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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ehren, und auch gegen die anderen Festungen würde man dieselben sparen
können, wenn man sich entschließen wollte, einen Aufruf an die polnische Be¬
völkerung zu erlassen: eine Maßregel, zu der ich übrigens kaum rathen würde.

Man mag einwenden: die russischen Feldstreitkräfte würden mit den Festungen
in Verbindung treten und auf diesen vorbereiteten Schlachtfeldern den Kampf
annehmen. Dieser Fall wäre ernst genug, er würde die Entscheidung in die
Länge ziehen, dieselbe indeß nicht aufheben. Blutiger und langdauernder, würde
der Krieg endlich dennoch zum Ziele führen, denn, um noch einmal zu sagen,
was zwanzigfach zuvor gesagt worden ist: Rußland, wie es ist, ohne Reserven
von ausreichendem Umfang,, kann nimmermehr an seiner Westgrenze einen
Widerstand bis aufs äußerste wagen. Dieses hieße zu viel aufs Spiel stellen.
Es bedarf der Einlage seiner Raumverhältnisse, im besonderen seiner unerme߬
lichen Dimensionen in die Wagschale der Entscheidung, um auf einen Erfolg
rechnen zu können.

Darum ist es meine Ansicht, daß weder Preußen noch Oestreich ein an-
griffsweiseö Eindringen in das polnische Befestigungösystem der Russen zu scheuen
haben. >




Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei °)
Der Dewnosee.

Der Dewnosee erstreckt sich in einer Ausdehnung von sechs Stunden von
Ost nach West, d. l). aus der unmittelbaren Nähe des Meeresstrandes land¬
einwärts. Ohne Zweifel war er früher eine schmale, tiefeinschneidende See-
hunde, deren Entstehung mit dem vorzeitlichen, unbestritten höher gelegenen
Niveau'des Eurin und jenem gewaltigen Flutandrängen in Verbindung zu
bringen ist, als dessen Resultat'wir auch den Bosporus zu betrachten haben.
Später versandete die Mündung der Bai infolge der vorherrschenden Wind¬
richtung aus Nordost, welche wiederum eine Konsequenz der über den Pontus
hinaus nach dieser Weltgegend hin offenen, durch kein Gebirge vom Meere ge¬
schiedenen russischen Steppen ist. Es erhob sich allmälig eine Barre, und
letztlich jener schmale, mit Wiesenwachs bedeckte Isthmus, durch welchen der
ebenfalls Dewno genannte Abfluß des nunmehrigen LandseeS seinen viel¬
gewundenen, geschlängelten Laus nimmt.

Die militärische Bedeutung des Sees wurde bereits erörtert; eine noch



*> Wir liefern diesmal den rückständigen Theil der "Landschaftsbilder" nach, um nächstens
den ferneren Verlauf dieser Mittheilungen ohne weitere Unterbrechung folgen zu lassen.

ehren, und auch gegen die anderen Festungen würde man dieselben sparen
können, wenn man sich entschließen wollte, einen Aufruf an die polnische Be¬
völkerung zu erlassen: eine Maßregel, zu der ich übrigens kaum rathen würde.

Man mag einwenden: die russischen Feldstreitkräfte würden mit den Festungen
in Verbindung treten und auf diesen vorbereiteten Schlachtfeldern den Kampf
annehmen. Dieser Fall wäre ernst genug, er würde die Entscheidung in die
Länge ziehen, dieselbe indeß nicht aufheben. Blutiger und langdauernder, würde
der Krieg endlich dennoch zum Ziele führen, denn, um noch einmal zu sagen,
was zwanzigfach zuvor gesagt worden ist: Rußland, wie es ist, ohne Reserven
von ausreichendem Umfang,, kann nimmermehr an seiner Westgrenze einen
Widerstand bis aufs äußerste wagen. Dieses hieße zu viel aufs Spiel stellen.
Es bedarf der Einlage seiner Raumverhältnisse, im besonderen seiner unerme߬
lichen Dimensionen in die Wagschale der Entscheidung, um auf einen Erfolg
rechnen zu können.

Darum ist es meine Ansicht, daß weder Preußen noch Oestreich ein an-
griffsweiseö Eindringen in das polnische Befestigungösystem der Russen zu scheuen
haben. >




Militärische Landschaftsbilder aus der Türkei °)
Der Dewnosee.

Der Dewnosee erstreckt sich in einer Ausdehnung von sechs Stunden von
Ost nach West, d. l). aus der unmittelbaren Nähe des Meeresstrandes land¬
einwärts. Ohne Zweifel war er früher eine schmale, tiefeinschneidende See-
hunde, deren Entstehung mit dem vorzeitlichen, unbestritten höher gelegenen
Niveau'des Eurin und jenem gewaltigen Flutandrängen in Verbindung zu
bringen ist, als dessen Resultat'wir auch den Bosporus zu betrachten haben.
Später versandete die Mündung der Bai infolge der vorherrschenden Wind¬
richtung aus Nordost, welche wiederum eine Konsequenz der über den Pontus
hinaus nach dieser Weltgegend hin offenen, durch kein Gebirge vom Meere ge¬
schiedenen russischen Steppen ist. Es erhob sich allmälig eine Barre, und
letztlich jener schmale, mit Wiesenwachs bedeckte Isthmus, durch welchen der
ebenfalls Dewno genannte Abfluß des nunmehrigen LandseeS seinen viel¬
gewundenen, geschlängelten Laus nimmt.

Die militärische Bedeutung des Sees wurde bereits erörtert; eine noch



*> Wir liefern diesmal den rückständigen Theil der „Landschaftsbilder" nach, um nächstens
den ferneren Verlauf dieser Mittheilungen ohne weitere Unterbrechung folgen zu lassen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/183>, abgerufen am 09.11.2024.