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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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wärtigen Ufer desselben entlang, wo wir letztlich auf einer kleinen flachen
Landzunge landeten. Ein unvergleichlicher Rasen bekleidete die Abfälle der
nahen Berge, und wir fanden alsbald ein wohnliches, von Strauchwerk gegen
etwaigen Windzug, den die Türken im Freien gern vermeiden, im Innern
ihrer Häuser aber ebenso eifrig hervorzurufen suchen, wohl gesichertes Plätzchen.
Flinte Diener waren zur Hand, Divankissen und Teppiche auszubreiten, und
ehe einige Minuten vergangen waren, loderte zu unsren Füßen ein Helles
Feuer, an dem in kleinen messingenen Kochern der unentbehrliche Kaffee be¬
reitet wurde.

Wir hatten von diesem Punkte aus, jenachdem wir uns see- oder land¬
wärts wendeten, zwei durchaus verschiedene Aussichten vor uns. In ersterer
Richtung überschauten wir zunächst den der Stadt zugewendeten Theil des
Sees und diese selbst mit ihrer weißen von Scharten allerwärts durchbrochenen
Kehlmaucr, mit ihrem Serail und den hochragenden Minarets. Rechts von
ihr breitete sich das unermeßliche Meer, zunächst dem Lande die Rhede, deren
unruhige Wogen zwanzig Kauffahrer schaukelten, während ein mächtiges tür¬
kisches Kriegsschiff unbeweglich festliegend die rollenden Flutberge an seinen
dunklen, hohen Flanken zerschellen ließ. Nach dieser Seite hin war alles Leben
und Regsamkeit, wogegen die binnenwärtige Aussicht als Vordergrund das
Ufer des langgedehnten Sees und über dessen Spiegel hinaus eine liebliche
Waldeseinsamkeit schauen ließ. Uralte, moosbedeckte Baumstämme, die noch
aufrechtstanden, wiewol die Kronen nur wenig Laub als Nest aus besseren
Tagen trugen, neben jung aufgeschossenen Birken, Akazien, Silberpappeln und
Espen. Wilde Schwäne und eine große Menge Enten belebten unterwärts
die klare Flut, und das Gestade hinauf schritt ein Reiher majestätischen, lang¬
samen Ganges.

Inzwischen brateten und schmorten die Diener in zehn Schüsseln zugleich,
und ein ausgebreitetes Seidentuch, besonders aber der darausgestellte kleine
runde Tisch, mit dem großen, blankgcscheuerten messingenen Präsentirteller,
wie wir es nennen würden, verkündeten, daß sofort das Frühstück erschei¬
nen werde.

Ich habe türkische Mahlzeiten in Ihren Blättern schon zu öfteren Malen
beschrieben, und kann es mir ersparen, hier noch einmal darauf zurückzukommen.
Die Osmanli nicht nur, sondern auch Griechen, Armenier und überhaupt alle
Morgenländer frühstücken um zehn Uhr Vormittags und lassen nach Sonnen¬
untergang die Hauptmahlzeit auftragen. Dazwischen wird nichts genossen, es
sei denn Kaffee oder Obst und im Winter Backwerk. Die Beimischung von
Milch zum Kaffee kennt man natürlich nur dem Namen nach. Man nennt
es: Sutti-Kawe.

Nach dem Frühstück standen meine Reisegefährten aus und griffen nach


Grenzboten. IU. 18!i4. , ZZ

wärtigen Ufer desselben entlang, wo wir letztlich auf einer kleinen flachen
Landzunge landeten. Ein unvergleichlicher Rasen bekleidete die Abfälle der
nahen Berge, und wir fanden alsbald ein wohnliches, von Strauchwerk gegen
etwaigen Windzug, den die Türken im Freien gern vermeiden, im Innern
ihrer Häuser aber ebenso eifrig hervorzurufen suchen, wohl gesichertes Plätzchen.
Flinte Diener waren zur Hand, Divankissen und Teppiche auszubreiten, und
ehe einige Minuten vergangen waren, loderte zu unsren Füßen ein Helles
Feuer, an dem in kleinen messingenen Kochern der unentbehrliche Kaffee be¬
reitet wurde.

Wir hatten von diesem Punkte aus, jenachdem wir uns see- oder land¬
wärts wendeten, zwei durchaus verschiedene Aussichten vor uns. In ersterer
Richtung überschauten wir zunächst den der Stadt zugewendeten Theil des
Sees und diese selbst mit ihrer weißen von Scharten allerwärts durchbrochenen
Kehlmaucr, mit ihrem Serail und den hochragenden Minarets. Rechts von
ihr breitete sich das unermeßliche Meer, zunächst dem Lande die Rhede, deren
unruhige Wogen zwanzig Kauffahrer schaukelten, während ein mächtiges tür¬
kisches Kriegsschiff unbeweglich festliegend die rollenden Flutberge an seinen
dunklen, hohen Flanken zerschellen ließ. Nach dieser Seite hin war alles Leben
und Regsamkeit, wogegen die binnenwärtige Aussicht als Vordergrund das
Ufer des langgedehnten Sees und über dessen Spiegel hinaus eine liebliche
Waldeseinsamkeit schauen ließ. Uralte, moosbedeckte Baumstämme, die noch
aufrechtstanden, wiewol die Kronen nur wenig Laub als Nest aus besseren
Tagen trugen, neben jung aufgeschossenen Birken, Akazien, Silberpappeln und
Espen. Wilde Schwäne und eine große Menge Enten belebten unterwärts
die klare Flut, und das Gestade hinauf schritt ein Reiher majestätischen, lang¬
samen Ganges.

