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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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Seite derer, welche die Position nicht für übermäßig stark und auch heute noch
einer guten Befestigung für äußerst bedürftig erachten. Sie erinnern sich viel¬
leicht, daß ich mich schon einmal, wenn ich nicht irre bei Gelegenheit der Cha-
rakterisirung der türkischen Armee und Besprechung ihrer etwaigen kriegerischen
Erfolge über diesen Punkt in Ihren Blattern aussprach. Schumla, sagte ich
damals, hat für die heutigen Tage nicht mehr die volle taktische Stärke von
ehemals, oder vielmehr: die heutige regulirte und ohne Frage um vieles ver¬
besserte und für die Action im freien Felde ungleich länglichere osmanische
Armee ist gleichwol nicht mehr das wirkungsvolle Vertheidigungswerkzeug für
Schumla, wie es die alte war. Der Grund davon liegt darin, daß die türkische
Reiterei von ehemals in ihrem Mangel an aller Taktik auf ihren kleinen, aber
unermüdlichen, mit besonderer Rücksicht auf das Terrain beschlagenen und ge¬
zäumten.Pferden, wie dazuj geschaffen war, um aus dem mit niedrigem Rüstern¬
wuchs bedeckten Plateau, also im Rücken der eigentlichen Stellung durch "dick
und dünn", durch Gestrüpp und über Felsen hinweg, mit dem osmanischen
Ungestüm zu agiren -- den Feind niederzuwerfen, wo er sich sehen lassen mag
und sozusagen die Tennnc zu fegen. Heute hat man diese wunderbare Ca-
valerie nicht mehr, denn die Baschi Bojuts stellen nur ihre ausgearteten Reste
vor und die neue reguläre Reiterei ist der Aufgabe nicht gewachsen.

Um so mehr Grund war vorhanden, den Schwächen nunmehr durch aus¬
reichende fortificatorische Mittel zu Hilfe zu kommen. Mit welcher Liebe sich
indeß Omer Pascha immerhin auch dein großen Werke der Befestigung Schumlas
unterzogen hat, kann man dennoch nicht sagen, daß er im Ganzen und Großen
dabei glücklich gewesen sei. Als Anhaltpunkte für die neuen Linien waren
die aus älterer Zeit bestehenden permaneiuen Werke gegeben. Es sind dies
in der Ebene die drei Forts Dschengell-, Tschalla- und Fidai-Tabiassi, auf den
Höhen, und zwar auf dem schwächeren linken Flügel Gildis-Tabia, zu deutsch:
Sternschanze. Zwischen diesen permanenten, mit Mauerwerk bekleideten Werken
sind provisorische nach und nach eingeschoben worden. Aus guten Gründen
enthalte ich mich jeder weiteren Kritik derselben und führe Sie statt dessen in
das Innere der Stadt, die ziemlich ausgedehnt in der südwärtigen Ecke deö
Hufeisens gelegen ist. Sie ist mit einer Erdumwallung versehen, über welche
die Häuser hoch hinausragen. Plätze gibt es nicht, wenn nicht etwa für einige
Brandstätten, die noch nicht wieder bebaut worden sind, dieser Name in An¬
spruch genommen wird. Die Straßen sind eng, indeß sauberer, als in anderen
türkischen Städten, indem Omer Pascha nicht eben der Mann ist, um Nachsicht
für die Fortdauer ungehöriger Zustände zu üben, wenn dieselben sich abstellen
lassen. Auffallend ist die Menge der massiven, für mercantile und nunmehr
auch militärische Zwecke dienenden Speicher. Auch einige Häuser ä la lrcmeg,
fehlen nicht. Dagegen war zu Zeiten meines letzten Besuchs nicht eine einzige


Seite derer, welche die Position nicht für übermäßig stark und auch heute noch
einer guten Befestigung für äußerst bedürftig erachten. Sie erinnern sich viel¬
leicht, daß ich mich schon einmal, wenn ich nicht irre bei Gelegenheit der Cha-
rakterisirung der türkischen Armee und Besprechung ihrer etwaigen kriegerischen
Erfolge über diesen Punkt in Ihren Blattern aussprach. Schumla, sagte ich
damals, hat für die heutigen Tage nicht mehr die volle taktische Stärke von
ehemals, oder vielmehr: die heutige regulirte und ohne Frage um vieles ver¬
besserte und für die Action im freien Felde ungleich länglichere osmanische
Armee ist gleichwol nicht mehr das wirkungsvolle Vertheidigungswerkzeug für
Schumla, wie es die alte war. Der Grund davon liegt darin, daß die türkische
Reiterei von ehemals in ihrem Mangel an aller Taktik auf ihren kleinen, aber
unermüdlichen, mit besonderer Rücksicht auf das Terrain beschlagenen und ge¬
zäumten.Pferden, wie dazuj geschaffen war, um aus dem mit niedrigem Rüstern¬
wuchs bedeckten Plateau, also im Rücken der eigentlichen Stellung durch „dick
und dünn", durch Gestrüpp und über Felsen hinweg, mit dem osmanischen
Ungestüm zu agiren — den Feind niederzuwerfen, wo er sich sehen lassen mag
und sozusagen die Tennnc zu fegen. Heute hat man diese wunderbare Ca-
valerie nicht mehr, denn die Baschi Bojuts stellen nur ihre ausgearteten Reste
vor und die neue reguläre Reiterei ist der Aufgabe nicht gewachsen.

