmen trotzt, sondern auch eine den Schnitzern willkommene feine Längen-<lb/>
spaltharkeit; Schneemassen üben auf ihn weniger Einfluß, weil ihm die Quirle<lb/>
und mithin das schneefangende Geäst fehlen. In der hellen Grauwacke aber<lb/>
setzt der Baum kürzere Jahresschüsse an, breitet sich vielmehr in reichen Quirlen<lb/>
aus und wird knorriger, weniger biegsam, unterliegt deshalb der Sturm- und<lb/>
Schneewucht und eignet sich aus Mangel an gutgearteter Structur nicht für<lb/>
Feinschnitzer, dagegen am besten für Hüttenleute und in die Oefen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_686"> Außer den Feinschnitzern und Drechslern, sind die Geigen-, Schachtel-, Trom¬<lb/>
mel-, Wägelein - und Schusterspanmacher, die Schwefelhölzner und selbst die<lb/>
Schreiner und Büttner stark vertreten. Durch die Gesammtthätigkeit derselben<lb/>
erhält der südöstliche thüringer Wald zu seiner Schieferphysiognomie einen<lb/>
zweiten originellen Ausdruck.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_687"> Einen dritten geben die Glas-, Porzellan- und Märmelfabriken. Der<lb/>
Bergbau dieses Waldlandes kam durch westphälische Bergleute in Gang und<lb/>
die Feinschnitzerei wurde durch Nürnberger Kaufleute hervorgerufen; es waren<lb/>
gleichfalls fremde, meist der Religion wegen aus ihrer Heimath verdrängte<lb/>
Männer, namentlich Böhmen und Schwaben, welche auf den thüringer Wald¬<lb/>
boden die Glashütten und .Porzellanfabriken gründeten, Salzburger, welche den<lb/>
Anstoß zur Märmelbereitung gaben, Kärnthner und Nürnberger, welche die<lb/>
Eisenhüttenthätigkeit erweckten. Es sind somit auf diesem Gebiet viele Fremde<lb/>
zusammengeströmt, die meist durch die eigne Noth unternehmend und biegsam<lb/>
gemacht, der Gegend das Fabrikleben und den eigenthümlichen Fabrikanten¬<lb/>
geist geben, der von dem Charakter der Bauerndörfer weit abliegt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_688" next="#ID_689"> Unter den Fabriken bilden namentlich die, welche Glas und Porzellan erzeugen,<lb/>
den Lebensnerv für 30 Orte, die fast insgesammt d^in Zuge des Rennstiegs folgen<lb/>
und entweder auf dem Rücken desselben oder ihm zur Seite in den Hochthälern<lb/>
liegen. Tafelglas, HohlglaS, Glasinstrumente,. Glasspielwaarcn, Glasschleifen,<lb/>
Glasschneiden, Glasmalereien, Glasfarbenreibereien, Porzellanwaaren und<lb/>
Porzellanmalerei setzen hier viel tausend Arme und Köpfe in Bewegung. Die<lb/>
Glasfabrication des Waldes ist um 130 Jahr älter als die Porzellanfabrication.<lb/>
Zwar hat die Gegend schon im Mittelalter Glashütten besessen, von denen<lb/>
noch heute die Spuren nachweisbar sind; die Periode der neuern Glashütten<lb/>
indeß beginnt erst mit 1593, wo Lauscha die erste des thüringer Waldes<lb/>
wurde. Dieser Ort ist 2000 Fuß hoch gelegen, besteht aus circa 1400 Seelen,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0215] ringe und kümmerliche Bestände. Dagegen die dunkeln devonischen und Ober- stlurgesteine, in tieferer Gebirgslage und auf besserem Grund, haben schlanke, kräftig emporgetriebene Fichten und Tannen und selbst üppige Buchen; die Triebkraft der grauen Grauwacke liegt zwischen beiden. Auf dem guten Boden des dunkeln Gesteins schießt der Baum fast ohne Quirle mastförmig empor und gewinnt nicht allein eine ungemein große Elasticität, womit er den Stürmen trotzt, sondern auch eine den Schnitzern willkommene feine Längen- spaltharkeit; Schneemassen üben auf ihn weniger Einfluß, weil ihm die Quirle und mithin das schneefangende Geäst fehlen. In der hellen Grauwacke aber setzt der Baum kürzere Jahresschüsse an, breitet sich vielmehr in reichen Quirlen aus und wird knorriger, weniger biegsam, unterliegt deshalb der Sturm- und Schneewucht und eignet sich aus Mangel an gutgearteter Structur nicht für Feinschnitzer, dagegen am besten für Hüttenleute und in die Oefen. Außer den Feinschnitzern und Drechslern, sind die Geigen-, Schachtel-, Trom¬ mel-, Wägelein - und Schusterspanmacher, die Schwefelhölzner und selbst die Schreiner und Büttner stark vertreten. Durch die Gesammtthätigkeit derselben erhält der südöstliche thüringer Wald zu seiner Schieferphysiognomie einen zweiten originellen Ausdruck. Einen dritten geben die Glas-, Porzellan- und Märmelfabriken. Der Bergbau dieses Waldlandes kam durch westphälische Bergleute in Gang und die Feinschnitzerei wurde durch Nürnberger Kaufleute hervorgerufen; es waren gleichfalls fremde, meist der Religion wegen aus ihrer Heimath verdrängte Männer, namentlich Böhmen und Schwaben, welche auf den thüringer Wald¬ boden die Glashütten und .Porzellanfabriken gründeten, Salzburger, welche den Anstoß zur Märmelbereitung gaben, Kärnthner und Nürnberger, welche die Eisenhüttenthätigkeit erweckten. Es sind somit auf diesem Gebiet viele Fremde zusammengeströmt, die meist durch die eigne Noth unternehmend und biegsam gemacht, der Gegend das Fabrikleben und den eigenthümlichen Fabrikanten¬ geist geben, der von dem Charakter der Bauerndörfer weit abliegt. Unter den Fabriken bilden namentlich die, welche Glas und Porzellan erzeugen, den Lebensnerv für 30 Orte, die fast insgesammt d^in Zuge des Rennstiegs folgen und entweder auf dem Rücken desselben oder ihm zur Seite in den Hochthälern liegen. Tafelglas, HohlglaS, Glasinstrumente,. Glasspielwaarcn, Glasschleifen, Glasschneiden, Glasmalereien, Glasfarbenreibereien, Porzellanwaaren und Porzellanmalerei setzen hier viel tausend Arme und Köpfe in Bewegung. Die Glasfabrication des Waldes ist um 130 Jahr älter als die Porzellanfabrication. Zwar hat die Gegend schon im Mittelalter Glashütten besessen, von denen noch heute die Spuren nachweisbar sind; die Periode der neuern Glashütten indeß beginnt erst mit 1593, wo Lauscha die erste des thüringer Waldes wurde. Dieser Ort ist 2000 Fuß hoch gelegen, besteht aus circa 1400 Seelen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/215
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/215>, abgerufen am 01.09.2024.