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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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zu ihnen eingeht, sie das Recht haben, beim Imam den Verkauf an einen
andern Gebieter zu beantragen.

Die Hitze aus der Fahrt von Schumla aus war ganz enorm; zum Glück
war mein Wagen der vorderste, und ich entging dadurch dem Uebelstand, daß
der aufwirbelnde Staub mir enlgegenflog. Alle Stunden, die wir zurück¬
legten, schlossen mit einer kleinen Pause; gemeiniglich fand sich ein Brunnen
in der Nahe vor, zu dem wir hinfuhren, um die Pferde tränken zu lassen.
Dieses geschal) mittelst kleiner Mulden, welche die Arabadschis mit sich führten.

Die Gegend verlor mehr ihren bergigen Charakter, und wandelte sich in
eine hochwellige Ebene um. Mich überraschte der dichte Anbau und die Ueppig¬
keit, von der die Felder ringsumher strotzten. Bulgarien ist eines der reichsten
Getreideländer im Osten Europas, und wird in dieser Weltgegend an Frucht¬
barkeit wol nur von der Walachei übertroffen. Allerdings fehlt es stellenweise
an Wasser, und in dürren Jahren geht mancherlei zu Grunde. Aber nichts¬
destoweniger würde ein rationeller Feldbau hier unermeßliche Resultate erzielen
können. So oft ich das Land durchreiste, und das geschah bereits vier oder
fünfmal, kam mir der Gedanke, daß hier einst deutsche Eolonisten ihren Platz
finden würden. Durch die Donau ständen sie mit der Heimath in naher Ver¬
bindung, könnten auf diesem billigen Wege mit allem Nothwendigen leicht sich
versorgen, und würden stromabwärts zugleich den Vortheil einer erleichterten
Ausfuhr genießen. Nie war ein Augenblick geeigneter, um dergleichen Fragen
anzuregen, wie der gegenwärtige. Wenn Oestreich sich entschließt, demnächst
ein entscheidendes Wort in der orientalischen Frage mitzureden, so möge es
vor allem diese Verhältnisse dabei mit in Rücksicht ziehen.

Als wir gegen Mittag in einem von grünem Wiesengrunde bedeckten Thale
angekommen waren, hielten unsre Arabadschi an, spannten die Pferde ans und
türkische Diener breiteten jene breiten,^ aus Schilf geflochtenen Matten aus,
auf denen man im Orient im Freien die Mahlzeiten einzunehmen pflegt.
Aus den umliegenden Bauerhütten wurde Milch herbeigeschafft, bald kamen
auch Eier und Brot, kaltes Fleisch war von Schumla aus mitgenommen
worden und bevor zehn Minuten vergangen, sand sich das Material zu einem
ländlichen Frühstück beisammen. Dasselbe wurde mit Kaffee eröffnet und schloß
später gleichfalls damit. Kirschen, die ein Bauer zutrug, waren schlecht, wie
denn überhaupt Obst in der Türkei mit Ausnahme von Erdbeeren und Wein¬
trauben, Melonen und Feigen, nicht eben in besonderer Güte angetroffen wird.
Und dennoch sind die Obstgattungen diejenigen Producte seines Landes, auf
die sich der Türke am meisten zu gute thut. Auf die Frage, ob es in der
Heimath dieses oder jenes Fremden sich angenehm leben lasse, wird er oft auch
die folgen lassen: fehlt es bei dir nicht an Obst, und gibt es so schöne Kirschen
und Pflaumen dort, wie bei uns?


Grenzbole". III. 23

zu ihnen eingeht, sie das Recht haben, beim Imam den Verkauf an einen
andern Gebieter zu beantragen.

Die Hitze aus der Fahrt von Schumla aus war ganz enorm; zum Glück
war mein Wagen der vorderste, und ich entging dadurch dem Uebelstand, daß
der aufwirbelnde Staub mir enlgegenflog. Alle Stunden, die wir zurück¬
legten, schlossen mit einer kleinen Pause; gemeiniglich fand sich ein Brunnen
in der Nahe vor, zu dem wir hinfuhren, um die Pferde tränken zu lassen.
Dieses geschal) mittelst kleiner Mulden, welche die Arabadschis mit sich führten.

Die Gegend verlor mehr ihren bergigen Charakter, und wandelte sich in
eine hochwellige Ebene um. Mich überraschte der dichte Anbau und die Ueppig¬
keit, von der die Felder ringsumher strotzten. Bulgarien ist eines der reichsten
Getreideländer im Osten Europas, und wird in dieser Weltgegend an Frucht¬
barkeit wol nur von der Walachei übertroffen. Allerdings fehlt es stellenweise
an Wasser, und in dürren Jahren geht mancherlei zu Grunde. Aber nichts¬
destoweniger würde ein rationeller Feldbau hier unermeßliche Resultate erzielen
können. So oft ich das Land durchreiste, und das geschah bereits vier oder
fünfmal, kam mir der Gedanke, daß hier einst deutsche Eolonisten ihren Platz
finden würden. Durch die Donau ständen sie mit der Heimath in naher Ver¬
bindung, könnten auf diesem billigen Wege mit allem Nothwendigen leicht sich
versorgen, und würden stromabwärts zugleich den Vortheil einer erleichterten
Ausfuhr genießen. Nie war ein Augenblick geeigneter, um dergleichen Fragen
anzuregen, wie der gegenwärtige. Wenn Oestreich sich entschließt, demnächst
ein entscheidendes Wort in der orientalischen Frage mitzureden, so möge es
vor allem diese Verhältnisse dabei mit in Rücksicht ziehen.

Als wir gegen Mittag in einem von grünem Wiesengrunde bedeckten Thale
angekommen waren, hielten unsre Arabadschi an, spannten die Pferde ans und
türkische Diener breiteten jene breiten,^ aus Schilf geflochtenen Matten aus,
auf denen man im Orient im Freien die Mahlzeiten einzunehmen pflegt.
Aus den umliegenden Bauerhütten wurde Milch herbeigeschafft, bald kamen
auch Eier und Brot, kaltes Fleisch war von Schumla aus mitgenommen
worden und bevor zehn Minuten vergangen, sand sich das Material zu einem
ländlichen Frühstück beisammen. Dasselbe wurde mit Kaffee eröffnet und schloß
später gleichfalls damit. Kirschen, die ein Bauer zutrug, waren schlecht, wie
denn überhaupt Obst in der Türkei mit Ausnahme von Erdbeeren und Wein¬
trauben, Melonen und Feigen, nicht eben in besonderer Güte angetroffen wird.
Und dennoch sind die Obstgattungen diejenigen Producte seines Landes, auf
die sich der Türke am meisten zu gute thut. Auf die Frage, ob es in der
Heimath dieses oder jenes Fremden sich angenehm leben lasse, wird er oft auch
die folgen lassen: fehlt es bei dir nicht an Obst, und gibt es so schöne Kirschen
und Pflaumen dort, wie bei uns?


Grenzbole». III. 23
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/201>, abgerufen am 27.07.2024.