Um so mehr Grund war vorhanden, den Schwächen nunmehr durch aus¬
reichende fortificatorische Mittel zu Hilfe zu kommen. Mit welcher Liebe sich
indeß Omer Pascha immerhin auch dein großen Werke der Befestigung Schumlas
unterzogen hat, kann man dennoch nicht sagen, daß er im Ganzen und Großen
dabei glücklich gewesen sei. Als Anhaltpunkte für die neuen Linien waren
die aus älterer Zeit bestehenden permaneiuen Werke gegeben. Es sind dies
in der Ebene die drei Forts Dschengell-, Tschalla- und Fidai-Tabiassi, auf den
Höhen, und zwar auf dem schwächeren linken Flügel Gildis-Tabia, zu deutsch:
Sternschanze. Zwischen diesen permanenten, mit Mauerwerk bekleideten Werken
sind provisorische nach und nach eingeschoben worden. Aus guten Gründen
enthalte ich mich jeder weiteren Kritik derselben und führe Sie statt dessen in
das Innere der Stadt, die ziemlich ausgedehnt in der südwärtigen Ecke deö
Hufeisens gelegen ist. Sie ist mit einer Erdumwallung versehen, über welche
die Häuser hoch hinausragen. Plätze gibt es nicht, wenn nicht etwa für einige
Brandstätten, die noch nicht wieder bebaut worden sind, dieser Name in An¬
spruch genommen wird. Die Straßen sind eng, indeß sauberer, als in anderen
türkischen Städten, indem Omer Pascha nicht eben der Mann ist, um Nachsicht
für die Fortdauer ungehöriger Zustände zu üben, wenn dieselben sich abstellen
lassen. Auffallend ist die Menge der massiven, für mercantile und nunmehr
auch militärische Zwecke dienenden Speicher. Auch einige Häuser ä la lrcmeg,
fehlen nicht. Dagegen war zu Zeiten meines letzten Besuchs nicht eine einzige


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[0197] Seite derer, welche die Position nicht für übermäßig stark und auch heute noch einer guten Befestigung für äußerst bedürftig erachten. Sie erinnern sich viel¬ leicht, daß ich mich schon einmal, wenn ich nicht irre bei Gelegenheit der Cha- rakterisirung der türkischen Armee und Besprechung ihrer etwaigen kriegerischen Erfolge über diesen Punkt in Ihren Blattern aussprach. Schumla, sagte ich damals, hat für die heutigen Tage nicht mehr die volle taktische Stärke von ehemals, oder vielmehr: die heutige regulirte und ohne Frage um vieles ver¬ besserte und für die Action im freien Felde ungleich länglichere osmanische Armee ist gleichwol nicht mehr das wirkungsvolle Vertheidigungswerkzeug für Schumla, wie es die alte war. Der Grund davon liegt darin, daß die türkische Reiterei von ehemals in ihrem Mangel an aller Taktik auf ihren kleinen, aber unermüdlichen, mit besonderer Rücksicht auf das Terrain beschlagenen und ge¬ zäumten.Pferden, wie dazuj geschaffen war, um aus dem mit niedrigem Rüstern¬ wuchs bedeckten Plateau, also im Rücken der eigentlichen Stellung durch „dick und dünn", durch Gestrüpp und über Felsen hinweg, mit dem osmanischen Ungestüm zu agiren — den Feind niederzuwerfen, wo er sich sehen lassen mag und sozusagen die Tennnc zu fegen. Heute hat man diese wunderbare Ca- valerie nicht mehr, denn die Baschi Bojuts stellen nur ihre ausgearteten Reste vor und die neue reguläre Reiterei ist der Aufgabe nicht gewachsen. Um so mehr Grund war vorhanden, den Schwächen nunmehr durch aus¬ reichende fortificatorische Mittel zu Hilfe zu kommen. Mit welcher Liebe sich indeß Omer Pascha immerhin auch dein großen Werke der Befestigung Schumlas unterzogen hat, kann man dennoch nicht sagen, daß er im Ganzen und Großen dabei glücklich gewesen sei. Als Anhaltpunkte für die neuen Linien waren die aus älterer Zeit bestehenden permaneiuen Werke gegeben. Es sind dies in der Ebene die drei Forts Dschengell-, Tschalla- und Fidai-Tabiassi, auf den Höhen, und zwar auf dem schwächeren linken Flügel Gildis-Tabia, zu deutsch: Sternschanze. Zwischen diesen permanenten, mit Mauerwerk bekleideten Werken sind provisorische nach und nach eingeschoben worden. Aus guten Gründen enthalte ich mich jeder weiteren Kritik derselben und führe Sie statt dessen in das Innere der Stadt, die ziemlich ausgedehnt in der südwärtigen Ecke deö Hufeisens gelegen ist. Sie ist mit einer Erdumwallung versehen, über welche die Häuser hoch hinausragen. Plätze gibt es nicht, wenn nicht etwa für einige Brandstätten, die noch nicht wieder bebaut worden sind, dieser Name in An¬ spruch genommen wird. Die Straßen sind eng, indeß sauberer, als in anderen türkischen Städten, indem Omer Pascha nicht eben der Mann ist, um Nachsicht für die Fortdauer ungehöriger Zustände zu üben, wenn dieselben sich abstellen lassen. Auffallend ist die Menge der massiven, für mercantile und nunmehr auch militärische Zwecke dienenden Speicher. Auch einige Häuser ä la lrcmeg, fehlen nicht. Dagegen war zu Zeiten meines letzten Besuchs nicht eine einzige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/197>, abgerufen am 01.09.2024.