Inzwischen brateten und schmorten die Diener in zehn Schüsseln zugleich,
und ein ausgebreitetes Seidentuch, besonders aber der darausgestellte kleine
runde Tisch, mit dem großen, blankgcscheuerten messingenen Präsentirteller,
wie wir es nennen würden, verkündeten, daß sofort das Frühstück erschei¬
nen werde.

Ich habe türkische Mahlzeiten in Ihren Blättern schon zu öfteren Malen
beschrieben, und kann es mir ersparen, hier noch einmal darauf zurückzukommen.
Die Osmanli nicht nur, sondern auch Griechen, Armenier und überhaupt alle
Morgenländer frühstücken um zehn Uhr Vormittags und lassen nach Sonnen¬
untergang die Hauptmahlzeit auftragen. Dazwischen wird nichts genossen, es
sei denn Kaffee oder Obst und im Winter Backwerk. Die Beimischung von
Milch zum Kaffee kennt man natürlich nur dem Namen nach. Man nennt
es: Sutti-Kawe.

Nach dem Frühstück standen meine Reisegefährten aus und griffen nach


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[0185] wärtigen Ufer desselben entlang, wo wir letztlich auf einer kleinen flachen Landzunge landeten. Ein unvergleichlicher Rasen bekleidete die Abfälle der nahen Berge, und wir fanden alsbald ein wohnliches, von Strauchwerk gegen etwaigen Windzug, den die Türken im Freien gern vermeiden, im Innern ihrer Häuser aber ebenso eifrig hervorzurufen suchen, wohl gesichertes Plätzchen. Flinte Diener waren zur Hand, Divankissen und Teppiche auszubreiten, und ehe einige Minuten vergangen waren, loderte zu unsren Füßen ein Helles Feuer, an dem in kleinen messingenen Kochern der unentbehrliche Kaffee be¬ reitet wurde. Wir hatten von diesem Punkte aus, jenachdem wir uns see- oder land¬ wärts wendeten, zwei durchaus verschiedene Aussichten vor uns. In ersterer Richtung überschauten wir zunächst den der Stadt zugewendeten Theil des Sees und diese selbst mit ihrer weißen von Scharten allerwärts durchbrochenen Kehlmaucr, mit ihrem Serail und den hochragenden Minarets. Rechts von ihr breitete sich das unermeßliche Meer, zunächst dem Lande die Rhede, deren unruhige Wogen zwanzig Kauffahrer schaukelten, während ein mächtiges tür¬ kisches Kriegsschiff unbeweglich festliegend die rollenden Flutberge an seinen dunklen, hohen Flanken zerschellen ließ. Nach dieser Seite hin war alles Leben und Regsamkeit, wogegen die binnenwärtige Aussicht als Vordergrund das Ufer des langgedehnten Sees und über dessen Spiegel hinaus eine liebliche Waldeseinsamkeit schauen ließ. Uralte, moosbedeckte Baumstämme, die noch aufrechtstanden, wiewol die Kronen nur wenig Laub als Nest aus besseren Tagen trugen, neben jung aufgeschossenen Birken, Akazien, Silberpappeln und Espen. Wilde Schwäne und eine große Menge Enten belebten unterwärts die klare Flut, und das Gestade hinauf schritt ein Reiher majestätischen, lang¬ samen Ganges. Inzwischen brateten und schmorten die Diener in zehn Schüsseln zugleich, und ein ausgebreitetes Seidentuch, besonders aber der darausgestellte kleine runde Tisch, mit dem großen, blankgcscheuerten messingenen Präsentirteller, wie wir es nennen würden, verkündeten, daß sofort das Frühstück erschei¬ nen werde. Ich habe türkische Mahlzeiten in Ihren Blättern schon zu öfteren Malen beschrieben, und kann es mir ersparen, hier noch einmal darauf zurückzukommen. Die Osmanli nicht nur, sondern auch Griechen, Armenier und überhaupt alle Morgenländer frühstücken um zehn Uhr Vormittags und lassen nach Sonnen¬ untergang die Hauptmahlzeit auftragen. Dazwischen wird nichts genossen, es sei denn Kaffee oder Obst und im Winter Backwerk. Die Beimischung von Milch zum Kaffee kennt man natürlich nur dem Namen nach. Man nennt es: Sutti-Kawe. Nach dem Frühstück standen meine Reisegefährten aus und griffen nach Grenzboten. IU. 18!i4. , ZZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/185>, abgerufen am 01.09.2024.